Es waren nicht nur leere Worte!
WWE-Putsch führt zu Rücktritten
Der über einen Sex- und Schweigegeld-Skandal als WWE-Boss gestürzte Vince McMahon hat die Berichte über seine Comeback-Absichten bestätigt. Er holt sich einen Teil seiner Macht zurück und stellt einen möglichen Verkauf des Milliarden-Unternehmens in Aussicht - ein offener Putsch mit shakespeareschen Zügen gegen seine Nachfolger und die eigenen Familie hat begonnen. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Der mit teils schweren Vorwürfen sexueller Übergriffe belastete McMahon und zwei alte Vertraute kehrten am Freitag zurück ins Board of Directors, das Führungsgremium des Unternehmens. Im selben Atemzug bekundete McMahon die „Erwartung“ auch wieder zum „Chairman of the Board“ gewählt zu werden und seine Tochter Stephanie in dieser Rolle abzulösen.
McMahon löste damit umgehend ein massives Beben aus: Drei bisherige Mitglieder wurden von McMahon abserviert, zwei weitere traten zurück, allem Anschein nach aus Protest.
Die Aktienkurse von WWE stiegen derweil trotz der chaotischen Vorgänge deutlich - die Andeutungen eines WWE-Verkaufs lassen die Märkte frohlocken. Als mögliche Käufer gelten Comcast, Mutterkonzern des langjährigen WWE-Partners NBC Universal, aber auch andere Medienriesen wie Amazon, Netflix, Disney, Apple, UFC-Mutterkonzern Endeavour oder womöglich auch der Staatskonzern von Saudi-Arabien, mit dem WWE seit einigen Jahren einen umstrittenen Milliarden-Deal hat.
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Vince McMahon bugsiert sich zurück an die Macht
In einer selbst versandten Pressemitteilung bestätigte McMahon am Donnerstag zunächst einen vorausgegangenen Bericht des Wall Street Journal, dass er sich selbst und zwei alte Vertraute in das Board of Directors zurückwählt, das Führungsgremium des Unternehmens, über das er als Hauptanteilseigner weiterhin die Macht ausübt.
Mit dem 77 Jahre alten McMahon kehren die früheren Liga-Co-Präsidenten George Barrios und Michelle Wilson zurück - die McMahon Anfang 2020 selbst gefeuert hatte, angeblich wegen Meinungsverschiedenheiten über die strategische Ausrichtung des Unternehmens im Kontext des Konkurrenzkampfs mit Rivale AEW. Barrios und Wilson waren die Vorgänger des jetzigen Co-CEO Nick Khan.
Im Gegenzug müssen drei bisherige Board-Mitglieder ihren Posten räumen, die der aktuellen Führung dienen - bestehend aus McMahons Tochter Stephanie, Nick Khan und dem als „Chief Content Officer“ fürs operative Produkt zuständigen McMahon-Schwiegersohn „Triple H“ Paul Levesque.
In einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht SEC ist der Schritt inzwischen offiziell gemacht und die drei ausgebooteten Board-Mitglieder benannt worden: Es sind:
- JoEllen Lyons Dillon, eine frühere Pharma-Managerin bei Pfizer und anderen Firmen, erst im September 2022 berufen
- Jeffrey R. Speed, ehemaliger Finanzchef der Freizeitparkkette Six Flags
- Alan M. Wexler, früheres Mitglied der Führungsetage von General Motors
Kurz darauf versandte WWE selbst eine Mitteilung, in der Vinces Comeback in kühlem Ton kommentiert wurde - und gab die Rücktritte zweier weiterer Board-Mitglieder bekannt:
- Man Jit Singh, früher unter anderem Manager bei Sony - und Leiter der internen Ermittlungen im McMcMahon-Skandal
- Ignace Lahoud, Finanzspezialist und früher unter anderem bei Disney aktiv
Vince McMahon machte auch deutlich, dass er „erwartet, die Rolle des exekutiven Chairman of the Board zu übernehmen“ - was eine Teil-Degradierung von Firmenchefin und -erbin Stephanie zur Folge hätte. (Chronologie des WWE-Skandals: So verlor Vince McMahon seine Macht)
Laut Wall Street Journal hatte das Board of Directors eine Rückkehr McMahons noch im Dezember einstimmig abgelehnt, da sie „nicht im Interesse der Aktionäre“ sei.
Auch jetzt wird McMahon nicht mit offenen Armen empfangen. In der WWE-Mitteilung wird Stephanie mit den Worten zitiert: „Wir teilen heute mit, dass WWE-Gründer Vince McMahon ins Board zurückkehrt. Wir heißen auch die Rückkehr von Michelle Wilson und George Barrios willkommen“ - Stephanie meidet also demonstrativ, ihren Vater ebenfalls „willkommen“ zu nennen. Die ebenso auffällig kühle Ergänzung: „Wir sehen nun gemeinsam der Prüfung aller strategischen Alternativen entgegen, den Shareholder-Value zu maximieren.“
McMahon will über möglichen WWE-Verkauf mitbestimmen
Vince McMahons offizielle Begründung für den Comeback-Anlauf: WWE stehe „an einem kritischen Punkt seiner Geschichte“, er müsse eingreifen bei den Verhandlungen der 2024 auslaufenden TV-Verträge, vor allem mit Blick auf den Trend, dass „immer mehr Firmen die intellektuellen Rechte der Inhalte auf ihren Plattformen besitzen wollen“. Im Klartext: Es geht um einen möglichen Verkauf von WWE an ein großes Medienunternehmen - und dass McMahon seine nötige Zustimmung dafür von seiner Rückkehr in eine Machtposition abhängig macht.
McMahon notiert: „Der einzige Weg für WWE, das volle Kapital aus dieser Gelegenheit zu schlagen ist meine Rückkehr als Chairman und meine Unterstützung des Managements für die kommenden Medienrechte-Verhandlungen und die Auslotung strategischer Alternativen.“
McMahon versichert im selben Atemzug, dass er sich damit nicht gegen das aktuelle, „außergewöhnliche Management-Team“ stellen wolle und dieses seine „volle Unterstützung“ habe: „Ich will nicht, dass meine Rückkehr irgendeinen Einfluss auf ihre Rollen, Pflichten und Verantwortlichkeiten hat.“ Wie viel die Versicherung wert ist, muss sich zeigen, gerade auch mit Blick darauf, dass er neue, alte Führungskräfte mit eigenem Gestaltungsanspruch mitbringt.
Der Patriarch war immer für seine Kontrollwut bekannt und bestätigt mit seinem jüngsten Coup auch seinen Ruf, nicht von der Macht lassen zu können - dies hatten in den letzten Jahren seines Regimes auch der zeitweise entmachtete Schwiegersohn Levesque und auch Stephanie zu spüren bekommen, die kurz vor dem Aufkommen des Skandals eine rätselhafte „Auszeit“ bei WWE eingelegt hatte.
McMahon kündigt am Ende auch noch nebulös an, in den kommenden Tagen „bestimmte Ergänzungen an den Unternehmensstatuten“ vorzunehmen, um sichergehen, „dass die Unternehmensverfassung die Aktionärsrechte weiter ordnungsgemäß ermöglicht und unterstützt“.
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Strategischer Coup: Diesmal steigen die Aktien
Anders als bei den ersten Berichten des Wall Street Journal über McMahons geplantes Comeback stiegen die Unternehmens-Aktien diesmal an. In dieser Hinsicht erwies es sich als strategisch geschickt von McMahon, das Thema Verkauf zu thematisieren - der Schritt, von dem auch die Aktionäre am meisten profitieren würden.
Dem Wall Street Journal hatte bereits im Dezember berichtet, dass McMahon seinen Rücktritt im Sommer bereue und zurück an die Macht wolle. Er hätte sich „schlecht beraten“ gefühlt und sei inzwischen sicher, dass sich alles in Wohlgefallen aufgelöst hätte - trotz parallel dazu neu veröffentlichter Vorwürfe und Klagen wegen angeblicher sexueller Übergriffe.
McMahon wurde schon im Dezember aktiv
Nun meldet das Medium, das mit seinen investigativen Reports über den Skandal eine Schlüsselrolle bei dem Sturz des Moguls gespielt hatte: McMahon hätte bereits im Dezember das Board of Directors schriftlich kontaktiert und seine Absichten klargemacht.
Das Board hätte eingewilligt, McMahon bei den TV- und Verkaufs-Verhandlungen einzubeziehen - es blieb ihm auch keine andere Wahl, denn Hauptanteilseigner McMahon verfügt in der Unternehmensstruktur über eine rund 80-prozentige Stimmmacht. Ein Verkauf zählt zu den Entscheidungen, denen er so oder so hätte zustimmen müssen.
Einstimmig abgelehnt hätte das Board dagegen eine aktive Rückkehr McMahons ins operative Geschehen, das für keine gute Idee gehalten werde.
Vor allem hätte das Gremium von McMahon eingefordert, alle durch den Skandal entstandenen Kosten aus eigener Tasche zu begleichen - und von einer Rückkehr abzusehen, so lange die staatlichen Untersuchungen zum Thema noch andauerten. Letzteres hat McMahon abgelehnt und nun stattdessen offen die Machtprobe gesucht.
Wie sich das alles aufs Tagesgeschehen von WWE, die unter Triple H aufgekommene Aufbruchstimmung und die Wrestling-Landschaft auswirkt, ist noch nicht abzusehen.
AEW-Boss Tony Khan hat sich am Freitag schon mit einem indirekten Seitenhieb gegen den Marktführer und Konkurrenten zu Wort gemeldet: „Alle auf der Arbeit waren die letzten 24 Stunden so nett zu mir. Ich frage mich warum ... muss verspätete Festtagslaune sein.“