Vor blutigen und brutalen Einlagen ist WWE-Rivale All Elite Wrestling in seiner jungen Geschichte nie zurückgeschreckt. Das allerdings dürfte das härteste Schauspiel gewesen sein, das es dem TV-Publikum bisher geboten hat.
AEW-Quote sinkt trotz Schock-Match
Bei Dynamite, der wöchentlichen Fernsehshow, lieferte AEW einen Fight zwischen Publikumsliebling Cody Rhodes und Erzschurke Mr. Brodie Lee, das die Zuschauer ähnlich spalten dürfte wie im vergangenen Jahr der extrem gewalttätige Pay-Per-View-Showdown zwischen Jon Moxley und Kenny Omega.
Trotz des vorab groß angekündigten Matches brach in den USA die Einschaltquote ein: 753.000 Zuschauer bedeuteten die schwächste Reichweite seit Juli. Der wahrscheinliche Hauptgrund: Bei der in direkter Konkurrenz laufenden TV-Debatte zwischen Donald Trumps Vize-Präsident Mike Pence und Kamala Harris, der Vize-Kandidatin des demokratischen Herausforderers Joe Biden, schalteten insgesamt 50 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein. Die Quote der parallel zu Dynamite laufenden WWE-Show NXT sank in einem ähnlichen Maßstab wie die von AEW (AEW Dynamite vs. WWE NXT - die Entwicklung der Ratings im Vergleich).
Cody und Brodie Lee interpretieren Dog Collar Match brutal
Der Kampf um den TNT-Titel, den Lee Cody vor eineinhalb Monaten abgenommen hatte, war als "Dog Collar Match" angesetzt, ein Klassiker aus der Old-School-Ära, auf deren Erbe sich AEW-Co-Chef Cody ausdrücklich beruft: Codys Vater Dusty Rhodes war Teil diverser Matches, in denen die beiden Kontrahenten mit Hundehalsbändern und einer Kette zusammengebunden waren (Cody Rhodes im SPORT1-Interview: Das ist seine Vision für AEW). In der Moderne wurde das Konzept unter anderem vom frühen CM Punk bei der Liga ROH (Ring of Honor) in dessen Blutfehde mit Altstar Raven aufgegriffen.
Das berühmteste Dog Collar Match gab es 1983 bei der ersten Auflage des WrestleMania-Vorbilds Starrcade zwischen dem verstorbenen Hulk-Hogan-Rivalen "Rowdy" Roddy Piper und Greg "The Hammer" Valentine, der nun als Ehrengast bei Dynamite anwesend war.
Valentine sah ein heftig geführtes Duell mit mehreren Eingriffen von außen, die aber jeweils schnell abgewehrt wurden: Cody schaltete Lees Dark-Order-Jünger John Silver schnell mit einem Kettenhieb aus. Sein legendärer Mentor Arn Anderson - unter den Opfern der wilden Dark-Order-Attacke, die die Fehde vorab aufgeheizt hatte - stoppte Silvers Partner Alex Reynolds mit seinem berühmten Spinebuster. Danach geriet er selbst zwischen die Fronten und wurde von Lee mit einem Schlag in die Magengrube aus dem Spiel genommen.
Cody und der frühere Luke Harper malträtierten sich so sehr, dass - wie erwartet - beide zu bluten begannen, es gab auch unappetitliche Würgeattacken mit der Kette, die dann auch am Ende eines mitreißenden Schlagabtauschs die entscheidende Rolle spielte: Cody wickelte die Kette um Lees Gesicht und drückte so fest zu, dass der sich nicht mehr gegen seine Spezialaktion Cross-Rhodes wehren konnte und damit Match und Titel verlor.
Nach dem Kampf feierte Cody mit Familie und Freunden und hielt eine emotionale Promo-Ansprache, in der er versicherte, dass seine dunklen Haare kein Zeichen einer dunklen Einstellung seien. Er stehe zu den Fans und wolle wieder der "Fighting Champion" sein, der er vor seiner Entthronung war. Seine offene Herausforderung für ein Titelmatch kommende Woche wurde dann angenommen von Orange Cassidy.
Promis gratulieren Jubilar Chris Jericho
Launiger ging es beim zweiten Kernstück der Sendung zu, den Jubiläumsfeierlichkeiten für Chris Jericho, der seit mittlerweile 30 Jahren im Ring steht.
Im Lauf der Show gab es zahlreiche Glückwünsche für die Legende, von Wrestling-Weggefährten wie seinem ersten Partner Lance Storm oder Japan-Rivale Hiroshi Tanahashi, aber auch von Promis wie AEW-Edelfan Shaquille O'Neal, Regisseur und "Silent-Bob"-Darsteller Kevin Smith sowie den Heavy-Metal-Ikonen Slash (Guns 'n Roses), Gene Simmons (KISS) und Lars Ulrich (Metallica), mit denen Jericho durch seinen Zweitberuf als Sänger der Band Fozzy vertraut ist.
Auch im Hauptkampf des Abends traf Jericho auf einen Mann aus seiner Vergangenheit: Der in Japan als Death-Match-Wrestler berühmt gewordene Luther war einst Jerichos Mitschüler im berüchtigten Dungeon von Bret Harts Vater Stu Hart. Jericho und Partner Jake Hager feierten wie zu erwarten einen klaren Sieg über Luther und den maskierten Serpentico, ehe es dann nochmal zu einem scheinbar kritischen Moment kam.
MJF mit seltsamem Geschenk
Die Bösewichte der AEW-Umkleide strömten nach dem Kampf zum Ring und feierten mit Jericho und seinem Inner Circle, darunter auch Jungstar MJF (Maxwell Jacob Friedman), der sich bei Jericho in den vergangenen Wochen auffällig lieb Kind gemacht hat.
Die sich anbahnende Story zwischen den beiden wurde weitergetrieben, als MJF Jericho ein Geschenk mitbrachte: einen Clown, der ein großes Porträt von MJF in der Hand hielt. Die Szenerie erinnerte an den jungen Dwayne "The Rock" Johnson, der damit einst bei WWE Mentor Faarooq ein vergiftetes Präsent überreichte oder auch an das "Festival of Friendship" zwischen Jericho und Kevin Owens bei WWE, das mit Owens' Verrat an Jericho geendet war.
Entsprechende Andeutungen von Spannungen gab es nun auch: Jericho streckte den Clown nieder und zerschlug das Bild auf dessen Kopf. Er sah dann auch MJF wütend an - nur um dann doch versöhnlich zu lachen. Alles (vorerst?) nur ein großer Spaß! MJF teilte nebenbei noch mit, dass er für kommende Woche eine große Ankündigung hätte, die "seine Karriere definieren" würde.
Schlusspointe der Show: Während die Schurken im Ring feierten, liefen falsche Produktions-Credits über den Bildschirm. Einziger Name, der als Regisseur, Produzent, Darsteller und in allen anderen Rollen genannt wurde: Chris Jericho.
Die weiteren Highlights:
- In einem Duell der Muskelpakete verteidigte Brian Cage im ersten Match des Abends den auf ihn zugeschnittenen FTW Heavyweight Title gegen den aufstrebenden Will Hobbs. Cage wich am Ende einem Splash Hobbs' vom Seil aus und brachte seinen Finisher an. Cages Manager Taz bot Hobbs dann an, sich seinem Stall anzuschließen - bei gleichzeitiger Drohung, ihn von Cage und Ricky Starks verprügeln zu lassen, sollte er es nicht tun. Darby Allin aber kam Hobbs zu Hilfe und vertrieb Team Taz.
- Die Tag-Team-Champions FTR (ehemals: The Revival) hielten sich gegen Jack Evans und Angelico schadlos, anschließend wurde verkündet, dass sie kommende Woche bei der Jubiläumsepisode zum einjährigen Bestehen von Dynamite ihre Titel gegen die Best Friends aufs Spiel setzen müssen - nachdem sich zuvor die wochenlangen Sticheleien der beiden Teams fortgesetzt hatten.
- Auf den Hauptkampf der kommenden Woche, das World Title Match zwischen Jon Moxley und dem wohl wieder von seiner Corona-Erkrankung genesenen Lance Archer, stimmte eine Video-Promo mit Champion Moxley ein - in dem dieser unter anderem auch daran erinnerte, dass er sich mit Archer bereits ein heftiges Match in Japan bei Wrestle Kingdom in Tokio geliefert hat. Man könne einen wie Archer nicht besiegen, nur überleben.
- Für das beim nächsten Pay Per View Full Gear gipfelnde Turnier um ein Match gegen den dann amtierenden World Champion wurden drei neue Teilnehmer verkündet: Zu Kenny Omega, Jungle Boy und Rey Fenix gesellen sich Dark-Order-Mitglied Colt Cabana, MJF-Bodyguard Wardlow und Hangman Page - womit die Story um die Entfremdung der früheren Tag-Team-Champions Page und Omega ins Zentrum des Turniers rücken dürfte.
Die Ergebnisse von AEW Dynamite am 7. Oktober 2020:
FTW Championship: Brian Cage (c) besiegt Will Hobbs
AEW World Tag Team Championship: FTR (c) besiegen The Hybrid22 (Angelico & Jack Evans)
TNT Championship: Cody besiegt Mr. Brodie Lee (c) - TITELWECHSEL!
Big Swole besiegt Serena Deeb
Chris Jericho & Jake Hager besiegen Chaos Project (Luther & Serpentico)