Der Fall „Jannik Sinner“ geht vor den Sportgerichtshof CAS. Die WADA fordert eine lange Sperre für den Weltranglistenersten aus Italien. Es steht viel auf dem Spiel.
Dopingfall Sinner: Alcaraz reagiert
Die Tenniswelt drehte sich am Wochenende weiter, als wäre nichts geschehen. Die ATP-Tour postete Highlights ihrer Stars; die feierten einen sündhaft teuer produzierten Werbeclip für ein absurd hochdotiertes Showspektakel in Saudi-Arabien. Jeweils in einer Hauptrolle: der Weltranglistenerste Jannik Sinner. Dabei geht die Dopingaffäre des Italieners in die nächste Runde.
WADA fordert Sperre für Sinner
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) zieht gegen den Freispruch für den zweimal positiv getesteten Südtiroler vor den Sportgerichtshof CAS. Die Begründung: Unter den geltenden Anti-Doping-Regeln sei Sinner durchaus schuldig und habe zumindest fahrlässig gehandelt, als das verbotene Steroid Clostebol in seinen Körper gelangt war. Die Konsequenz: „Eine Sperre zwischen einem und zwei Jahren“.
Das wäre nicht weniger als ein Erdbeben in der abgeschotteten Szene der hochbezahlten Weltstars; eine empfindliche Strafe für die Nummer eins, für einen 23-Jährigen, der auserkoren war, eine Ära zu prägen, der dem Tennis auch über die goldenen Federer-Nadal-Djokovic-Tage hinaus ungebremstes Wachstum bescheren sollte. Der aber nach seiner Rückkehr mit dem Stempel „Dopingsünder“ leben müsste.
Es steht also viel auf dem Spiel, wenn der CAS die Entscheidung der International Tennis Integrity Agency (ITIA) begutachtet. Die hatte den Fall an ein unabhängiges Gericht weitergereicht, das zwar die positiven Proben vom Turnier in Indian Wells im März mit dem Abzug von Preisgeld und Punkten bestrafte, aber bei Sinner „keine Schuld oder Fahrlässigkeit“ erkennen wollte. Aussetzen musste er daher nie.
Sinner „enttäuscht und überrascht“
Auch in diesen Tagen, während sein Fall wieder Wellen schlägt, steht Sinner auf dem Platz, am Samstag spielte er in Peking gegen den Russen Roman Safiullin, als die WADA den Einspruch veröffentlichte, den sie bereits am Donnerstag beim CAS eingereicht hatte. Nach seinem Sieg gab er sich „enttäuscht und überrascht“. Drei bisherige Anhörungen seien schließlich „sehr positiv“ für ihn gelaufen.
Später ließ er mitteilen: Er habe nichts zu verbergen, werde wie im Sommer vollumfänglich kooperieren und „alles, was nötig ist, zur Verfügung stellen, um meine Unschuld noch einmal zu beweisen“. Es sei für ihn jedoch „schwierig zu erkennen, was es nutzen soll, wenn drei andere Richter die gleichen Fakten und Unterlagen noch einmal prüfen“. Weiter wolle er sich im laufenden Verfahren nicht äußern.
Auch Kyrgios reagiert
Dafür äußerten sich andere. Wimbledonsieger Carlos Alcaraz zeigte Verständnis für den Kontrahenten. „Ich fühle mit ihm“, sagte der Spanier, der hofft, dass „diese Sache bald vorbei ist.“ Heftig fielen die Reaktion in Sinners Heimat Italien aus, nicht zuletzt medial. „Die WADA will Sinner stoppen“, schrieb der Corriere dello. Nach Ansicht von Tuttosport ist Sinner „in die übelriechenden Rädchen“ der Sportpolitik geraten. Der frühere Wimbledonfinalist Nick Kyrgios, nicht nur auf dem Court ein Provokateur, postete hingegen schadenfroh bei Instagram: „Hahaha, am Ende vielleicht doch nicht so unschuldig, was?“
Sowohl die ITIA als auch die italienischen Anti-Doping-Behörden hatten das erste Urteil akzeptiert, und auch die WADA sieht keinen Grund, über Sinners seit März erzielte Ergebnisse vor dem CAS verhandeln zu lassen. Dazu zählen die Masters-Erfolge in Miami und Cincinnati, der Sieg beim Rasenturnier in Halle/Westfalen und der Triumphzug bei den US Open zu seinem zweiten Grand-Slam-Titel.
Die Verantwortung für die positiven Proben liege dennoch beim Spieler und nicht bei dessen Physiotherapeuten, der Monate nach den Tests seinen Job im Team Sinner verlor. Aussortiert, weil er seine Hand selbst mit einem rezeptfreien Steroid-Spray behandelt habe und damit seinem Chef die missliche Lage erst eingebrockt hatte. So zumindest Sinners Darstellung, der das Gericht folgte.
Nun entscheiden die Richter des CAS über Sinners Schicksal. Bis zum Urteil darf er weiterspielen, und egal wie es ausfällt: seine Ergebnisse bleiben bestehen. Danach könnte er aber für eine ganze Weile aus den Highlightvideos der Tenniswelt verschwinden.