Bukayo Saka lag in den Armen seines Trainers. Auch Jadon Sancho wurde von ihm getröstet. Niemand an diesem Abend wusste besser, wie es sich anfühlt, einen entscheidenden Elfmeter zu verschießen.
EM 2021: England verliert Elfmeterschießen - Gareth Southgate schuld?
25 Jahre nachdem Gareth Southgate bei der Europameisterschaft 1996 im Halbfinale gegen Deutschland vom Punkt gescheitert war, musste er nach der dramatischen Final-Niederlage gegen Italien nun seine Spieler trösten.
Ein 19-Jähriger hatte die Last des letzten Strafstoßes zu tragen, nachdem zuvor in Marcus Rashford (23) und dem Noch-Dortmunder Sancho (21) schon zwei Youngster verschossen hatten. Alle wurden anschließend im Netz wüst beleidigt.
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Christoph Kramer kritisiert England-Trainer Southgate
Unweigerlich drängte sich die Frage auf: Wie konnte Southgate, dem sein Fehlschuss von 1996 noch heute nachhängt, seinen Jungstars das nur antun?
"Rashford und Sancho sind von ihrem Ansehen, von ihrem Selbstverständnis her ganz, ganz oben. Und Southgate hat sie während des ganzen Turniers so ein bisschen links liegen gelassen. Sie sind blutjung und dann bekommen sie im Finale in der 118. Minute gesagt, ihr beide kommt jetzt nur fürs Elfmeterschießen rein. Das ist psychologisch einfach nicht gut", kritisierte ZDF-Experte Christoph Kramer Englands Trainer.
"Sie haben sowieso kein gutes Gefühl, weil sie das ganze Turnier über der Mannschaft nicht wirklich helfen konnten, weil sie nicht wichtig waren. Und dann kommen sie ohne Rhythmus aus der kalten Hose und sollen verwandeln. Das war einfach in dieser Konstellation nicht die richtige Wahl."
Zuvor hatte Southgate die beiden künftigen ManUnited-Teamkollegen Rashford und Sancho kurz vor dem Ende der Verlängerung ins Spiel gebracht und dafür die erfahrenen Kyle Walker (Manchester City) und den erst in der 74. Minute eingewechselten Liverpool-Kapitän Jordan Henderson vom Feld genommen.
Mertesacker: Grob fahrlässig
"Je länger das Elfmeterschießen dauerte, umso jünger wurden die Schützen", monierte auch Per Mertesacker in seiner Funktion als Experte im ZDF. "Das ist schon sehr fahrlässig von Southgate."
Auch Michael Ballack wunderte sich bei MagentaTV: "Es ist schon eine komische Situation, wenn du keinen Ball berührst und kommst in allerletzter Minute." Vor allem Rashford und Sancho hätten "mit der Situation nicht umgehen können, weil sie überhaupt nicht im Spiel sind". Mit-Experte Fredi Bobic meinte: "Dass als Letzter ein 19-Jähriger schießen muss, als fünfter Schütze. Das hat mich schon erstaunt. Puh, da hat er sich auch ein bisschen verpokert bei den Einwechslungen am Ende."
Und was sagte der Kritisierte selbst? "Das liegt an mir, ich habe die Elfmeterschützen aufgrund ihrer Leistungen im Training ausgewählt und niemand ist auf sich allein gestellt", erklärte der Coach der Three Lions und ergänzte angesprochen auf die späten Einwechslungen Sanchos und Rashfords:
"Das ist immer das Risiko, das man eingeht, aber um all diese Offensivspieler auf den Platz zu bekommen, muss man es spät tun. Es war ein Glücksspiel, aber wenn wir zu früh gewechselt hätten, hätten wir das Spiel in der regulären Spielzeit vielleicht sowieso verloren. Wir gewinnen und verlieren als Team, und die Elfmeterschützen sind meine Entscheidung."
Das Trainerteam habe "verfolgt, was sie in ihren Vereinen über einen langen Zeitraum geleistet haben und was sie dann auch im Training gezeigt haben. Heute Abend ist es nicht für uns gelaufen, aber wir wissen, dass sie die besten Elfmeterschützen waren, die wir auf dem Platz hatten."
Kane: Mehr Motivation für die WM
Immerhin: Die Fehlschützen dürfen sich der Unterstützung aus der Mannschaft sicher sein.
Kapitän Harry Kane, der den ersten Elfmeter verwandelt hatte, prophezeite: "Die Jungs werden daran wachsen und es wird uns mehr Motivation für die Weltmeisterschaft im nächsten Jahr geben."
Auch Southgate meinte: "Wir dürfen niemandem die Schuld zuweisen. Die Spieler müssen sich mit erhobenem Haupt verabschieden. Sie haben mehr erreicht als jedes andere Team in den letzten 50 Jahren oder so. Die Spieler sollten unglaublich stolz auf das sein, was sie geleistet haben."