Ben Manga hat sich nach sechseinhalb Jahren bei Eintracht Frankfurt im vergangenen Dezember dem FC Watford angeschlossen.
Kolo Muani: Das rät sein Entdecker
Nach sechs Monaten Eingewöhnungszeit will der Technische Direktor jetzt seine Akzente setzen.
Bei der Eintracht war Manga als „Perlentaucher“ bekannt geworden. Der Entdecker von Randal Kolo Muani ordnet die Gerüchte um den Top-Star der Hessen ein.
SPORT1: Herr Manga, wie fällt Ihr Fazit aus nach dem ersten halben Jahr beim FC Watford?
Ben Manga: Wir haben uns natürlich alle mehr erhofft. Meinem Team und mir sind zu viele Fehler unterlaufen. Wir müssen daher akzeptieren, dass wir am Saisonende nur auf Platz elf stehen. Die Fehler suchen wir nicht bei anderen, sondern nur bei uns selbst. Uns ist es nicht gelungen, die Leistung zu bringen und mindestens Sechster (berechtigt für die Aufstiegsplayoffs, Anm. d. Red.) zu werden. Ich schließe mich komplett mit ein. Wir werden versuchen, aus diesen Fehlern zu lernen.
SPORT1: Welche Fehler kreiden Sie sich vor allem an?
Manga: Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit die Liga vielleicht etwas unterschätzt. Jedes Land spielt einen anderen Fußball. Ich war der Meinung, dass uns die Neuzugänge im Winter auf Anhieb weiterhelfen könnten. Doch der Sprung in die Championship ist sehr groß. Als ich noch bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag stand, habe ich die Liga kaum verfolgt. Deshalb war das Neuland. Jetzt habe ich die Liga kennengelernt und weiß, welche Spielertypen gefragt sind. Das wollen mein Team und ich zukünftig besser machen.
Perlentaucher Ben Manga erklärt seine Taktik
SPORT1: Was unterscheidet die Championship von der Bundesliga?
Manga: Spielart und Niveau der Championship sind etwas ganz anderes. In dieser Liga werden viele intensive Zweikämpfe geführt, die teilweise auch übers Ziel hinausgehen. Die Schiedsrichter pfeifen allerdings sehr wenig. Wenn du einen technisch starken Spieler holst, der in anderen europäischen Ligen solche Fouls gepfiffen bekommt, dann muss er sich zunächst an die Art gewöhnen und benötigt Zeit für diese Umstellung. Wenn ein Spieler im Winter geholt wird, hast du diese Zeit aber nicht. Deshalb müssen wir noch genauer darauf achten, welchen Spielertypen wir im Sommer holen.
SPORT1: Müssen Sie Ihr Scouting, das Ihnen in Frankfurt den Spitznamen „Perlentaucher“ eingebracht hat, ändern?
Manga: Ja, ich muss Anpassungen vornehmen, weil in der Championship ein anderer Fußball gespielt wird. In der Premier League könnten wir wieder auf Spieler und Spielertypen gehen, die mein Team und ich nach Frankfurt geholt haben. In der Championship weht allerdings ein anderer Wind. Daran mussten sich nicht nur die Spieler, sondern auch wir uns gewöhnen.
SPORT1: Können Sie in England denn klassisch nach Perlen à la Tuta, Evan N‘Dicka oder Daichi Kamada tauchen?
Manga: Das ist nicht so einfach möglich. In England gibt es die Regel, dass ein Spieler Minimum 15 Punkte haben muss, damit er eine Spiel- und Arbeitsgenehmigung erhält. Wenn ein Profi in den europäischen Top-Fünf-Ligen spielt, dann hat er die Voraussetzung erfüllt, wenn er Erstligist ist. Ein Zweitligaspieler hingegen müsste Nationalspieler sein und regelmäßig für sein Land auflaufen.
SPORT1: Haben Sie ein Beispiel?
Manga: Nehmen wir folgenden Fall: Darmstadt 98 hätte als Zweitligist einen norwegischen Nationalspieler und Watford will ihn verpflichten. Dieser Profi würde die Punkte nicht über die Liga bekommen, sondern über seine Nationalmannschaft. Norwegen ist im Ranking höher angesiedelt als ein Spieler aus Aserbaidschan. Mit Erling Haaland oder Martin Ödegaard spielen zwei absolute Topstars Norwegens in der Premier League. Deshalb hat dieses Land einen gewissen Status bei der Bewertung.
Ex-Bayern-Star Ismael übernimmt beim FC Watford
SPORT1: Der Umbruch auf dem Feld steht noch bevor, an der Seitenauslinie herrscht hingegen schon Klarheit. Für die neue Saison haben Sie mit Valerien Ismael einen in Deutschland bekannten Trainer verpflichtet. Was sprach für ihn?
Manga: Mit Sportdirektor Cristiano Giaretta und Eigentümer Gino Pozzo haben wir ein Profil erstellt und viele Gespräche geführt. Am Ende haben wir uns für Valerien Ismael entschieden, weil wir überzeugt davon sind, dass er unserem Projekt mit seiner Art, seinem Arbeiten und seiner Aura guttun wird. Wir werden alles dafür tun, ihn zu unterstützten und zu stärken, sodass wir am Ende das Ziel, dass wir uns alle gesteckt haben, erreichen können. Wir wollen aufsteigen.
SPORT1: Valerien Ismael war im Schnitt allerdings nur knapp sechs Monate bei einem Klub. Was entgegnen Sie den Kritikern, die ihm kein langfristiges Engagement in Watford zutrauen?
Manga: Wir lassen uns von Dingen, die von Außenstehenden hereingetragen werden, nicht beeinflussen. Wir ziehen das durch, weil wir als Verein von Valerien Ismael überzeugt sind. Jeder Klub hat eigene Ideen und Visionen. Basierend darauf wird ein Trainer ausgesucht. Ismael hat in den Gesprächen den besten Eindruck hinterlassen. Wir haben uns deshalb für ihn entschieden und nicht auf die Medien gehört. Wir glauben an ihn und werden versuchen, unser großes Ziel, den Aufstieg in die Premier League, gemeinsam zu erreichen.
SPORT1: Das Aufstiegsrennen müssen Sie dabei ohne Joao Pedro angehen, er wechselt für über 35 Millionen zu Brighton Hove & Albion. Wie kam es zu diesem großen Transfer?
Manga: Joao Pedro war meiner Meinung nach der beste Spieler der Championship. Er hatte das meiste Potenzial der Liga. Größere Klubs der Premier League hatten Interesse signalisiert, doch sie kamen etwas zu spät. Pedro geht nun zu einem Verein, der seit Jahren sehr gute Arbeit macht. Für ihn ist dieser Schritt in unseren Augen perfekt.
SPORT1: Andere Vereine haben natürlich mitbekommen, dass Watford viel Geld für Pedro kassiert hat. Erschwert das die Arbeit auf dem Transfermarkt?
Manga: Wir werden weiterhin versuchen, uns in unserem Rahmen zu bewegen. Aber natürlich gibt es Angebot und Nachfrage. Wenn ein Spieler zu uns möchte, aber der abgebende Verein vier oder fünf Angebote erhalten hat, dann kann er mehr Ablöse verlangen. Uns allen ist daher bewusst, dass wir punktuell für einen Top-Spieler, von dem wir überzeugt sind, ein bis zwei Millionen Euro mehr bezahlen müssen, als wir zuvor geplant haben. Aber wir achten auf unser Budget und wollen nicht mehr ausgeben als wir zur Verfügung stehen haben.
Manga über Kolo Muani: „Schon zu Bobic-Zeiten ein Thema bei Frankfurt“
SPORT1: Dieses Denken kennen Sie sehr gut aus Ihrer Zeit bei Eintracht Frankfurt. Dort startet Randal Kolo Muani durch. Wie haben Sie ihn entdeckt?
Manga: Randal Kolo Muani ist ein Spieler, auf den mich meine Scoutingabteilung früh aufmerksam gemacht hat. Mein Scout aus Frankreich hat ihn gesehen. Ich bin am Ende zwar derjenige, der zum Spieler fliegt und den Kontakt zur Familie herstellt. So ein Transfer ist deshalb Teamarbeit zwischen der Scoutingabteilung und dem Chef.
Wenn Markus Krösche den Spieler nicht hätte haben wollen, dann hätte er sich anders entscheiden können. Ich habe schon viele Spieler empfohlen, die nicht geholt wurden. Natürlich freuen wir uns alle, dass Kolo Muani so durchgestartet ist. Ich war von dem Jungen von Beginn an sofort überzeugt. Er war schon zur Zeit von Fredi Bobic ein Thema bei uns. Damals hatte aber noch das Geld für einen solchen Transfer gefehlt.
SPORT1: Am Ende steht vielleicht einer der größten Transfers der Eintracht- und Bundesliga-Historie...
Manga: Bei der Eintracht vergessen deshalb auch viele Rafael Borré. Er kam ablösefrei und hat einen großen Teil zum Sieg in der Europa League beigetragen. Borré ist kein schlechterer Spieler geworden, aber er hat das Pech, dass Kolo Muani kam und alles kurz und klein geschossen hat. Der Transfer war aber Teamwork. Wir haben ihn auch zu dem Zeitpunkt beobachtet, als er in die 3. Liga verliehen war.
Nachdem ich in Frankfurt zum Direktor Profifußball aufgestiegen bin, konnte ich die Bemühungen intensivieren. Mit Markus Krösche bin ich anschließend nach Paris geflogen. Dort haben wir die Weichen für diesen Transfer gestellt. Alle freue sich über diesen Transfer: Die Eintracht, weil er so durchgestartet ist. Aber auch unser Scout aus Frankreich, weil er ein gutes Auge bewiesen hat. Das war keine Ben-Manga-Show, sondern ein Zusammenspiel.
Kolo Muani: Das rät Entdecker Manga
SPORT1: Kolo Muani wird inzwischen mit europäischen Topteams wie Paris Saint-Germain, Bayern München oder Manchester United in Verbindung gebracht. Käme dieser Schritt zu früh?
Manga: Das Problem im Fußball ist, dass ein Spieler immer das Hier und Heute sehen muss. Wenn PSG, Manchester United oder der FC Bayern anklopfen, dann müssen sich alle Beteiligten damit beschäftigen und wenn jeder in diesen Verhandlungen Involvierte entscheidet, dass das der nächste Schritt wäre, wird es sicherlich zu einem Transfer kommen. Aus sportlicher Perspektive würde ich sagen, dass es Sinn ergibt noch zu bleiben und zu reifen, da der Verein Eintracht Frankfurt auch das Ziel hat, den nächsten Schritt zu gehen.
Allerdings befinden wir uns im Fußball auch in der Businesswelt, lukrative Angebote muss man sicherlich überdenken. Der Fußball ist schnelllebig geworden, solche Möglichkeiten kommen nicht alle Tage. Ein Fan hat da natürlich eine andere Sicht, er ist mit Herzblut und Emotionen dabei. Aber als Fußballer hast du nicht so viel Zeit in deiner Karriere. Der Vertrag, den er bei einem Wechsel unterschreiben kann, ist der seines Lebens. Kolo Muani wird deshalb im Sommer sehr genau überlegen, weil er den Markt und die Angebote hat.