Wer Becky Lynch reizt, kriegt Saures. SPORT1 hat es vor Ort in Dallas am eigenen Leib verspürt.
Das pikante WWE-Problem mit Rousey
Bei einen Medientermin vor der WWE-Megashow WrestleMania 38 in der texanischen Metropole stellten wir dem Damenchampion der Montagsshow RAW eine Frage, aus der „Big Time Becks“ einen Affront las. Und dann mächtig losschlug. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Immer wieder ließ sie danach Sticheleien los - gekrönt von der Anregung, dass der anwesende SPORT1-Reporter doch am heutigen Samstagabend gegen ihren Mann Seth Rollins in den Ring steigen sollte, als dessen noch unangekündigter Überraschungsgegner.
Was Lynch an der Frage so reizte? Sie beinhaltete den Nebensatz, dass Lynch beim Jahreshöhepunkt der weltgrößten Wrestling-Liga ja schon einmal den Main Event, den Hauptkampf bestritten hat. (HINTERGRUND: Wie ein Horror-Unfall in Dortmund Becky Lynch sechs Jahre ihrer Karriere kostete)
„Hat“. Vergangenheitsform. Eine Unverschämtheit. Becky Lynch IST der Main Event, „egal auf welchem Platz der Card ich stehe“.
Das ist die Botschaft, die Lynch vor ihrem Match gegen Bianca Belair gerade überall verbreitet. Und damit eine durchaus brisante Debatte schürt. Eine Debatte, in der Superstar Ronda Rousey eine Schlüsselrolle spielt - und die ein bisschen mehr ist als nur ein bloßes Showgefecht unter Showkämpferinnen.
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Stone Cold statt Ronda Rousey im Main Event?
Man muss wissen: Die Frage, wer an diesem Samstag tatsächlich den Main Event in der bis zu knapp über 100.000 Zuschauer fassenden NFL-Arena der Dallas Cowboys bestreiten, scheint tatsächlich noch ungeklärt zu sein.
Denn während für Tag 2 das Doppel-Titelmatch zwischen Brock Lesnar und Roman Reigns gesetzt ist, ist um den Hauptkampf an Tag 1 zuletzt totale Verwirrung ausgebrochen.
Eigentlich - so berichtete zuletzt der gewöhnlich gut informierte Wrestling Observer - wäre seit Monaten das Titelmatch zwischen SmackDown-Damenchampion Charlotte Flair und UFC-Hall-of-Famerin Ronda Rousey als Abschlussfight geplant gewesen.
Bei der Montagsshow RAW verkündete nun aber Kevin Owens, dass sein als „Konfrontation“ beworbenes Quasi-Match gegen Ikone Stone Cold Steve Austin die Show beschließen wird. Am Tag darauf jedoch war Rousey zu Gast in der Talkshow von Ellen DeGeneres - und erklärte, dass Flair und sie dies tun würden.
Rousey droht bei WrestleMania ein Tiefschlag
War Rousey nicht im Bilde über die Planänderung? Ist der Plan von einem Tag auf den anderen erneut geändert worden? Gibt es überhaupt einen finalen Plan? Die Stimmungsschwankungen und die Undurchschaubarkeit des noch immer allmächtigen Bosses Vince McMahon sind berüchtigt.
Die Entscheidung, die McMahon am Ende treffen wird, wird auch WWE-intern nicht als Nebensache betrachtet: Der inoffizielle Ehrentitel „WrestleMania-Headliner“ ist heiß begehrt als Zeichen der Wertschätzung und Errungenschaft für die Wrestling-Geschichtsbücher, die das Vermächtnis eines Stars mitdefiniert.
Und diesen scheinbar sicheren Hauptkampf-Platz wieder zu verlieren, wäre definitiv ein Tiefschlag für Rousey - der allerdings nicht ganz aus heiterem Himmel käme.
Reale Wut auf die WWE-Fans
Schon Rouseys erstes WWE-Engagement zwischen 2018 und 2019 endete zwar mit dem historischen ersten Mania-Hauptkampf der Frauen gegen Lynch und Flair, aber auch damit, dass die Fans sich gegen Rousey wandten und stattdessen Lynch die Sympathien zuflogen.
Rousey war erklärtermaßen erbost über den Liebesentzug, sah ihn als fehlenden Respekt vor ihrer Leistung - und war so nachhaltig vergrätzt, dass sie auch bei ihrem Comeback nach der Babypause und dem Royal-Rumble-Sieg Anfang 2022 wütend gegen die Fans stichelte. Obwohl sie eigentlich wieder als „Babyface“, als Liebling definiert war.
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Ein klärendes Gespräch mit McMahon nach dem ersten TV-Auftritt glättete die Wogen. Rousey berichtete, dass der Boss sie überzeugt hätte, die Vergangenheit ruhen zu lassen und „mehr zu lächeln“. Es gehe doch am Ende um die Fans und nicht um ihre persönliche Befindlichkeit. Und überhaupt: Sei doch alles Schnee von gestern.
Ein Handicap, von dem nicht alle wissen
Der Schnee von gestern hat Rousey aber längst wieder eingeholt, beim letzten SmackDown am Vortag von WrestleMania reagierten die Fans in Dallas mit Buhrufen auf ein Hype-Video für Rousey.
Trotz ihrer großen Liebe fürs Wrestling fremdelt diese auf der WWE-Bühne weiter spürbar, sie ist zwar eine Ausnahme-Athletin, die sich das Ringhandwerk schnell angeeignet hat (und dafür unter Kollegen anders als bei vielen Fans höchste Anerkennung genießt).
Aber eine geborene Entertainerin - der andere große Schlüsselfaktor bei WWE - ist Rousey nicht. Was bei Rouseys rhetorischen Schwächen am Mikrofon eine Rolle spielt: Sie ist gehandicappt von der Krankheit Apraxie, die unter anderem Aufmerksamkeitsprobleme und Schwierigkeiten bei der Wortfindung auslöst.
Rousey war jahrelang in Sprachtherapie, viele Fans wissen das nicht und reagieren mit mitleidloser Häme auf die Wortpannen, die ihr öfters unterlaufen.
Der größte Star? Rousey, eindeutig
Trotz ihrer Probleme spielt Rousey bei WWE eine Hauptrolle, aus logischen Gründen: Die 34-Jährige ist speziell in Amerika ein „household name“, bei Instagram folgen ihr fast 15 Millionen, sie ist weit prominenter als alle Wrestling-Kolleginnen. Ihre Präsenz sorgt für Aufmerksamkeitsschübe bei Fans, Medien, auch bei TV- und Sponsorenpartnern.
Rousey vergrößert die Neugier auf das WWE-Produkt, auch in anziehenden Ticketverkäufen für Live-Events mit ihr spiegelt sich das wieder. Ohne sie hätte es wohl auch das große Match von 2019 zu diesem Zeitpunkt noch nicht gegeben.
Ein beträchtlicher Teil des harten Fankerns allerdings betrachtet Rousey als „Eindringling“, der eine eine unzulässige Vorzugsbehandlung bekommt.
In Rouseys Match gegen Flair - eine Fehde, die nicht ganz so heiß gelaufen ist, wie WWE es sich wohl erhofft hätte - sind wieder Buhrufe zu erwarten, ans Showende platziert drohte ein WrestleMania-Ende mit Misstönen. Der Observer rechnet für den Fall gar mit größeren Fanmassen, die vorzeitig die Arena verlassen würden - kein vorteilhaftes Bild für WWE.
Der Auftritt von Ikone und Lokamatador Austin wäre dagegen eine sichere Nummer, „Stone Cold“ ist ein unumstrittener Liebling, der die Fans mit Sicherheit auf den Sitzen halten würde.
Becky Lynch streut Salz in Rouseys Wunden
Konkurrentin Lynch weiß um das Dilemma - und streut Salz in Rouseys Wunden.
„Es fühlt sich wie ein Almosen an, wenn sie die Show beenden, wegen Rondas großem Namen“, sagte sie soeben in einem Interview mit Kampfsport-Journalist Ariel Helwani: „Ich glaube keiner denkt, dass sie die bessere Story haben und es wirklich verdienen.“ Ein Mania-Hauptkampf Rousey - Flair wäre das Duell „zweier Verliererinnen“.
Wie viel davon Spielerei und wie viel ernst gemeint ist: Schwer zu beurteilen bei Lynch, die sich im Lauf der vergangenen Jahre zu einer begnadeten Eigenvermarkterin entwickelt hat. Lynch weiß, dass Provokation Promo-Effekt hat - dass für WrestleMania 39 in Los Angeles ein Duell mit Rousey geplant sein soll, hat sie im Hinterkopf.
Wie sehr wurmt es Lynch wirklich?
Andererseits: Seit ihrem eigenen Comeback aus der Babypause im vergangenen Sommer ist die zum bösen „Heel“ gewandelte Lynch mit sichtbarem Feuereifer dabei, sich als Topstar zu präsentieren, nichts vom Momentum des märchenhaften Aufstiegs 2018/19 verloren hat - im Ring, am Mikrofon, mit ihren teils irrwitzig pompösen Outfits (entworfen von einem befreundeten Designer, der auch Gatte Rollins exzentrisch einkleidet).
Dass ihr Titelmatch gegen die ebenfalls schillernd-charismatische Belair trotzdem nie wirklich als Main Event zur Debatte zu stehen schien, könnte sie da schon auch persönlich wurmen. Nicht zuletzt auch wegen der Konstellation mit Flair, zu der Lynchs einst freundschaftliche Beziehung real zerrüttet ist.
Letztlich sagt Lynch: „Es spielt keine Rolle. Mein Match wird die Show stehlen. Mein Kram wird der eigentliche Main Event sein.“
Wer aber bekommt den nominellen Main Event? Es steckt einiges an realem Zunder in dieser Frage ...