Beim DFB erinnern sie sich gern an ihre langjährige Eminenz.
Die skurrilste DFB-Trainerposse
Von 1992 bis 2001 war Egidius Braun Präsident des Verbands, prägte den deutschen Fußball auch darüber hinaus über Jahrzehnte. 100 Jahre alt wäre der 2022 verstorbene Braun am Donnerstag geworden. Der Ehrenpräsident hinterließ ein reiches Lebenswerk, zu dem auch legendäre Kuriositäten gehören.
Schwierige Jahre nach der WM 1990
Der in Breinig bei Aachen geborene Braun - Soldat im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit Gründer einer Kartoffel-Firma („Kartoffel Braun“) - war viele Jahre lang lokaler und regionaler Funktionär und von 1977 bis 1992 Schatzmeister des DFB.
1992 erbte Braun das Präsidentenamt von Hermann Neuberger, seine Regentschaft fiel in eine kritische Umbruchsphase: Nach dem umjubelten WM-Gewinn 1990 unter Teamchef Franz Beckenbauer hatte dessen Nachfolger Berti Vogts ein schweres Erbe - noch schwerer gemacht durch Beckenbauers berühmte Prophezeiung, der deutsche Fußball werde nach der Wiedervereinigung „auf Jahre unschlagbar“.
Vogts konnte das Versprechen nicht einlösen: Bei der WM 1994 in den USA scheiterte er im Viertelfinale, trotz des EM-Gewinns 1996 in England verlor die Fußball-Nation nach dem neuerlichen Viertelfinal-Aus 1998 in Frankreich die Geduld.
Und nicht nur Vogts, auch Braun geriet unfreiwillig in den Fokus der Kritik.

Chaotische Nachfolger-Suche für Berti Vogts
Es war Braun, der Vogts 1994 drängte, Stefan Effenberg nach dem Stinkefinger gegen die Fans nach seiner Auswechslung gegen Südkorea aus der Mannschaft zu werfen. Es war Braun, der für seine freundschaftliche Treue zu Vogts ebenfalls oft Kritik abbekam.
Nach der WM 1998 rückte Braun öffentlich spürbar von Vogts ab und beförderte so dessen Rücktritt. Die Nachfolgesuche geriet dann chaotisch und führte auch zu Rücktrittsforderungen an Braun.
Der damals 73-Jährige soll schon vor Vogts' Abtritt bei Otto Rehhagel und auch bei Beckenbauer angeklopft haben, als dann Wunschkandidat Jupp Heynckes absagte, kam Braun auf eine besonders verwegene Idee.
„Diese Idee revolutioniert die Welt“
Mit einem unerwarteten Telefonanruf ins bayerische Brunnthal bot Braun der als Trainer völlig unerfahrenen Bayern-Legende Paul Breitner den Job an.
Der überrumpelte Breitner, nach seiner aktiven Karriere vor allem als scharfzüngiger Zeitungs- und TV-Experte präsent, sagte zu - und hinterließ bei Braun das Gefühl, einen großen Coup gelandet zu haben.
„Diese Idee revolutioniert die Welt“, soll er laut Spiegel gesagt haben - und auch etwas Angst vor der eigenen Courage gezeigt haben („Bin ich wahnsinnig geworden?“).
Posse um Paul Breitner sorgte für Spott
Am nächsten Morgen sagte Braun die Revolution ab und teilte Breitner mit, dass er sein Angebot zurückziehe. Breitner habe das vertrauliche Telefonat ausgeplaudert, lautete die offizielle Begründung. Breitner selbst mutmaßte: Braun hätte wohl erst nach dem Telefonat erfahren, dass er den Präsidenten kurz zuvor scharf kritisiert und den Rücktritt nahegelegt hatte.
Als die Posse herauskam, war die Häme groß: „Am Ende hätte es nicht mehr verwundert, wenn der DFB den Nachfolger über eine Annonce in ‚Fix und Foxi' gesucht hätte", spottete der Spiegel.
An Breitners Stelle übernahmen die weniger revoluzzerigen „Sir“ Erich Ribbeck und Uli Stielike, unter denen die Krise der Nationalmannschaft - Stichwort: „Rumpelfüßler“ - noch schlimmer wurde. Nach dem Vorrunden-Aus bei der EM 2000 trat der glücklose Ribbeck ab (Stielike flog schon kurz vorher), im Jahr darauf ging auch Braun.
„Egidius Braun war ein großer Präsident“
Speziell am Ende seiner Amtszeit erntete Braun viel Kritik, beim DFB veraltete Strukturen verantwortet zu haben. Über die großväterliche Art von „Pater Braun“ wurden seinerzeit viele Witze gemacht - unter anderem nahm Late-Night-Talker Harald Schmidt sich den studierten Philosophen gern vor. Jenseits dessen hat Braun aber auch viel Lob für sein langjähriges Wirken bekommen.
„Egidius Braun war ein großer Präsident. Er wusste um die einzigartige gesellschaftliche Kraft des Fußballs, um die Bedeutung des Ehrenamts, um das unverzichtbare Zusammenspiel von Amateur- und Spitzenfußball“, sagt der heutige Präsident Bernd Neuendorf dem SID: „Er hat stets vorgelebt, was eigentlich selbstverständlich, was uns allen doch eigentlich von Natur aus gegeben sein sollte: menschlich zu sein. Menschlichkeit zu zeigen, Menschlichkeit zu leben.“
Der karitativ stark engagierte Braun hob nach der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko unter dem Eindruck der ärmlichen Verhältnisse dort ein großes Hilfsprojekt aus der Taufe, die 2001 gegründete DFB-Stiftung Egidius Braun schuf einen noch größeren Rahmen.
Für Neuendorf war Braun „im positiven Sinne ein Menschenfänger. Er hat Menschen für sich eingenommen und deswegen für den Fußball und für die Gesellschaft viel erreicht.“ Braun habe „ein Erbe hinterlassen, dem wir uns im Verband verpflichtet“ fühlen: „Er hat das gesellschaftliche Engagement fest in der DNA und der Satzung des DFB verankert.“
Die DFB-Spitze um Neuendorf und Sportdirektor Rudi Völler - seinerzeit Ribbecks Nachfolger beim DFB - wird den Geburtstag zum Anlass nehmen, um die letzte Ruhestätte Brauns auf dem Aachener Waldfriedhof zu besuchen.