Der frühere Radstar Jan Ullrich hat erstmals öffentlich ein klares Dopingbekenntnis abgegeben.
Das Ende einer Lebenslüge
„Ja ich habe gedopt“, sagte der 49-Jährige am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion am Rande der Vorstellung der Dokumentarserie „Jan Ullrich - Der Gejagte“ (ab 28. November/Prime Video): „Wenn ich meine Geschichte erzählt hätte, hätte ich viele schöne Jahre gewinnen können. Ich hatte die Eier nicht. Es tut total gut, es auszusprechen.“
Angesprochen auf den Zeitpunkt seines Geständnisse und seine Gefühlslage erklärte Ullrich bei SPORT1.
Er fühle sich „ja schon seit längerem besser und leichter, aber ich hatte ein bisschen Schiss vor heute. Nicht, weil ich den Satz sagen musste, sondern: Wenn Du mal so am Boden lagst, so lange aus der Öffentlichkeit raus bist, nichts mehr mit Interviews am Hut hast und dann wieder vor so vielen Leuten und den Medien stehst - bei so einem Event, in dem es um deine persönliche Sache geht - dann reißt dich das schon mit.“
„Hatte ein bisschen Schiss vor heute“
Ullrich fügte an: „Das war eine Überwindung für mich heute – aber nicht, das zu sagen (den Geständnis-Satz, Anm. d. Red.) sondern überhaupt hier auf der Bühne zu stehen.“
Er habe sich „schuldig gemacht“ und fühle sich „schuldig“, führte Ullrich während der Podiumsdiskussion aus, der zuvor im SID-Gespräch auch erstmals ausführlich über Eigenblutdoping in seiner Vergangenheit als Profi gesprochen hatte.
„Ich wusste intern, dass ich mich auch medizinisch anpassen musste“, sagte der ehemalige Sport-Star. Es sei im dopingverseuchten Radsport der damaligen Zeit „immer nur um Chancengleichheit“ gegangen.
Radsport: Ullrich gesteht Lebenslüge
Erstmalig habe Ullrich im Sommer 2003 Kontakt zu dem heute berüchtigten Dopingarzt Eufemiano Fuentes aus Spanien aufgenommen.
„Ich wollte gerne gewinnen und an meine Erfolge anschließen. Ich hatte damals ein neues Team und da wurde mir dann Dr. Fuentes empfohlen. So bin ich da gelandet“, sagte er. Kurz vor dem Start der Tour de France 2006 sollte Ullrich diese Verbindung zum Verhängnis werden - er wurde von seinem Team T-Mobile ausgeschlossen und beendete 2007 schließlich seine Karriere.
Das Blutdoping sei aber, betonte der Tour-de-France-Sieger von 1997, aus sportlicher Sicht nur „das letzte Quäntchen“ gewesen.
"Du musst trotzdem das Riesentalent haben, trotzdem fleißig sein und das ganze Leben unterordnen." Sorgen um seine Gesundheit machte sich Ullrich damals keine - "weil alles medizinisch kontrolliert war. Letzendlich war es mein eigenes Blut, das ich mir abnehmen ließ - etwas Natürliches", sagte er.
Doping? „Bei mir ging es 1996 los“
Andere Formen der unerlaubten Leistungssteigerung seien aber auch zu Beginn von Ullrichs Profikarriere 1995 bereits gang und gäbe gewesen, wie Ullrich betonte: "Bei mir ging es 1996 los. Als ich damit in Kontakt kam, gab es schon Substanzen, die nicht zu kontrollieren waren. Es war schon ein paar Jahre im Radsport drin. Der Radsport hatte damals schon ein Problem."
Der hochveranlagte Rostocker habe sich deshalb gezwungen gesehen, ebenfalls zu Dopingmitteln zu greifen.
„Als ich gemerkt habe, dass ich die Chancengleichheit nicht mehr habe, kam auch das Mentale dazu. Du hast dein ganzes Leben geopfert, du weißt, du hast das Talent in dir, wirst jedes Jahr besser. Und dann zu wissen, dass man sonst von vornherein keine Chance hat, war das Schwerste“, sagte Ullrich.
Es sei ihm nie darum gegangen, „jemanden zu betrügen oder sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern um Chancengleichheit“.
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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)