In der achten Minute ging ein lautes, erstauntes Raunen durch die Kölner Lanxess-Arena. Timo Kastening war von der rechten Seite abgesprungen, um, davon gingen alle aus, gewohnt sicher zu verwandeln.
DHB-Star kritisiert und gefeiert
Doch der deutsche Rechtsaußen ließ die Großchance liegen und verzog seinen Wurf. Nicht nur die Fans waren kurzzeitig bedient, sondern auch Alfred Gislason, wie er nach dem 26:24-Sieg im Nerventest des DHB-Teams gegen Island angab. „Ich war natürlich mit Kastening sehr unzufrieden in der ersten Halbzeit, weil er eine riesengroße Chance vergibt“, sagte der Bundestrainer im ZDF.
Und auch in der Mixed Zone betonte Gislason, sowohl „in einer Phase mit Rune nicht zufrieden“ gewesen zu sein - der Kieler Dahmke konnte nur einen von drei Würfen verwandeln - als auch in der ersten Hälfte mit Kastening.
Daher habe er „mit ihm darüber in der Halbzeit gesprochen“. Und das zeigte offenbar Wirkung beim Genie, das zumindest in einer Aktion schlampig agierte.
Gislasons Kritik an Kastening zeigt Wirkung
„Dann macht er phänomenale Tore aus kleinen Winkeln, die sonst keiner macht“, schwärmte Gislason: „Diese Dreher sind nicht normal. Das war ein Spitzenspiel.“ Der DHB-Coach, der bei Kastening in diesem Turnier schon einmal ein paar Nerven verloren hatte, stellt klar: „So wollen wir es haben.“
Zwar sei bei seinen Außenspielern noch Luft nach oben, aber „der isländische Nationaltrainer ist vermutlich deutlich unzufriedener mit seinen Außen als ich.“ Denn diese verzweifelten auch immer wieder an Andreas Wolff.
„Man ist schon etwas erleichtert, wenn du weißt, dass der Torhüter dir hinten den Rücken freihält und du vielleicht nicht jeden Angriff scoren musst“, sagte Kastening über den „Weltklasse-Torhüter“ bei SPORT1: „Trotzdem willst du ihm aber auch so ein bisschen Last nehmen, damit er auch nicht im Tor steht und weiß, dass wenn er nicht das Ding zunagelt, verlieren wir das Ding. Denn das zeichnet einfach Teamsport aus, das zeichnet uns aus, dass wir heute in einer wirklichen Drucksituation da waren.“
„Nichts gedacht“: Kastening bleibt bei Siebenmeter cool
Dass war auch der Melsunger persönlich. Schließlich erzielte Kastening nicht nur „überragende Tore“ von außen, sondern verwandelte auch einen ganz wichtigen Siebenmeter zum 23:21 in der 55. Minute, nachdem Spielmacher Juri Knorr zwei in Folge vergeben hatte.
Keine alltägliche Situation, das musste auch der abgezockte Kastening zugeben.
„Man kennt es (Siebenmeter in knappen Spielen, Anm. d. Red.) aus der Bundesliga - aber wenn du für dein Land in der Lanxess-Arena spielst, vielleicht die Kacke an der Hand hast oder nicht, dann ist es natürlich eine besondere Situation“, schilderte der 28-Jährige.
Er habe auf dem Weg zur Siebenmeter-Linie „gar nichts gedacht. Es geht dann einfach darum, den Ball ins Tor zu werfen - das ist auf einem Handball-Feld immer das Gleiche.“
Für Deutschland war diese Abgezocktheit am Ende viel wert.