Herzlichen Glückwunsch, Spanien! Es gibt keinen Zweifel, dass das Team von Trainer Luis de la Fuente der verdiente Europameister ist. Über das gesamte Turnier hinweg waren die Spanier nicht nur das erfolgreichste, sondern auch das fußballerisch beste Team.
Eins hat nur Deutschland geschafft
Dabei war der Weg zum Titel alles andere als einfach: Schon in der Vorrunde bekamen es die Iberer mit Europameister Italien und Kroatien zu tun, ab dem Viertelfinale warteten in Deutschland, Frankreich und England drei weitere Top-Nationen.
Aber die Spanier hatten den perfekten Turnierplan parat: Nach den beiden wichtigen Siegen gegen Kroatien (3:0) und Italien (1:0) nutzte de la Fuente das letzte Gruppenspiel gegen Albanien, um zu rotieren und Kräfte zu schonen. Es war die optimale Ausgangslage für die K.o.-Phase, in der Spanien nur einmal wirklich Glück brauchte: im Viertelfinale gegen Deutschland.
Spanien: gut strukturiert und diszipliniert
Denn bei aller jüngst aufgekommenen Kritik am deutschen Scheitern gegen den ersten richtig starken Gegner zeigt Spaniens Turnierverlauf, wie gut das DFB-Team wirklich war.
Ja, auch Spaniens Spiele gegen Frankreich und England waren knapp. Hätte Kylian Mbappé in der 85. Minute im Halbfinale nicht freistehend übers Tor gezielt, hätte Dani Olmo nicht in der 90. Minute des Endspiels auf der eigenen Torlinie geklärt - es hätte alles anders ausgehen können.
Aber eins hat tatsächlich nur Deutschland geschafft: Die dominant spielenden, immer gut strukturierten und taktisch disziplinierten Spanier komplett aus ihrer Ordnung zu bringen und das Spiel wild werden zu lassen, das ist nur Julian Nagelsmann und seinem Team gelungen. Die Deutschen nahmen dem neuen Europameister das Heft des Handelns aus der Hand und hatten nicht nur einmal, sondern mehrfach die Chance, die Partie zu ihren Gunsten zu entscheiden.
Kollektiv schlägt individuelle Klasse
Passenderweise ging Spanien nur gegen Deutschland nicht nach 90 Minuten als Sieger vom Platz. Gegen alle anderen Mannschaften hingegen hatten die Spanier nahezu über die gesamte Spielzeit die Kontrolle über das Geschehen auf dem Platz, konnten den Spielverlauf nach ihrem Willen bestimmen und ihren perfekt abgestimmten Matchplan durchsetzen.
Mit ihrem Teamfußball zeigten die Spanier auch ein Stück weit den Auswüchsen des modernen Fußballs die Grenzen auf, in dem Kinder mit Trikots von Inter Miami oder Al-Nassr herumlaufen, nur weil dort Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo spielen.
Bei dieser EM aber waren es eben nicht die Mannschaften der internationalen Megastars wie Mbappé, Jude Bellingham und schon gar nicht von Ronaldo, die Erfolg hatten, geschweige denn den besten Fußball spielten. Es war das Kollektiv der Spanier, das sie alle in den Schatten stellte - und mit dem oft unspektakulären, öffentlich zurückhaltenden, aber zugleich genialen Rodri wurde der passende Akteur zum besten Spieler des Turniers gewählt.
Spanien vor rosiger Zukunft
Der zentrale Mittelfeldspieler und seine Nebenleute verkörpern genau das, was bei TikTok, Instagram oder YouTube längst nicht mehr gilt: Auf dem Platz ist eben doch kein Spieler größer als die Mannschaft, ein gut funktionierendes Team schlägt individuelle Qualität.
Die schlechte Nachricht für die Konkurrenz: Mit einem Durchschnittsalter von 27,0 Jahren lagen die Spanier im Ranking der jüngsten EM-Teams auf Platz elf im Mittelfeld, Spieler wie Lamine Yamal (17), Nico Williams (22) und Co. fangen gerade erst an.
Spannend wird zu sehen sein, wie vor allem der extrem gehypte Yamal mit dem neuen Ruhm und dem gestiegenen Druck umgehen wird. Dass ihm der Erfolg allzu sehr zu Kopf steigen wird, ist angesichts der bei der EM gewonnenen Eindrücke allerdings nicht zu erwarten - auch wenn die Spanier mit dem Barca-Youngster bei der WM 2026 dann womöglich selbst einen globalen Superstar in ihren Reihen haben werden.