Die deutschen Handballer führten ausgelassen einen Siegestanz auf und herzten immer wieder ihren überragenden Torhüter Andreas Wolff.
Wolff hext Deutschland zum Drama-Sieg
Nach einem echten Krimi beim 27:26 (13:17)-Erfolg gegen Rekord-Europameister Schweden ließ die junge Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson ihren Emotionen in der Jahrhunderthalle in Breslau freien Lauf.
"Das war ein heißes Spiel. Wir wussten, dass es bis zur letzten Sekunde eng wird. So ist es auch gekommen", sagte Sigurdsson in der ARD: "Riesen-Kompliment an die Jungs, die haben großartig gekämpft."
Ein Punkt reicht zum Weiterkommen
Bedanken konnte sich die mit 14 EM-Debütanten angetretene Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) bei Wolff und Rechtsaußen Tobias Reichmann, der mit neun Toren zum besten Werfer avancierte.
"Die Freude ist natürlich groß, vor allem innerlich. Gerade kehrt ein bisschen Erleichterung ein", sagte Matchwinner Wolff in der ARD: "Allzu sehr freuen darf man sich auch nicht, weil wir übermorgen direkt das nächste Spiel haben."
Mit der Energieleistung und dem bestandenen Stresstest hat das deutsche Team nach der Auftaktniederlage gegen Spanien (29:32) Kurs auf die Hauptrunde genommen. Am Mittwoch (17.15 Uhr) genügt gegen den WM-Achten Slowenien schon ein Punkt, um die zweite Turnierphase zu erreichen.
Deutsche Taktik geht anfangs nicht auf
"Jetzt kommen die Spiele, die wir gewinnen müssen", hatte Teammanager Oliver Roggisch vor dem Duell mit dem Olympia-Zweiten erklärt. Sigurdsson hatte dafür seine gegen die Spanier nicht überzeugende Abwehrformation geändert. Der Isländer ließ im Handball-Klassiker gegen den WM-Zehnten statt einer 6:0- zunächst eine 5:1-Deckung spielen.
Die taktische Maßnahme zahlte sich vor 6000 Zuschauern allerdings nicht aus.
Die deutsche Abwehr hatte erneut große Probleme und bekam besonders Johan Jakobsson von der SG Flensburg-Handewitt in der ersten Hälfte überhaupt nicht in den Griff. Torhüter Carsten Lichtlein war ebenfalls kein Faktor, im Angriff agierte die DHB-Auswahl zudem viel zu hektisch und lud die abwehrstarken Schweden durch Fehlwürfe und technische Fehler immer wieder zu Tempogegenstößen ein.
Wechselfehler und Doppel-Unterzahl
Nach dem 6:9 (11. Minute) reagierte Sigurdsson.
Der Bundestrainer brachte Wolff für Lichtlein und stellte wieder auf eine 6:0-Abwehr um. Kurzzeitig wurde das deutsche Spiel gegen die mit acht Bundesliga-Legionären angetretenen Schweden besser. Steffen Fäth glich mit seinem ersten Tor zum 10:10 (18.) aus, doch ein Wechselfehler und unnötige Zeitstrafen warfen die unerfahrene deutsche Mannschaft wieder zurück (10:14/23.).
"Wir brauchen mehr Ruhe", forderte Sigurdsson in einer Auszeit.
Der Flensburger Mattias Andersson wurde im Tor der Schweden von Minute zu Minute aber immer stärker. Der erste verworfene Siebenmeter von Reichmann in der letzten Aktion der ersten Halbzeit passte ins Bild. "Es sind viele Sachen, an denen wir arbeiten müssen", sagte Roggisch in der Halbzeitpause.
Lemke verfehlt, Wolff hält Sieg fest
Und das ersatzgeschwächte deutsche Team kam wie verwandelt aus der Kabine. Die auf eine 4:2-Formation umgestellte Abwehr agierte nun deutlich aggressiver, im Angriff wurden die Fehler minimiert und die Chancen besser verwertet. Torhüter Wolff trieb die Schweden zudem zur Verzweiflung. Reichmann gelang nach längerer Zeit mal wieder der Ausgleich (18:18/36.).
"Das war ein sehr wichtiges Spiel, nachdem wir gegen Spanien unglücklich verloren haben", sagte Wolff : "Wir mussten dagegen halten. Was man dann in so einem Spiel braucht, sind Emotionen. Ich habe versucht, von hinten heraus Signale zu setzen, damit wir aufwachen und in der Deckung aggressiver werden."
Es folgte der große Auftritt von Steffen Weinhold. Der Kapitän sorgte mit zwei Treffern für die erste Führung der DHB-Auswahl. Nach dem 23:20 in Unterzahl durch Jannik Kohlbacher ließ Sigurdsson an der Seitenlinie seinen Gefühlen freien Lauf und brüllte seine Freude lautstark heraus.
Doch das Wechselbad der Gefühle ging weiter. Nach einer 26:22-Führung (48.) ließ das DHB-Team Schweden wieder bis auf ein Tor herankommen (27:26/56.). Als dann auch noch Finn Lemke nach einem Ballgewinn völlig frei auf das schwedische Tor zulief, den Ball aber meilenweit über das Tor warf, schien das Unheil endgültig seinen Lauf zu nehmen.
Doch Wolff hielt den Sieg in einer hektischen Schlussphase fest.