Sein berühmtestes Foto kennt so gut wie jeder, auch wenn er darauf nicht die Hauptfigur ist.
Der mysteriöse Tod einer Box-Ikone
Es war der 25. Mai 1965, an dem Muhammad Ali den Ex-Weltmeister Charles „Sonny“ Liston nach 105 Sekunden mit dem legendären „Phantom Punch“ überraschte und zu Boden schickte.
Das Foto Alis, der den niedergestreckten Liston mit den Worten „Get up, you bum!“ („Steh auf, du Penner!“) anbrüllt, ist das ikonische Ali-Bild schlechthin, eine der bekanntesten Aufnahmen der Sportgeschichte.
Während Ali mit seinen beiden Siegen gegen den „Black Bear“ seinen unvergänglichen Mythos begründete, begann für Liston damit ein persönlicher Absturz. Am 5. Januar 1971 erschütterte die Nachricht seines frühen Todes die Sportwelt.
Wie sein späterer Rivale Ali wuchs Liston in armen, vom Rassismus geprägten Verhältnissen auf: Geboren um 1930 als zwölftes von 13 Kindern eines Baumwollfarmers in Arkansas (der genaue Geburtstag ist unklar) war seine Kindheit geprägt von einem gewalttätigen Vater, Zwang zur Kinderarbeit und schlechter Bildung - Liston lernte bis an sein Lebensende nie lesen und schreiben.
Vom Schwerverbrecher zum Box-Weltmeister
Nach dem Tod des Vaters verschlug es die Mutter nach St. Louis, wo Liston kriminell wurde: Er beging mehrere Raubüberfälle und Diebstähle, wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Im Gefängnis offenbarte sich sein Boxtalent, das ihm den Weg zu einer vorzeitigen Entlassung und der Jagd nach der Weltmeisterschaft im Schwergewicht ebnete.
Liston blieb der Halbwelt verhaftet - sein Manager Frankie Carbo war ein bekannter Mafioso - und eine Prügel-Attacke auf einen Verkehrspolizisten führte auch zu einem erneuten Gefängnisaufenthalt.
Sportlich allerdings entpuppte sich der „Black Bear“ als Phänomen, das Beispielloses vollbrachte: Am 25. September 1962 eroberte Liston die WM-Krone mit einem Erstrunden-K.o. gegen Floyd Patterson. Auch den Rückkampf gewann Liston vor dem ersten Ringgong. Auf diese Art und Weise war noch kein Schwergewichts-Champ demontiert worden.
Liston vs. Patterson: Eine aufgeladene Rivalität
Schon vor der Rivalität mit Ali war Listons Karriere auch politisch aufgeladen: Wegen seiner kriminellen Geschichte und seiner von vielen als unfreundlich wahrgenommenen Art war er weithin verhasst, speziell auch im Kontrast zu dem als Gentleman geltenden Patterson.
Die Duelle Patterson - Liston wurden von vielen als Gut-gegen-Böse-Geschichte erzählt, Rassismus der weißen Mehrheitsgesellschaft spielte dabei eine tragende Rolle.
Der berühmte Autor Normal Mailer sah bei der Verachtung gegenüber Liston viel Heuchelei im Spiel: Er kritisierte Pattersons „schäbige Rechtschaffenheit“ und romantisierte stattdessen Liston als „Held für alle, die sich mit dem Schicksal anlegten, solange sie nur ihren Spaß dabei hatten; die Zigarettenraucher, die Säufer, die Junkies, die Hascher, die Fixer, die Zicken, die Schwulen, die Klappmesser, die Revolverschwinger“.
Auch der große afroamerikanische Romancier James Baldwin las den Gegensatz der Box-Rivalen als Metapher für die Frage, „welche Haltung in unserem schrecklichen amerikanischen Dilemma die wirkungsvollere ist: die disziplinierte Freundlichkeit Pattersons oder die freimütige Unerbittlichkeit Listons“. Ein Volksheld war Liston wegen seiner makelvollen Vita aber auch bei der afroamerikanischen Community nie.
Liston vor Kämpfen verhöhnt und beleidigt
Die Regentschaft Listons lief dann kürzer als allgemein erwartet, denn kaum war Patterson geschlagen, erhob der junge Cassius Clay sein Haupt und schockte mit seinem damals sensationellen Sieg über Liston die Welt.
Der 22 Jahre junge Clay hatte schon vor dem ersten Fight am 25. Februar 1964 für Aufruhr gesorgt, indem er Liston über Wochen verhöhnte und beleidigte. Zum Wiegen erscheint Clay mit einer Jacke mit der Aufschrift „Bärenjagd“.
Als der Gong ertönte, dominierte Clay aufreizend, ließ immer seine Deckung hängen, tänzelte und konterte den behäbig wirkenden Liston immer wieder aus, bis dieser nach der sechsten Runde entnervt aufgab. Wie sich später offenbarte, hatte Liston sich schlecht vorbereitet, wenig trainiert und sich Eskapaden mit Prostituierten gegönnt.
Nach dem verlorenen Rückkampf gegen den von Clay in Ali umbenannten Champion bekam Liston nie wieder eine WM-Chance. Der ohnehin ungeliebte Liston wurde noch mehr geschnitten, auch weil sich um den zweiten Kampf gegen Ali - wohl abwegige - Manipulationsgerüchte rankten.
Listons Tod: Grauenvoll und bis heute nicht restlos geklärt
Am 29. Juni 1970 bestritt und gewann Liston gegen Chuck Wepner seinen letzten Kampf, rund sechs Monate später wurde der Ex-Weltmeister am 5. Januar 1971 tot in seiner Wohnung in Las Vegas gefunden.
Listons Frau Geraldine kehrte nach einem zweiwöchigen Urlaub heim und fand ein Bild des Grauens vor: Liston war bereits seit mehreren Tagen tot und im Verwesungszustand.
Wenige Wochen vor seinem Tod war Liston wegen Herz-Sorgen im Krankenhaus, dazu soll er drogenabhängig gewesen sein. Eine polizeiliche Ermittlung kam zum Schluss, dass Liston wohl am 30. Dezember 1970 an einer Heroinüberdosis verstorben war.
Restlos geklärt werden konnten die genauen Todesumstände jedoch nicht, Verschwörungstheorien über einen Mafia-Mord blühten, wurden aber nie bestätigt. Sonny Liston - Grabinschrift: „A Man“ - ruht auf einem Friedhof in Las Vegas.