US-Sportartikelriese Nike hat das umstrittene Oregon Project (NOP) für beendet erklärt und damit das Laufteam um die deutsche WM-Medaillengewinnerin Konstanze Klosterhalfen aufgelöst.
So geht es mit Klosterhalfen weiter
Doch wie wird die Entscheidung begründet, welche Folgen hat das für Klosterhalfen und wie reagieren die Sportlerin und der Deutsche Leichtathletik-Verband?
SPORT1 hat die wichtigsten Fragen und Antworten rund um das Aus für das Oregon Project.




Wie kam es zu der Auflösung?
Der bisherige Cheftrainer und Gründungsvater des NOP, Alberto Salazar, war am 1. Oktober wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt worden. Diese Verstöße sollen zwischen 2010 und 2014 erfolgt sein.
Doch die bereits seit 2015 kursierenden Berichte über verdächtige Praktiken hatten damit neue Nahrung erhalten, sodass alle Athleten der Oregon-Trainingsgruppe unter Generalverdacht gerieten. Erst recht, nachdem die sieben bei der WM am Start stehenden Mittel- und Langstreckenläufer dreimal Gold, einmal Silber und einmal Bronze holten.
Die Auflösung des NOP sei daher zum Wohle der Athleten passiert, wie Nike-Geschäftsführer Mark Parker in einer ersten Stellungnahme angab: "Die Situation und die unbegründeten Behauptungen lenken viele Athleten ab und beeinträchtigen sie dabei, sich auf ihre Trainings- und Wettkampfbedürfnisse zu konzentrieren."
Ist das wirklich das Ende für das Projekt?
Jein. Das Nike Oregon Project wird es unter diesem Namen nicht mehr geben. Auch die Website sowie die Social-Media-Kanäle des NOP sind bereits gelöscht. Doch wird sich Nike jetzt komplett zurückziehen und die ganze Idee hinter dem Projekt einstampfen?
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Unwahrscheinlich. Nike verdient vier Milliarden Euro jährlich durch den Verkauf in diesem Bereich und die Vermarktung ihrer Topathleten macht eine erhebliche Menge davon aus. Nike prägt die Leichtathletik wie kaum ein anderer Sponsor und hat unzählige Spitzenathleten unter Vertrag.
Deshalb versuchte Nike auch alles, um das Projekt nach der Sperre von Salazar zu retten und verteidigt diesen immer noch vehement. So zitiert die New York Times Nike-Geschäftsführer Parker: "Eine Vierjahressperre für jemanden, der in gutem Glauben gehandelt hat, ist falsch."
Doch der Druck durch die unzähligen Anschuldigungen wurde so groß, dass sich Nike gezwungen sah, das Projekt aufzulösen. Man wollte unbedingt verhindern, dass am Ende das ganze Unternehmen Schaden nimmt und mit Doping in Verbindung gebracht wird.
Die Stellungnahme von Nike lässt bereits durchblicken, dass man die Sportler der Gruppe aber weiter fördern will: "Wir werden all unseren Athleten bei diesem Übergang helfen, wenn sie die für sie geeigneten Trainingsbedingungen auswählen."
Wie reagiert Klosterhalfen?
In einem Statement, das ihr Management am Freitagnachmittag verbreitete, äußert sich Klosterhalfen wie folgt:
"Ich wurde über den Entschluss, dass das Nike Oregon Project geschlossen wird, vorab informiert. Es ist ein erster wichtiger Schritt, vor allem die aktuellen Athleten und deren Leistungen zu schützen, denn deren und meine sportliche Leistung ist seit der letzten Woche leider aufgrund der Umstände in den Hintergrund geraten.
Daher kann ich diesen Schritt komplett nachvollziehen, auch wenn ich, wie schon immer gesagt, über meine Erfahrungen seit November 2018 mit dem Team, den anderen Mitgliedern der Laufgruppe unter meinem Trainer Pete Julian, nur Positives berichten und mich daher komplett von allen Verdachtsmomenten frei machen kann.
Nike hat mich in den vergangenen Jahren immer unterstützt und meinen Weg stets mitbegleitet, so wie es auch in Zukunft der Fall sein wird. Ich werde mich mit meinem Team besprechen und dann auch entsprechend Gespräche mit Nike und dem DLV aufnehmen, um für mich und meine sportliche Entwicklung und Zukunft die bestmögliche Entscheidung zu treffen."
Welche Folgen hat das Aus für Klosterhalfen?
Klosterhalfen ging im Herbst 2018 in die USA, um sich dem Nike Oregon Project anzuschließen, seit März 2019 war sie festes Mitglied der Trainingsgruppe. Sechs deutsche Rekorde hat sie seitdem gebrochen, drei in der Halle und drei draußen.
Auf den ersten Blick verliert Klosterhalfen mit dem Aus nun ihre Trainingsgruppe und ihre Trainingsstätte, was ein enormer Einschnitt wäre. Ob finanzielle Einbußen zu befürchten sind, ist offen. Auch nach ihrem Medaillengewinn ist Nike daran interessiert, sie weiter zu unterstützen, wie Klosterhalfens Statement zeigt.
Die Gruppe selbst könnte ebenfalls - zumindest in kleinerer Größe - bestehen bleiben. Nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Doha über 5000 Meter schwärmte sie bei SPORT1 von ihrer "besten Trainingsgruppe der Welt" und betonte, dass sie und ihre Teamkollegen mit dem Thema Salazar nichts zu tun hätten.
Auch ihr Trainer Pete Julian steht nicht unter Verdacht, weshalb eine weitere Zusammenarbeit mit dem US-Coach äußert wahrscheinlich ist. Neben einer leicht ausgedünnten Gruppe ist die einzige Änderung womöglich, dass die Gruppe nicht mehr unter dem Namen Nike Oregon Project firmiert.
Für Klosterhalfen könnte es positiv sein, dass Salazars dunkler Schatten in den Hintergrund rückt und mögliche zukünftige Erfolge nicht mehr ständig in Verbindung mit dem umstrittenen Coach gebracht werden.
Kehrt Klosterhalfen nach Deutschland zurück?
Unwahrscheinlich. Klosterhalfen dürfte, wie bereits erwähnt, dem Ex-Leichtathleten Julian die Treue halten, der in den USA trainiert. Zudem hat sie dort weitaus bessere Bedingungen, die ihr selbst in der deutschen Leichtathletik-Stadt Leverkusen nicht geboten werden können.
Das weiß auch DLV-Bundestrainer Sebastian Weiß, der vor Julian ihr Coach war. Zweifelsohne würden er und der DLV sie mit offenen Armen empfangen - doch für ihre Entwicklung ist es wohl am besten, wenn die 22-Jährige in den Staaten bleibt.
Kurz nach ihrem Bronze-Coup hatte Klosterhalfen diese Frage bei SPORT1 bereits indirekt beantwortet, indem sie ihren Aufenthalt in den USA und die Zusammenarbeit mit Julian nicht allein an das Nike Oregon Project knüpfte.
"Wir werden natürlich Gespräche führen und ich weiß nicht, wie sich das hinsichtlich der Struktur weiterentwickelt. Aber ich werde in jedem Fall in diesem Team und Umfeld bleiben und freue mich schon sehr, wenn ich dann wieder zurückfliege", sagte Klosterhalfen.
Wie reagiert der DLV auf die Auflösung?
Der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte zum Ende der WM angekündigt, beratend auf Klosterhalfen und ihr Management bezüglich des Nike Oregon Projects einwirken zu wollen. Was genau das heißt, ließ der DLV, der einen langjährigen Ausrüstervertrag mit Nike hat, allerdings offen.
Wenige Stunden nach der Auflösung lobte der DLV in einem Statement nun das Ende des Oregon Projects: "Für mich ist der Beschluss, das Oregon Project nach der Salazar-Sperre zu beenden, eine folgerichtige Entscheidung im Sinne der Athleten und des Sports", wird DLV-Präsident Jürgen Kessing zitiert.
Bundestrainer Weiß erwiderte auf SPORT1-Nachfrage, er könne neben der Stellungnahme des DLV "im Moment auch nichts sagen."
Wie DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska, der den Nike-Beschluss ebenfalls als konsequent einstuft, plant man weiterhin, mit Klosterhalfen und ihrem Management "intensive Gespräche" zu führen, um die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio "optimal abzusichern".
Weiter sagte er: "Die Entscheidung, wie es weitergeht, wird letztlich Konstanze Klosterhalfen eigenverantwortlich treffen. Wichtig ist es aus meiner Sicht, die beste und nicht die schnellste Lösung zu finden."