In der über 100-jährigen Geschichte der NFL gibt es kaum einen Trainer, der so erfolgreich war wie Bill Belichick. Sechs Titel, 300 Siege und 31 Erfolge in den Playoffs stehen zu Buche. Werte, die sonst kaum jemand erreicht hat.
Endet in Frankfurt eine Ära?
Der Head Coach prägte mit den New England Patriots fast 20 Jahre die Liga - eine unglaubliche Leistung angesichts dessen, dass mit der Gehaltsobergrenze und dem Draft-System eine so erdrückende Dominanz eines Teams eigentlich verhindert werden soll.
Doch der Zauber vergangener Tage ist dem 71-Jährigen abhanden gekommen. Seit dem Abgang von Tom Brady 2020 hechelt er mit seinem Team der Konkurrenz hinterher und stand in den drei Spielzeiten ohne den legendären Quarterback nur einmal in den Playoffs.
Belichick droht wegen Negativserie die Entlassung
In dieser Saison sollte es eigentlich besser werden. Nach dem gescheiterten Experiment mit Defensiv-Experte Matt Patricia als Offensive Coordinator wurde mit Bill O‘Brien ein Belichick-Lehrling zurückgeholt, um die Offense zu führen.
Er sollte Quarterback Mac Jones, der als Rookie 2021 zu überzeugen wusste, wieder in Top-Form bringen. Sonderlich erfolgreich verlief es bisher allerdings nicht. Erst zwei Siege stehen für die Patriots zu Buche, obwohl die Defensive wieder zu den besten der Liga zählt.
Dementsprechend häuft sich die Kritik an Belichick, der als General Manager auch für die Zusammenstellung des Kaders zuständig ist. Über eine mögliche Ablösung wird bereits seit einigen Wochen in den US-Medien spekuliert.
Einem Bericht des gut informierten Boston Globe zufolge könnte seine Amtszeit jetzt sogar sehr schnell zu Ende gehen. Sollte er am Sonntag - ausgerechnet in Deutschland beim zweiten Frankfurt Game gegen die Indianapolis Colts - nicht gewinnen, soll er wohl seinen Hut nehmen müssen.
Demnach sei das Duell auf deutschem Boden für die Franchise „der Super Bowl für die Kraft-Familie (Besitzer der New England Patriots, Anm. d. Red.)“. Verlieren ist daher verboten.
Kraft-Familie enttäuscht von Patriots
Große Gedanken an ein mögliches Ende seiner Ära bei den Patriots verschwendet Belichick allerdings nicht. „Ich kontrolliere das, was ich kontrollieren kann, und bereite mich auf die Colts vor“, sagte er Anfang der Woche auf einer Pressekonferenz.
Es war die gewohnt nüchterne Antwort des Defensiv-Genies, das bei den Fans nicht zuletzt wegen dieser oft trockenen, einsilbigen Kommentare Kult-Status genießt.
Das alleine wird aber nicht reichen, um seinen Job zu retten. Schon vor der Saison machte Owner Robert Kraft deutlich, dass es „sehr wichtig“ ist, dass das Team wieder die Playoffs erreicht. Von dieser Zielvorgabe ist das Belichick-Team aber weit entfernt, denn es belegt den letzten Platz in der AFC East.
Nach der 17:20-Niederlage gegen die Washington Commanders soll Patriots-Teampräsident Jonathan Kraft zu seinem Vater Robert in der Loge gesagt haben: „Wir sind nicht gut genug.“ Ein entsprechendes Video dieser Konversation geht seitdem viral.
Den wachsenden Druck sieht auch Markus Kuhn. „Unsere Liga ist hart. Belichick bekommt keinen Freifahrtschein, nur weil er 20 Jahre der erfolgreichste Trainer der NFL war. Da muss jeder morgens in den Spiegel gucken und sich was überlegen“, sagt der deutsche Ex-Profi, der einst für den Patriots-Trainer gespielt hat, der Bild.
Geht Belichick nach Washington?
Kampflos will Belichick, der 2000 von den New York Jets zu Patriots kam, seinen Platz aber nicht räumen. So berichtet der Boston Globe, dass die Nachricht von seiner Vertragsverlängerung vor wenigen Wochen bewusst von dem Coach geleakt worden sei. Wie lange der Kontrakt jedoch läuft, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der NFL.
Doch diese Tatsache muss nicht zwangsläufig ein Hinderungsgrund sein. Schließlich soll mit den Commanders bereits ein potentieller Abnehmer bereit stehen. „Es gibt ein wenig Gerede über einen möglichen Trade mit Bill Belichick“, sagte ProFootballNetwork-Gründer Mike Florio in der Rich Eisen Show.
Patriots haben Nachfolger bereits im Visier
Derweil sollen sich die Patriots bereits mit einem möglichen Nachfolger beschäftigen. Bei einer Entlassung in der Saison soll Defensive Coordinator Jerod Mayo übereinstimmenden Medienberichten interimsmäßig übernehmen.
Der einstige Linebacker der Patriots ist zwar erst seit 2019 Trainer, hat sich seitdem aber in kurzer Zeit einen sehr guten Ruf erworben. Die Carolina Panthers wollten ihn bereits zu Jahresbeginn zu einem Interview für den vakanten HC-Posten einladen, der einstige Erstrundenpick lehnte aber ab.
Trotz der hohen Anerkennung sehen ihn die Verantwortlichen aber (noch) nicht als langfristige Lösung. Viel mehr soll nach der Saison Mike Vrabel kommen, der wie Mayo auf der Linebacker-Position für die Patriots gespielt hat.
Vrabel ist seit 2018 Head Coach bei den Tennessee Titans und wurde 2021 zum Trainer des Jahres gekürt. Das Problem: Der 48-Jährige verlängerte im Vorjahr seinen Vertrag, sodass die Patriots für ihn traden müssten.
Um diese Gerüchte beiseite zu wischen, braucht Belichick dringend Erfolge. Sonst könnte sein Trip nach Frankfurt der letzte in Patriots-Uniform gewesen sein.