Andreas Schicker wurde zuletzt als Österreichs Sportmanager des Jahres ausgezeichnet. Der 37-Jährige hat als Sportdirektor des österreichischen Erstligisten Sturm Graz knapp 40 Millionen Euro an Transfereinnahmen in drei Jahren generiert. Einen echten Coup landete Schicker 2022. Da entdeckte er das dänische Sturmtalent Rasmus Hojlund.
„Hojlund ist der dänische Haaland“
Lange blieb dieser nicht in Graz. Nach nur einem halben Jahr wechselte Hojlund für eine Ablösesumme von 17 Millionen zu Atalanta Bergamo. In diesem Sommer verpflichtete ihn dann Manchester United für rund 85 Millionen Euro. Und Schicker durfte sich über einen Bonus freuen. Hojlund wird inzwischen schon mit Erling Haaland verglichen.
Im exklusiven SPORT1-Interview spricht Schicker über seine Arbeit, Hojlund, Haaland - und Bayerns neuen Star-Stürmer Harry Kane.
SPORT1: Herr Schicker, Sie werden in Österreich als „Moneymaker“ bezeichnet, nachdem sie knapp 40 Millionen Euro an Transfereinnahmen in drei Jahren generiert haben. Wie stolz macht Sie das?
Andreas Schicker: Das macht mich schon stolz, zumal Transfererlöse ein wichtiger Baustein für Vereinsentwicklungen sind. Wir haben vor drei Jahren im Verein sehr viel umgestellt und eine klare Idee entwickelt, was unsere Spielweise und die Philosophie mit jungen Spielern angeht. Wir haben es damit geschafft, den Verein auf ein höheres Level zu bringen.
„Nach den ersten Trainingseinheiten wusste ich, dass er nicht lange bei uns sein wird“
SPORT1: Sie sprechen von einer Idee. Wie sieht die konkret aus?
Schicker: Für ein erfolgreiches Scouting ist es entscheidend, dass man genau weiß, wie man als Verein Fußball spielen will. Hier verfolgen wir eine klare Richtung und haben 2020 mit Christian Ilzer auch einen hervorragenden Trainer dafür gefunden. Er lässt einen sehr aktiven und physisch anspruchsvollen Fußball spielen. Wir wissen genau, welche Spielertypen wir dafür brauchen. Wir versuchen, attraktive Talente nach Österreich zu lotsen, und diese gezielt zu entwickeln. Das gelingt uns immer öfter, nachdem wir schon bewiesen haben und es sich rumspricht in der Branche, dass dieser Weg für beide Seiten funktioniert. Das sieht man an Spielern wie Kelvin Yeboah, Emanuel Emegha oder Rasmus Hojlund, die wir gewinnbringend verkaufen konnten. Den sportlichen Erfolg haben wir jedoch nicht missachtet. Auf diesen zwei Säulen - Transfererlöse und sportlicher Erfolg - fußt unser Weg mit Sturm Graz.
SPORT1: Lassen Sie uns über Rasmus Hojlund sprechen. Sie haben ihn entdeckt, er ist in diesem Sommer für rund 85 Millionen Euro von Atalanta Bergamo zu Manchester United gewechselt. Was macht diesen Jungen aus?
Schicker: Wir hatten Rasmus Hojlund schon lange beobachtet und für Grazer Verhältnisse richtig viel Geld in die Hand genommen (zwei Millionen Euro, Anm. d. Red.). Der Chef-Scout, der Trainer und ich waren nach dem Videocall mit dem Spieler und den Recherchen über Rasmus absolut überzeugt. Wir haben dann alles versucht, um diesen Transfer umzusetzen, und letztendlich ist es uns zum Glück auch gelungen. Als ich Rasmus das erste Mal in Graz gesehen habe, ist mir aufgefallen, dass er als 18-Jähriger schon wie ein 25-Jähriger auftrat. Er hatte ein gesundes Selbstbewusstsein, war aber nicht arrogant, sondern nur absolut von seinem Können überzeugt. Das war schon beeindruckend. Nach den ersten Trainingseinheiten und Spielen wusste ich bereits, dass er nicht so lange bei uns sein wird (grinst). Die Ablöse nach nur acht Monaten war dann um Vielfaches höher (17 Millionen Euro, Anm. d. Red.) und wir bekamen jetzt nochmal einen Bonus von etwa drei Millionen Euro.
„Hojlund ist der dänische Haaland“
SPORT1: Hojlund wird schon als der dänische Haaland bezeichnet. Zu recht?
Schicker: Ja, die Fähigkeiten hat er. In seinem ersten Interview für eine österreichische Zeitung hat Rasmus damals erzählt, dass Haaland sein Vorbild ist. Das war natürlich die Story bei uns. Wir sind erstmal zusammengezuckt, weil solch ein Vergleich hätte belastend werden können, wenn es dann nicht so gelaufen wäre. Ich war in engem Austausch mit seinem Vater, habe zu ihm damals gesagt, dass wir etwas aufpassen müssen. Der Vergleich mit Haaland war gefährlich. Aber alle im Verein waren überzeugt von Rasmus. Hojlund ähnelt Haaland schon sehr, gerade was die Schnelligkeit und die Robustheit angeht. Haaland ist natürlich etwas älter und bringt schon mehr Erfahrung mit, aber ich traue Rasmus sehr viel zu und bin überzeugt, dass er sich bei ManUnited durchsetzen wird. Wir wollten damals nach dem ersten Interview etwas Druck rausnehmen, aber Hojlund ist schon der dänische Haaland. Der Vergleich hat ihm nie geschadet.
SPORT1: Hojlund ist nun der teuerste Spieler, der je in Österreich gespielt hat, und mit 85 Millionen Euro wurde Hojlund zu einem der teuersten Stürmer in der Fußballgeschichte überhaupt. Ist das nicht Wahnsinn? Der Junge ist erst 20.
Schicker: Der ehemalige Salzburger Dominik Szoboszlai war zunächst der Top-Transfer aus österreichischer Sicht (für 70 Millionen von RB Leipzig zum FC Liverpool, Anm. d. Red.), doch der Wechsel von Hojlund zu Manchester United war noch mal eine Nummer größer Das ist schon Wahnsinn. Dass Rasmus bei uns gespielt hat, ist eine absolute Auszeichnung für Sturm Graz.
SPORT1: Wie lief der Transfer zu Atalanta Bergamo vor einem Jahr?
Schicker: Zum Anfang des Sommers hatte ich noch gesagt, er sei unverkäuflich, doch dann gingen die Angebote immer mehr nach oben. Irgendwann mussten wir das machen. Wir haben beim Thema Grundgehalt sowieso unsere Grenzen, gehen dann lieber mal bei der Ablöse auch den Weg, dass wir talentierte Spieler für niedrige Millionen-Beträge holen. Wenn ein Spieler woanders das 20-fache verdienen kann, dann respektieren wir das. Bei Rasmus hatte ich aber ohnehin immer das Gefühl, dass der nächste sportliche Schritt im Vordergrund steht. Jetzt ist es der größte Transfer eines Spielers, der in Österreich gespielt hat, das ist schon cool! Vor allem, weil Red Bull Salzburg seit zehn Jahren vorneweg marschiert, auch, was Transfers angeht.
SPORT1: Haben die Topvereine in der Bundesliga geschlafen, als Hojlund von Graz nach Bergamo wechselte oder jetzt von dort zu ManUnited?
Schicker: Es gab einen Klub aus der Bundesliga, der konkretes Interesse hatte, aber dann war der Wechsel zu Bergamo quasi schon durch. Rasmus hat in dieser Phase richtig stark performt, er machte gegen Salzburg einen Doppelpack und ab dann ging es steil nach oben. Sein Vater sagte mir einmal: „Manchester United ist sein Traum“. So ist der Junge gestrickt, er setzt sich etwas in den Kopf und das erreicht er dann auch.
„Rasmus hat bis zum letzten Tag alles für Sturm Graz gegeben“
SPORT1: Ist Vater Hojlund auch der Berater seines Sohnes?
Schicker: Direkt nicht. Aber er ist schon sehr stark in allem involviert, was Rasmus betrifft. Das ist eine Parallele zu Haaland. Die familiäre Atmosphäre hier im Klub hat Rasmus und seinem Vater sehr gefallen. Der Papa war damals in der heißen Phase sehr oft in Graz.
SPORT1: Was ist konkret die größte sportliche Parallele zwischen Hojlund und Haaland?
Schicker: Die Wucht, die beide mitbringen. Sie haben ein unglaubliches Durchsetzungsvermögen. Beide würden eine Mauer vor ihnen niederlaufen.
SPORT1: Wie haben Sie Hojlund in der Endphase erlebt, als sein Wechsel nach Bergamo bevorstand?
Schicker: Absolut professionell. Er kam in den zwei Wochen, als der Wechsel nach Bergamo in der entscheidenden Phase war, nicht einmal zu mir ins Büro, um mich zu beten, den Transfer doch bitte zuzustimmen. Am Ende haben wir gemeinsam die Entscheidung getroffen. Rasmus hat bis zum letzten Tag alles für Sturm Graz gegeben - sowas wünscht man sich von einem Spieler, der zu einem größeren Klub wechselt. Er ist sogar nochmal acht Stunden mit dem Auto von Bergamo nach Graz gefahren, um sich von der Mannschaft zu verabschieden. Das war großartig von ihm. Er blieb uns allen sehr gut in Erinnerung, viele Fans tragen noch das Trikot mit seinem Namen.
Kane ist „der Spieler, der alles erfüllt, was die Bayern wollen“
SPORT1: Wir haben über den Transfer-Wahnsinn gesprochen. Harry Kane wechselte von Tottenham Hotspur zum FC Bayern und ist mit über 100 Millionen Euro Ablöse der teuerste Spieler in der Bundesliga-Geschichte. Was sagen Sie dazu?
Schicker: Er ist genau der Spieler, der alles erfüllt, was die Bayern wollen. Deshalb auch dieses finanzielle Mega-Paket. Es ist natürlich auch ein Statement an die Bundesliga, solch einen XXL-Transfer dann auch zu tätigen. Es wird immer schwieriger, mit englischen Klubs mitzuhalten, und es ist eine Auszeichnung, so einen Spieler wie Kane zu bekommen. Kane ist eine Tormaschine und bringt als Neuner sehr viel mit. Kane kann definitiv den Unterschied ausmachen. Das kostet Geld, aber kann auch sehr viel generieren.
SPORT1: Sie wurden zuletzt als Österreichs Sportmanager des Jahres ausgezeichnet, generieren Rekorderlöse: Wann sehen wir Sie in der deutschen Bundesliga?
Schicker: (lacht) Ich denke, der Weg bei Sturm Graz ist noch nicht zu Ende ist und der Pfeil der Entwicklung zeigt weiter nach oben. Und ich bin Steirer und fühle mich in Graz bekanntermaßen sehr wohl. Aber dennoch ist es auf Sicht mein Ziel, bei einem Verein in der deutschen Bundesliga zu arbeiten. Ich will das Beste aus meiner Karriere als Manager herausholen, und ich denke auch, man würde es mir nicht übel nehmen, wenn ich Sturm irgendwann verlasse.