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Biathlon-Legende: "Wenn Preuß wegbrechen würde, ..."

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„Wenn Preuß wegbrechen würde, ...“

Denise Herrmann-Wick spricht im Interview mit SPORT1 über das dramatische Finale im Gesamtweltcup rund um ihre frühere Weggefährtin Franziska Preuß. Die Olympiasiegerin wagt aber auch einen Ausblick nach vorne.
Denise Herrmann-Wick spricht im SPORT1-Interview unter anderem über den Erfolg von Franziska Preuß
Denise Herrmann-Wick spricht im SPORT1-Interview unter anderem über den Erfolg von Franziska Preuß
© IMAGO/Beautiful Sports
ntrettin
Denise Herrmann-Wick spricht im Interview mit SPORT1 über das dramatische Finale im Gesamtweltcup rund um ihre frühere Weggefährtin Franziska Preuß. Die Olympiasiegerin wagt aber auch einen Ausblick nach vorne.

Denise Herrmann-Wick hat als Biathlon-Weggefährtin von Franziska Preuß schöne und traurige Momente mit Deutschlands neuer Gesamtweltcupsiegerin durchlebt. Dementsprechend gespannt fieberte der deutsche Ex-Biathlon-Star beim Saisonfinale in Oslo mit ihrer Landsfrau mit.

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Im exklusiven Interview mit SPORT1 spricht die Olympiasiegerin über das dramatische letzte Rennen und die rührende Geste von Franziska Preuß gegenüber Lou Jeanmonnot. Herrmann-Wick wirft aber auch einen Blick auf die anderen deutschen Damen und gibt eine Warnung ab.

Denise Herrmann-Wick spricht im SPORT1-Interview unter anderem über den Erfolg von Franziska Preuß
Denise Herrmann-Wick spricht im SPORT1-Interview unter anderem über den Erfolg von Franziska Preuß

Herrmann-Wick über den Sturz, der alles entschied

SPORT1: Frau Herrmann-Wick, auf enorm dramatische Weise hat ihre frühere Weggefährtin Franziska Preuß sich tatsächlich den Gesamtweltcup gesichert. Wie haben Sie die denkwürdige Szenerie erlebt?

Denise Herrmann-Wick: Das war Nervenkitzel pur, man konnte kaum hinsehen. Am Anfang des Rennens habe ich sogar noch gesagt: Hoffentlich stürzt keine, hoffentlich gibt es keine blöde Situation, hoffentlich bleibt es ein spannender Kampf bis zum Schluss. Dass die beiden dann tatsächlich gemeinsam auf die letzte Runde gehen und dort um den Gesamtweltcup rennen, ist unglaublich. Eigentlich ist so eine Konstellation im Biathlon sehr unwahrscheinlich.

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SPORT1: Wie bewerten Sie die alles entscheidende Szene, den Sturz von Preuß‘ Rivalin Lou Jeanmonnot?

Herrmann-Wick: So etwas kann immer passieren. Franzi fuhr in der Kurve schon eine enge Linie und gab Lou wenig Platz – in Wettkämpfen ist das allerdings nichts Ungewöhnliches. Es ist einfach unglücklich gelaufen, beide wollten nicht, dass das Duell auf diese Art und Weise entschieden wird. Das sah man allein an den Reaktionen im Ziel. Aber es waren die letzten Meter des Winters. Da ist jeder am Limit und es braucht nicht mehr viel, damit das passiert. Letztlich ist es eine Rennsituation. Beide brauchen sich keinen Vorwurf zu machen. Ich kenne das noch vom Langlauf, gerade im Sprint kam Ähnliches immer wieder vor.

SPORT1: Die mitfühlende Reaktion von Franziska Preuß wird auch lange in Erinnerung bleiben …

Herrmann-Wick: Diese Situation, dieses Gefühlschaos erlebt man wohl nur einmal. Wahrscheinlich hatte Franzi kurz ein schlechtes Gewissen. Sie bekam ja mit, dass Lou gestürzt ist und hatte insofern eine leicht gehemmte Freude. Umso schöner fand ich die Bilder der innigen Umarmungen im Ziel. Es wäre cool gewesen, wenn es in dem Fall zwei Kugeln für den Gesamtweltcup gegeben hätte. So aber war das Glück auf Franzis Seite.

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Biathlon als Vorbild auch für andere Sportarten?

SPORT1: Auch Jeanmonnot zeigte sich trotz all ihrer Enttäuschung extrem fair vom ersten Moment an. Können andere Sportarten da vom Biathlon lernen, wie Sven Hannawald es sich bei SPORT1 in Bezug auf die generell eher raueren Sitten im Skisprung gewünscht hat?

Herrmann-Wick: Die Athletinnen und Athleten im Biathlon schätzen sich definitiv sehr – das spiegelte dieses Duell wunderbar wider. Beide hatten medialen Druck, hohe Erwartungen an sich selbst und wussten: Die eine wird am Ende Erste, die andere Zweite. Und egal, wie es ausgeht, beide haben eine tolle Saison absolviert. Der Respekt ist also immer dagewesen. Ein Vergleich mit dem Skispringen ist im Moment aber etwas schwierig, wenn man bedenkt, dass da Materialbetrug das große Thema ist.

SPORT1: Wann in dieser Saison haben Sie sich gedacht: Franziska Preuß packt das jetzt und holt die Große Kugel?

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Herrmann-Wick: Endgültig weiß man das nie. Da spielen nicht nur die sportlichen Leistungen eine Rolle, sondern auch die Tatsache, ob man gesund bleibt oder nicht. Franzi hätte nicht ein einziges Rennen ausfallen dürfen - das zeigte sich zum Beispiel bei Johannes Thinges Bö, der krankheitsbedingt (Pokljuka) gegen Sturla Holm Laegreid verloren hat. Deshalb gab es für mich diesen einen Moment nicht. Bei Franzi hat mich ihre Konstanz beeindruckt. Sie lief fast immer ganz vorne und überstand auch kleine Rückschläge. Das hat sie in den letzten Jahren am meisten gelernt und macht sie jetzt stark.

SPORT1: Sie kennen selbst das Gefühl des Drucks, die Gejagte zu sein. Wie schafft man es, damit so nervenstark umzugehen wie Preuß es geschafft hat?

Herrmann-Wick: Franzi ist eine der erfahrensten Athletinnen des gesamten Weltcups. Diese mentale Stärke hat sie sich über die Jahre erarbeitet, erarbeiten müssen - mitunter auch auf eine harte Art. Diese Saison hat sie in dieser Hinsicht aber alles nochmal auf ein neues Level gebracht.

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Bittere Olympia-Staffeln haben Preuß stärker gemacht

SPORT1: Bei Olympia 2018 liefen sie mit ihr in der Staffel, die am Ende nur Achte wurde. Da ging einiges schief, aber besonders schlimm lief es damals für Preuß, die danach auch sichtbar mitgenommen wirkte. Wie schafft man es, dass man als Athletin an solchen Momenten nicht zerbricht?

Herrmann-Wick: Die Staffel damals war ein außergewöhnliches Rennen. Jede Biathletin erlebt auch mal schwache Momente und Staffeln, in denen es in die Strafrunde geht. Mir passierte in dieser Staffel das gleiche Missgeschick. Bei ihr fühlte es sich allerdings besonders bitter an, weil es schon bei Olympia 2014 in der Staffel schief gegangen war. Dennoch wächst man in solchen Situationen am meisten, wenn man sich eingesteht, dass Fehler passieren können und man stärker zurückkommen kann. Denn gerade im Biathlon gibt es durch die herausfordernde Kombination aus Schießen und Laufen immer wieder diese verflixten Momente.

SPORT1: Waren Sie mit Preuß schon persönlich in Kontakt seit dem Wochenende?

Herrmann-Wick: Ja, in den letzten Tagen immer wieder kurz. Franzi wirkte sehr entspannt und beginnt erst jetzt, die ganze Geschichte für sich zu realisieren. Mental waren die letzten drei Wochen eine große Herausforderung. Was in den Medien alles auf sie eingeprasselt ist, war extrem. Da hilft nur eines: ihre Erwartung, um die Dinge für sich relativieren zu können. Und selbst dann gehen die Tage nicht spurlos an einem vorbei.

Preuß ist „mit viel Talent gesegnet“

SPORT1: Gibt es irgendeinen besonderen Moment mit Franzi Preuß als Teamkollegin, an den sie sich besonders gerne zurückerinnern?

Herrmann-Wick: Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, war das Jahr 2014, als ich noch im Langlauf aktiv war. Da kam Franzi als junges Mädchen und Neunte im Gesamtweltcup zu den Olympischen Spielen. Wir haben damals in der Hütte nebenan gewohnt, deshalb bin ich nach der bitteren Staffel zu ihr rübergegangen und habe ihr gesagt, wie krass das ist, was sie hier in ihrem Alter bereits leistet. Sie ist eine sehr ehrgeizige Athletin und war schon früh mit viel Talent gesegnet. Franzi schießt gut, sie läuft gut - im Komplex zeichnete sich da schon eine große Karriere ab. Wichtig war fast nur, dass sie die Rückschläge mental wegsteckt.

SPORT1: Glauben Sie, dass sie die Erfolge für die Olympia-Saison zusätzlich beflügeln wird oder besteht die Gefahr, dass man nach so einem riesigen Erfolg erstmal ein wenig satt ist?

Herrmann-Wick: Dass Franzi sieht, was sie über eine ganze Saison leisten kann und dass sie bei den Großereignissen auf den Punkt fit ist, wird sie beflügeln. Ich glaube aber nicht, dass sie sich jetzt schon genaue Ziele für den kommenden Winter setzt. Es geht eher darum zu wissen, was möglich ist, wenn alle Räder ineinandergreifen. Über das, was bei Olympia mal passiert ist, darf sie gar nicht mehr nachdenken. Es ist ein neues Event und sie hat jetzt ihren Weg gefunden, wie es funktioniert. Es gibt also keinen Grund mehr für sie, wieso sie sich da Sorgen machen müsste.

Die Leistung von Grotian und Co.

SPORT1: Der Triumph von Preuß überstrahlt natürlich alles. Aber auch die jüngeren deutschen Biathletinnen hatten durchaus einen ordentlichen Winter. Wie bewerten Sie die Saison von Grotian und Co.?

Herrmann-Wick: Selina konnte als Neunte im Gesamtweltcup immer wieder zeigen, wozu sie in der Lage ist. Sie ist jetzt erst 21 Jahre alt geworden und hat fast jedes Rennen absolviert. Es ist schon krass, in einem so jungen Alter eine Weltcup-Saison komplett durchzulaufen. Aber andererseits fand ich es schon ernüchternd, dass beim abschließenden Massenstart in Oslo nur zwei deutsche Frauen am Start standen.

SPORT1: Nur Franziska Preuß und Selina Grotian schafften es unter die besten 30 im Gesamtweltcup – und Vanessa Voigt, die ihre Saison aufgrund ihrer Probleme aber vorzeitig abgebrochen hat.

Herrmann-Wick: Es schimpfen immer alle über die Männer. Aber hier muss man zur Ehrenrettung mal festhalten: Da waren vier im Massenstart dabei (Philipp Nawrath, Justus Strelow, Danilo Riethmüller, Roman Rees. Anm. d. Red.) und mit Philipp Horn, der das Rennen ausließ, hatte sich sogar noch ein Fünfter qualifiziert. Bei den Frauen waren es nur zwei. Hinter Franzi und Selina gibt es sicher viele talentierte junge Mädchen, die über eine ganze Menge Potenzial verfügen. Sie müssen ihren Weg aber erst noch gehen. Wenn Franzi jetzt wegbrechen würde, sähe es im Weltcup nicht wirklich gut aus.