Nach dem großen Knall rund um den Jahreswechsel bei den Cologne Crocodiles sollte der volle Fokus wieder auf dem Sportlichen liegen - eigentlich.
Deutsches Football-Team erneut im Chaos
Nun allerdings ist das Gegenteil passiert, die Situation ist erneut eskaliert. Der GFL-Verein feuerte am Sonntag Head Coach David Odenthal. Im offiziellen Statement spricht der Klub von „unüberbrückbaren Differenzen“ mit dem Cheftrainer und „vereinsschädigendem Verhalten“ - die Meldung ist mittlerweile von allen Plattformen gelöscht. Zu den genauen Gründen wollten die Verantwortlichen auch auf SPORT1-Nachfrage keine Stellung beziehen.
Odenthal selbst zeigt sich von der Entscheidung überrascht, weil er via Social Media von seiner Kündigung und den Anschuldigungen erfahren habe. „Ich muss das Ganze erstmal inhaltlich prüfen lassen“, schildert er auf SPORT1-Nachfrage.
Seine Entlassung könnte folgenschwer sein, denn zahlreiche Coaches und Spieler wollen wohl aus Solidarität mit dem Trainer den Verein verlassen. Der Spielbetrieb könnte nun rund zwei Monate vor Saisonbeginn bei den Straubing Spiders arg gefährdet sein.
Cologne Crocodiles: E-Mail sorgt für Entlassung von Odenthal
Auslöser für die erneute Eskalation soll laut offiziellen Vereinsangaben eine E-Mail sein, die Odenthal vergangene Woche unter anderem an den Hauptsponsor Wolfgang von Moers verfasst und verschickt hat. Dort habe der 44-Jährige „haltlose Vorwürfe“ formuliert - und „Forderungen, Vereinsverantwortliche zu ersetzen“, hieß es dazu.
In dem Schriftstück, das SPORT1 exklusiv vorliegt, schlägt Odenthal Alarm. Für ihn sei es „5 vor 12″, weil die in seinen Augen handelnden Personen sich nicht an Absprachen hielten. Konkret spricht der Coach von fehlender Transparenz und Planungssicherheit, schlechter Kommunikation und Drohungen seitens des Vorstandes um den auch als NFL-Kommentator bekannten Jan Stecker.
Zudem bemängelt Odenthal, dass bisher keinerlei Verträge unterschrieben worden seien und es für die Imports - die in den USA beheimateten Spieler - weder eine Unterkunft noch eine Buchung für die Flüge gäbe. (SERVICE: NFL-Wissen - die wichtigsten Begriffe im Football)
Odenthal sieht in seiner Entlassung vielmehr persönliche Gründe. „Im Nachhinein macht das alles Sinn. Es wird gewartet, bis die Spieler nicht mehr wechseln können, die Imports rekrutiert sind und das Team steht. Dann werden die Abläufe blockiert, es wird eskaliert und dann wird es genutzt, um mich meines Amtes zu entheben“, moniert er.
Der Verein weist diese Anschuldigungen zurück. So wurden zwar Angebote für Flüge eingeholt, aber erstmal auf die Wartetaste gedrückt, weil Spieler immer wieder absagen könnten.
„Somit wäre das Geld umsonst ausgegeben worden. Im Übrigen sind alle Planungen (Verträge/Wohnungen) mit dem HC abgestimmt auf den 1.5. terminiert, sodass wir noch ca. 7 Wochen Zeit haben, bis die Imports kommen sollen. Und wann und wie Buchungen ausgeführt werden, sollte der Verein und nicht der HC entscheiden“, reagiert der letztjährige Playoff-Halbfinalist bei SPORT1 auf die Vorwürfe.
Zu den weiteren Vorwürfen will der Verein jedoch keinerlei Stellung nehmen, denn: „Über detaillierte Vertragsdetails, Zahlungen und Budgetierungen können und wollen wir, auch aus rechtlichen Gründen, keine Auskunft geben.“
Crocodiles werfen Odenthal „egoistisches Verhalten vor“
In einer Mail an die Mitglieder, die SPORT1 vorliegt, werden die Verantwortlichen deutlicher: „Wir tun dies (die Entlassung von Odenthal, d. Red.) zum Wohle des Vereins, denn gerade in herausfordernden Zeiten müssen alle an einem Strang ziehen und in erster Linie das Wohl des Vereins im Blick haben. Dies gilt selbstverständlich in hohem Maße für die GFL-Mannschaft als unser Aushängeschild, aber genauso wichtig ist es unsere Jugendmannschaften zu fördern und mit allen Kräften zu unterstützen. Egoistisches Verhalten, jede Loyalität zum Verein vermissen zu lassen, das Bestreben immer nur das Beste für sich selbst herauszuholen und alles, was einem nicht in den Kram passt zu torpedieren, passt sicher nicht dazu.“
Diese Begründung kann der geschasste Trainer nicht nachvollziehen. „Diese Vorwürfe, dass ich den Verein geschädigt haben soll, sind in keinster Weise haltbar“, sagt er und ergänzt: „Der Vorwurf ist, dass ich anstatt vier bis fünf Importspieler insgesamt neun verpflichtet habe. Dann frage ich mich aber, warum der Verein neun Spieler auf Social Media vorstellt, neun Verträge rausgeschickt und der Kontroller des Vereins und Wolfgang von Moers es abgesichert hat.“
Der Verein selbst schildert bei SPORT1, dass in der überarbeiteten Budgetplanung vom Januar neun Imports im Rahmen der Möglichkeiten seien. „Diese haben auch alle Verträge bekommen“, erläutert der Traditionsverein. Laut Odenthal seien die Arbeitspapiere allerdings nicht von den Verantwortlichen unterschrieben gewesen: „Das ist sehr kurios und wirf Fragen auf.“
Darüber hinaus habe der ehemalige Offensive Lineman dem Verein Einsparpotenziale aufgezeigt, um einen Puffer für mögliche Verletzungen im Budget zu haben. So soll er unter anderem bereit gewesen sein, auf mehr als 50 Prozent seines Gehaltes und auf zwei Jersey-Sätze im Wert von 12.000 Euro zu verzichten.
Cologne Crocodiles droht der Verlust zahlreicher Spieler und Trainer
Das große Chaos könnte dem Verein jetzt erst noch drohen. Schließlich könnten nach SPORT1-Informationen alle Trainer, einige Betreuer*innen und zahlreiche Spieler den Verein verlassen wollen, da sie die Entscheidung der Vereinsführung nicht nachvollziehen können.
Einige Spieler sollen sich bereits im Austausch mit Teams aus der Region befinden. Allerdings gibt es ein großes Problem, was ihnen sauer aufstößt. So erhalten laut der Bundesspielordnung vom Bundesverband AFVD alle Spieler, die nach dem 1. März den Verein wechseln, eine Sperre von drei Partien.
Unkomplizierter wäre ein Wechsel in die European League of Football, denn dort gibt es keine Wechselsperren. Mit den Cologne Centurions wäre ein Team nur wenige Kilometer entfernt. Auch Rhein Fire in Düsseldorf liegt nicht allzu weit weg.
Zahlreiche Leistungsträger wollen die Crocodiles demnach verlassen. Für sie sei einfach zu viel passiert, um noch erfolgreich zusammenarbeiten zu können.
Ihr Abgänge würde die Kölner vor große Probleme stellen, auch wenn in der ursprünglichen Planung 106 Spieler für den GFL-Kader eingeplant sind. Schließlich könnten die Verantwortlichen zwar neue Spieler verpflichten, dürften diese aber erst beim vierten Saisonspiel einsetzen.
Martin Hanselmann soll Cologne Crocodiles zusammenhalten
Deswegen baut der Verein darauf, dass der neue Head Coach Martin Hanselmann die Beteiligten noch umstimmen kann. Vorab wird es aber am Mittwoch vor dem Training einen Termin seitens der Führung mit Spielern, Coaches und Staff-Team geben, um alle Missverständnisse auszuräumen.
Schon jetzt verzeichnet Hanselmann, der in seinem Podcast bereits von einem ersten Kontakt mit dem Verein im Dezember berichtet, kleine Teilerfolge. „Ein Coach hat seinerseits Kontakt mit Martin aufgenommen, weitere möchten erst nähere Infos haben, bevor sie eine endgültige Entscheidung treffen“, berichtet der Klub und ergänzt, dass der besagte Trainer „von seinem Engagement Abstand genommen hat“.
Besser ist die Lage bei den Imports. So sollen die Spieler dem neuen Trainer offen gegenüberstehen. Lediglich einer der US-Amerikaner wolle den Vertrag auflösen. „Derzeit ist der HC noch mit ihm im Gespräch, um ihm vom Gegenteil zu überzeugen“, so die Kölner.
Zukunft für Odenthal ungewiss
Für Odenthal dürfte es hingegen unter der aktuellen Führung kein Zurück zu seinem Heimatverein geben, bei dem er seit 32 Jahren Mitglied ist. Er ist „traurig, enttäuscht und wütend“ über die Vorgänge und versichert, dass er keinen persönlichen Groll gegen den Vorstand habe. Schließlich trage er den Verein „in seinem Herzen“.
Verständnis für die Entscheidung hat er dennoch nicht und erwägt seine weiteren Schritte. Er prüft seine außerordentliche Kündigung.
Odenthals Zukunft als Trainer ist derweil ungewiss: „Ich werde erstmal die Zeit bei den Crocodiles verarbeiten und mir dann Gedanken gemachen, wie es für mich weitergeht. Vielleicht mache ich direkt weiter oder nehme erstmal eine Auszeit.“
Er bedaure die Lage, in der seine ehemaligen Trainerkollegen und Spieler nun sind - und hofft auf eine schnelle Lösung und womöglich ein Wiedersehen unter besseren Umständen.