„Never fall in love with loan players“, heißt eine längst gängige Floskel unter Fußballfans, sprich: verliebe dich niemals in einen Leihspieler. Oft ist allerdings genau das weitaus leichter gesagt als getan - viele von den 26.000 Zuschauern, die am späten Sonntag das ausverkaufte Vonovia-Ruhrstadion in Bochum besuchten, werden dem zustimmen, ohne auch nur eine einzige Sekunde zu zögern.
Schlotterbecks vergeblicher Wunsch
Zum einen lief da der vom FC Bayern nach Leverkusen ausgeliehene Josip Stanisic umher. Seit Wochen befindet sich der kroatische Nationalspieler in bestechender Form und schickt sich an, die Herzen aller Bayer-Anhänger für sich zu gewinnen. Zum anderen stand Keven Schlotterbeck auf dem Rasen, Bochums Abwehrboss, der für den VfL in der Kabine ebenso wie vor den Mikrofonen eine immer wichtigere Rolle einnimmt, aber eigentlich dem SC Freiburg gehört.
Niemand zweifelt an der enormen Bedeutung, die beide für ihre jeweiligen Teams haben - wenngleich sie mit ganz anderen Gefühlen auf das vergangene Wochenende zurückblicken. Während Stanisic seinen dritten Treffer in den letzten sechs Spielen schoss und dazu noch eine mustergültige Vorlage für Alejandro Grimaldo gab, ging Schlotterbeck komplett baden. 0:5 hieß es aus Sicht der nach wie vor abstiegsgefährdeten Westfalen. Aber: Der 27-Jährige möchte vorangehen. Unbedingt und zu jeder Zeit.
Schlotterbeck vom BVB-Debakel genervt
Dass sich ein Leihspieler wie er derart zu einer Führungsperson mausert, ist keinesfalls selbstverständlich. Dies war auch nach der bitteren Bochumer Pleite zu erkennen, als Schlotterbeck das Wort ergriff und sofort einen Haken hinter diesen Abend setzte. „Ich sch*** drauf, ganz ehrlich. Mit mir macht das gar nichts. Ich bin zwar angefressen durch meine eigene Leistung, aber den Jungs kann ich nichts vorwerfen. Die haben alles reingeworfen“, sagte er in dem Wissen, dass zwei primitive Fehler diese Partie entschieden.
Was war geschehen? Erst flog Felix Passlack früh vom Platz, sodass die gesamte Spieldynamik verändert war. Dann holte Schlotterbeck Nathan Tella im Strafraum von den Beinen - ehe Victor Boniface vom Punkt traf. „Wir haben es bis zum 0:1 wirklich gut verteidigt. Das 0:2 ist mein Bock. Ich will ihn über die Außenseite attackieren und bleibe irgendwie hängen. Ich glaube, er lässt relativ lange das Bein stehen, ich versuche außen rum zu laufen. Dann ist es so“, blickte er auf seine Aktion gegen den flinken Tella zurück.
Schlotterbeck kann Versprechen nicht einlösen
So schnell dieses Spiel jedoch vergessen war, so groß war der Frust bei einem anderen, viel diskutierten Thema: Unmittelbar daran beteiligt: Sein jüngerer Bruder Nico Schlotterbeck. Dieser hatte nach dem Finaleinzug seines BVB in der Champions League angekündigt, auch gegen Mainz Vollgas geben zu wollen. „Keine Sorge an die Bochumer: Am Samstag geben wir 110 Prozent“, schrieb der 24-Jährige auf Instagram. Denn: auch eine Niederlage der Rheinhessen gegen Dortmund wäre gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Ligaverbleib für den VfL gewesen.
Umso ärgerlicher für beide Schlotterbecks, dass es beim Konjunktiv blieb. Der Schwarz-Gelben verloren nach einer indiskutablen Vorstellung mit 0:3 bei den Mainzern und sorgten für viel Frust bei der direkten Konkurrenz, war von den angekündigten 110 Prozent doch recht wenig zu erkennen. „Ganz Bochum hat natürlich das Spiel Mainz gegen Dortmund gesehen. Die Jungs sollten hinterfragen, was sie da gezeigt haben“, polterte Keven danach in Richtung seines Bruders und dessen Team.
Ein Brüderpaar plötzlich im absoluten Stresstest. Erst im Anschluss sprach Keven Schlotterbeck mit Nico und nahm ihn wieder aus der Schussbahn. Er könne seinem Bruder persönlich „keinen Vorwurf“ machen, ruderte der Leidtragende hinterher zurück. Doch klar ist auch: Diese familieninterne Hilfe hätte nicht bloß er, sondern ganz Bochum dankend angenommen.
Wie geht es bei Schlotterbeck weiter?
Aber immerhin: Trotz der eigenen hohen Niederlage haben die Bochumer im Abschiedskampf alles in der eigenen Hand. Schon ein Remis am kommenden Samstag bei Werder Bremen reicht sicher für mindestens ein weiteres Jahr Bundesliga. Nur müsse man an der Weser wieder „alles in die Waagschale werfen“, um den rettenden Punkt letztlich auch zu holen, bekräftigte Schlotterbeck und kündigte an: „Wir werden die VfL-Tugenden auf den Platz bringen, das ist klar.“
Ob Schlotterbeck solche dramatischen Tage auch weiterhin im blau-weißen Trikot erleben wird, ist derweil noch unklar. Die Westfalen wollten ihn laut Medienberichten bereits im letzten Sommer, nachdem er erstmals in den Ruhrpott verliehen war und auf Anhieb eine überzeugende Rückrunde gespielte hatte, unbedingt fest verpflichten. Allerdings forderten die Freiburger eine Ablösesumme über drei Millionen Euro - deutlich zu viel für den verhältnismäßig kleinen Verein, der sich deswegen für eine erneute Leihe entschied.
Und diesmal? Dürfen sich der VfL wohl größere Hoffnungen machen, weil der Vertrag des Abwehrspielers im Breisgau nur noch ein Jahr Restlaufzeit hat. Ein attraktiverer Deal scheint mindestens im Bereich des Möglichen zu liegen. Dazu weiß Schlotterbeck: In Bochum wird er enorm geschätzt, ihm stehen dort alle Türen offen. Zunächst gilt es aber, den vollen Fokus auf den so wichtigen Samstag zu legen. Klappt das, gibt es etwas zu feiern.