Deutschland zittert sich ins Achtelfinale der EM 2021!
"Das war sensationell"
Das Team von Bundestrainer Joachim Löw erkämpfte sich gegen Ungarn ein 2:2 und beendet die Gruppe F somit auf Rang zwei. Die Löw-Elf musste allerdings bis zum Schluss um den Achtelfinaleinzug zittern, nachdem sie zweimal in Rückstand gelegen hatte. Im Achtelfinale trifft Deutschland nun auf England. (Die Achtelfinalpaarungen im Überblick)
Während bei der DFB-Elf überwiegend Erleichterung herrscht, freut sich Joshua Kimmich schon auf die Partie in Wembley.
Joachim Löw kritisierte derweil die Zuordnung und die eigenen Standards. Lob gab es für Joker Jamal Musiala. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
SPORT1 fasst die Stimmen von ZDF, MagentaTV und den Pressekonferenzen zusammen. (Tabellen der EM)
Joachim Löw (Bundestrainer Deutschland): "Ich hatte nie das Gefühl, dass es das war, wir haben extrem gute Moral bewiesen, gefightet bis es klappt. Das war sensationell. Ungarn hat alles reingehauen wie gegen Frankreich. Am Ende muss man sagen: Durch diese Gruppe durchzukommen, das war gut."
... über den Gegner Ungarn: "Zum einen waren die Räume nicht gegeben. Das war uns vorher klar. Portugal hat uns viel mehr Räume gegeben, Ungarn nicht. Frankreich hat auch nur 1:1 gegen Ungarn gespielt, die sogenannten Kleinen hauen alles rein, es war nicht einfach, sie haben nichts zu verlieren. Man sieht, dass sich andere Mannschaften auch schwer tun, wie Frankreich gegen Ungarn, Spanien auch gegen Polen. Ungarn stand mit zehn Mann in der eigenen Hälfte, sie hatten nichts zu verlieren."
Löw moniert Standards: "Nicht zielführend"
... über das Gegentor: "Normalerweise gibt es im Sechzehner eine Zuordnung Eins-gegen-Eins, keine Raumdeckung. Matze (Ginter) und Mats (Hummels) stehen beim 0:1 im Raum und auch die Flanke muss verhindert werden. Die Eckbälle sind, so wie sie heute kamen, nicht zielführend. Nach vorne hat auch die Präzision gefehlt. Wir hätten auch den Siegtreffer machen können, aber der Ball war viel zu weit, das darf nicht passieren. Musiala hatte einige gute Situationen, wenn es eng wird ist das seine Stärke. Er hat es für sein Alter gut gemacht, war frech, hat Bälle gesichert, das war sehr ansprechend."
... über das Achtelfinale: "Das ist ein absolutes Highlight, wenn man in Wembley gegen England spielen kann. Wir werden gut vorbereitet sein und es wird ein anderer Auftritt sein als heute, das kann ich versprechen."
... über die Probleme im Spiel nach vorne: "Die Lösungen waren schon gegeben und eigentlich klar. Aber wenn eine alte Mannschaft wie Ungarn in Führung geht, machen sie alles zu. Dann wäre es halt wichtig, wenn du die ein oder andere Chance nutzt. Wenn du in Rückstand gerätst, wird es ein unglaublich zäher Kampf gegen so eine Mannschaft. Wir waren zweimal in Rückstand, insbesondere der Rückstand nach dem 1:1 war schlecht. Ansonsten waren wenig Räume, auch außen haben sie sehr gut zugemacht. Es war eine sehr starke Defensivleistung von Ungarn."
... über einzelne Spieler: "Goretzka war klasse, er hat viel Tempo reingebracht. Er hat auch die tiefen Wege gemacht. Auch Musiala als junger Spieler hatte ein paar gute Aktionen. Da sieht man, was für eine Klasse er bekommen wird in den nächsten Jahren. Von Leroy haben wir uns erhofft, dass er sich auf Rechts in Zweikämpfen durchsetzt und mit seiner Schnelligkeit was machen kann. Über die Außen ging relativ wenig. Auch Gosens war praktisch aus dem Spiel genommen."
Manuel Neuer (Kapitän Deutschland): "Wir sind einfach nur erleichtert, dass wir es geschafft haben. Es war ein Nervenkrimi. Es ist natürlich schwer gegen so eine Mannschaft, wenn du hinten liegst. Ungarn hat schon gegen Portugal und Frankreich vielbeinig verteidigt und auf Konter gelauert, um zuzusteechen. Es ist uns nicht gelungen, in den entscheidenden Situationen ein Tor zu erzielen, wir mussten lange darauf warten. Und dann kriegen wir postwendend nach dem 1:1 das 1:2 und können froh sein, dass wir so eine tolle Aktion mit Jamal noch hatten und Leon den macht. Die Einwechselspieler haben das Spiel für uns gedreht.
... zu den vielen Gegentoren: "Das war nicht gut, jetzt kommen die K.o.-Spiele, da müssen wir stabiler werden. Bei den Standards standen wir heute wirklich gut, das haben wir umgesetzt und besser gemacht. Aber wir müssen noch über einiges sprechen und das analysieren."
... zum Achtelfinale: "Gegen England ist es ein ganz anderes Spiel als gegen die Portugiesen und die Franzosen. Wir haben super Jungs, wir haben trotz des 2:2 Selbstvertrauen und wollen weitergehen. Wembley liegt uns!"
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Leon Goretzka (Deutschland): "Wir sind natürlich erleichtert. Dass der Ball mir dann so glücklich vor die Füße gefallen, ist natürlich glücklich. Ich weiß gar nicht mehr wer ihn querlegt, lege zu Timo, dann wird der Ball geblockt und fällt mir vor die Füße. Was nicht passieren darf, ist eine Situation wie beim 1:1, da sind wir im Kopf nicht schnell genug. Das darf niemals passieren, wenn du in diesem Turnier was erreichen willst. Zweifel haben wir nicht, wir sind voller Selbstvertrauen. Dass du heute so zurückkommst ist großartig, dass wir es geschafft haben vor heimischem Publikum."
"Das 1:2 darf niemals passieren"
... über sein Gefühl: "Großartig. Wenn du das Spiel von außen beobachtest, und du willst natürlich helfen und merkst, das wird ein schwieriger Tag, dann habe ich schon zu Thomas auf der Bank gesagt: 'Wir müssen heute noch ran und irgendwas bewegen'. Dass mir der Ball dann beim Ausgleich so glücklich vor die Füße fällt, ist eine schöne Fügung."
... über das fehlende Tempo: "Ich denke schon, dass es auch etwas mit unserer Positionierung zu tun hatte. In der ersten Halbzeit haben wir es überhaupt nicht geschafft, hinter die Ketten zu kommen. Sie haben natürlich sehr defensiv gespielt. Dafür braucht man die beiden aus der Dreierkette bisschen höher, um die letzte Kette zu überspielen, oder auf den Außen dribbelstarke Spieler. Das haben wir dann in der zweiten Halbzeit auch umgestellt, dass Leroy dann mehr über Außen kommt. Aber wir hatten heute auch gegen viele Widerstände zu kämpfen. Das Wetter, das Gegentor am Anfang, das spielt denen alles in die Karten. Es war großartig, dass wir dagegen ankämpfen konnten."
... über die Defensivschwächen: "Insbesondere das 1:2 darf niemals passieren. Wir schießen gerade das 1:1, haben das Gefühl, das Spiel unter Kontrolle zu haben und dann musst du das einfach souverän runterspielen. Das sind Situationen, wo wir vom Kopf her nicht ganz da sind. Da gab es auch ein paar Standardsituationen, wo wir nicht ganz auf der Höhe sind. Das müssen wir ansprechen."
Joshua Kimmich (Deutschland): "Natürlich hatte ich die Sorgen, dass es nicht klappt, wir lagen zweimal hinten. Da hast du natürlich kurzzeitig Bedenken. Wir sind überhaupt nicht hinter die Kette gekommen, standen bei eigenem Ballbesitz nicht gut, wenn wir den Ball verloren haben. Ein schöneres Spiel, als das gegen England gibt es nicht, geil. Ob das im Achtelfinale sein muss, weiß ich nicht. Wir haben auf jeden Fall noch Luft nach oben und werden das gegen England zeigen."
Péter Gulácsi (Ungarn): "Es ist momentan schwer, Worte zu finden. Wir haben ein gutes Spiel gemacht. Am Ende ist es Pech für uns und Glück für Deutschland. Das ist sehr bitter. Die Gruppe war das Schwerste, was wir bei der EM erwischen konnten. Natürlich ärgert man sich, bis zur 85. Minute bist du in Position, um weiterzukommen. Das haben wir vor dem Turnier nicht gedacht, am Ende entscheiden Kleinigkeiten."
Ballack hinterfragt Löws Taktik
Michael Ballack (Experte bei MagentaTV): "Wir haben es uns selbst schwer gemacht und das Spiel nie so im Griff gehabt, dass wir uns einfach Chancen erspielen konnten. Wir haben wieder leichte Fehler gemacht. Eigentlich sind wir nicht schlauer als vor dem Turnier."
... zum 0:1: "Rüdiger geht einen Tick zu früh raus, entscheidet sich rauszugehen, weicht aber dann zurück und steht im Halbfeld. Kroos weiß nicht genau, ob er hingehen soll. Vor Hummels fehlt dann der halblinke Verteidiger, mit ihm wäre die Abwehr ganz anders gestaffelt. Dann ist es von ihm aber auch ein Stellungsfehler. Hummels unterschätzt die Flanke, könnte vielleicht einen Tick tiefer stehen. Er guckt kurz und verpasst dadurch den Antritt von Szalai. Manchmal reicht diese Sekunde, dass du zu spät kommst, wenn der Stürmer den entscheidenden Vorteil hat."
... über die Aufstellung: "Wir sollten eine Formation finden, in der sich die Spieler wohlfühlen und sich zu Hause fühlen. Wir spielen ein System, das viele Spieler aus ihren Vereinen nicht kennen und sind deswegen noch in der Findungsphase."
... über das Spiel gegen England: "Ich glaube, dass wir gegen England Favorit sind. Sie haben mich noch nicht so überzeugt und sie liegen uns mehr. Nach vorne müssen wir vor ihnen keine Angst haben. Natürlich brauchen wir aber eine Leistungssteigerung."
... über die Taktik: "Was mich überrascht: Die Ungarn haben genau so gespielt, wie es zu erwarten war, aber wir haben trotzdem keine Möglichkeiten gefunden, oder schon im Vorfeld nicht die Antworten darauf, der Trainer nicht die Aufstellung, die richtige Formation, um dieses Spiel zu gewinnen. Im Gegenteil: Wir mussten bis zum Schluss zittern, um überhaupt unentschieden zu spielen. Da sei es erlaubt, erneut auf die Aufstellung und die taktische Formation hinzuweisen. Es hat den Anschein, als empfindet der Bundestrainer es als persönliche Niederlage, auszuwechseln oder umzustellen. Er hält sehr lange an seinen Überlegungen fest, das war ja auch in der Vergangenheit schon mal so. Heute hat es nicht so funktioniert, wie er sich das vorgestellt hat.
über Goretzka: "Der, den wir eigentlich von Anfang an erwartet haben, der diesen Unterschied ausmacht mit seiner Torgefahr, mit seiner Dynamik, mit seiner Präsenz, der hat zum Schluss dafür gesorgt, dass wir weiter sind."
Wagner kritisiert Sané harsch
Sandro Wagner (Experte im ZDF): "Glück gehabt, das trifft es ganz gut. Es war zu wenig heute, das muss man ganz ehrlich sein!"
... zu einem Konter kurz vor Schluss: "Da muss man so ehrlich sein: Das hat Sané scheiße zu Ende gespielt. Musiala hat den Konter gut eingeleitet. Er (Sané) braucht den Ball nur mit dem rechten Fuß, auch wenn es sein schwächerer ist, quer spielen."
Christoph Kramer (Experte im ZDF): "Hätte mir einer gesagt, dass wir gegen Ungarn in der Nachspielzeit bei einer Ecke auf Zeit spielen, um das über die Runden zu bringen..."
Per Mertesacker (Experte im ZDF): "Wir waren teilweise ein bisschen naiv - wenn wir das auch gegen England tun, dann haben wir keine Chance. Am Ende war es wirklich Harakiri!"