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Dieser Skandal verfolgt Deutschland bis heute

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Dieser Skandal verfolgt Deutschland bis heute

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Dieser Skandal verfolgt Deutschland

Im Juni 1982 schreibt Deutschland traurige WM-Geschichte. Die internationalen Medien sind empört, Spieler flüchten sich in billige Ausreden. Ein Skandal, der bis heute nachhallt.
Uli Stielike und Toni Schumacher nach dem Skandalspiel in Gijon
Uli Stielike und Toni Schumacher nach dem Skandalspiel in Gijon
© Imago/Sportfoto Rudel
Im Juni 1982 schreibt Deutschland traurige WM-Geschichte. Die internationalen Medien sind empört, Spieler flüchten sich in billige Ausreden. Ein Skandal, der bis heute nachhallt.

Am Tag, als die WM-Geschichte auf ihrem absoluten Tiefpunkt landete, gab es viele Verlierer. Deutsche, Österreicher, Algerier und die FIFA. Ein Mann aber verlor sogar sein Leben. Der deutsche Edelfan Richard Gauke, bei über 150 Länderspielen dabei, sagte noch: „Ich verstehe die Welt nicht mehr. Das wäre früher nie vorgekommen.“

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Dann brach er in seinem Hotel tot zusammen, Herzinfarkt! Alles nur wegen eines Fußballspiels, das heute vor 42 Jahren stattfand und jeder Beschreibung spottete. Schlechte Spiele hat es Zigtausende gegeben, auch Dutzende auf der größten Bühne einer WM - aber eine solche Schmierenkomödie, wie sie am 25. Juni 1982 in Gijon aufgeführt wurde, suchte ihresgleichen.

Was geschah im Stadion El Molinón beim letzten Vorrundenspiel zwischen Deutschland und Österreich?

Favorit Deutschland strauchelt

Europameister Deutschland war als Mitfavorit zu dem WM-Turnier nach Spanien gefahren. Die Elf von Bundestrainer Jupp Derwall hatte alle Quali-Spiele gewonnen und in Torwart Toni Schumacher und den Bayern-Stars Paul Breitner und Karl-Heinz Rummenigge drei Weltklassespieler.

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Die Auslosung schien es gut gemeint zu haben mit den DFB-Cracks: WM-Debütant Algerien, Chile und Nachbar Österreich, den man schon in der Quali zweimal geschlagen hatte, schienen nicht mehr als das Aufwärmprogramm zu sein. Doch nach der Auftaktpleite gegen Algerien (1:2), denen Schumacher vor dem Spiel verbal „vier bis acht Tore“ einzuschenken gedachte, war die Aufregung groß.

Im zweiten Spiel gab es ein 4:1 gegen Chile, die Chance aufs Weiterkommen war gewahrt worden, doch die Ausgangslage blieb heikel. Das am Vortag ausgetragene vorletzte Gruppenspiel zwischen Algerien und Chile (3:2) erlaubte es, beiden Mannschaften weiterzukommen, sofern Deutschland mit einem Tor Vorsprung gewänne.

Skandal bahnt sich früh an

Das würde zugleich den Gruppensieg bedeuteten. Bei den Österreichern, die ihre ersten beiden Spiele gewannen, spielten vier Bundesliga-Kicker mit. Das nährte die Gerüchte, man werde sich schon auf ein 1:0 oder 2:1 einigen und der Österreicher Roland Hattenberger war dumm genug, das auch öffentlich zu sagen. Das wollte er hinterher natürlich nicht ernst gemeint haben.

Jupp Derwall hoffte auf „ein großes Spiel“ und stellte zum dritten Mal dieselbe Elf auf. Den Etablierten war es natürlich recht. Kommentar von Rummenigge: „Ich ziehe meinen Hut vor dem Trainer. Er hat der Mannschaft sein Vertrauen geschenkt und diese Mannschaft wird für ihn durchs Feuer gehen.“ Worte, die hinterher wie Hohn klangen.

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Ein weiterer Antrieb war die Schmach von Córdoba bei der WM 1978 (3:2 für Österreich), die im Vorfeld wieder medial in Erinnerung gerufen wurde. Dabei waren auf deutscher Seite nur noch drei Spieler dabei, bei den Österreichern waren es fünf. Die Österreicher waren gegen den großen Nachbarn ohnehin immer motiviert.

Algerische Fans hofften auf Schützenhilfe

„Die Deutschen in der bisherigen Form sind zu schlagen. Würden wir die Deutschen nach Hause schicken, wäre das ein nationaler Feiertag“, sagte Co-Trainer Felix Latzke. Das Abschlusstraining absolvierten sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn „wir wollen die Deutschen ein wenig überraschen“. Was dann kam, überraschte alle.

Das „Spiel“: Ein Freitagabend in Gijon, Anpfiff ist um 17.15 Uhr, volles Haus. Unter den 41.000 auffällig viele Anhänger einer unbeteiligten Mannschaft. Hunderte Algerier wollen sehen, ob sich die Nachbarn wirklich nicht wehtun wollen. Die ARD überträgt, Eberhard Stanjek vom Bayerischen Rundfunk kommentiert das Spiel. Wieder wird es ein Duell zwischen Deutschen und Österreichern, das keiner vergessen kann.

Auch der Kommentator wird an diesem Tag Geschichte schreiben. Die Deutschen starten druckvoll, Breitner hat schon in der 1. Minute die Führung auf dem Kopf. Schon nach elf Minuten fällt ein Tor. DAS Tor. Der Kölner Pierre Littbarski bereitet vor, dessen Linksflanke HSV-Mittelstürmer Horst Hrubesch mit Kopf und Knie an Koncilia vorbei bugsiert. Das reicht beiden, aber was anfangen mit den restlichen 79 Minuten?

Ösi Walter Schachner scheint sich als einziger über den Rückstand zu ärgern, enteilt Hans-Peter Briegel und wird von den Innenverteidigern Uli Stielike und Karlheinz Förster im Strafraum in die Zange genommen. Kein Elfmeter, aber wenigstens Aufregung!

Wolfgang Dremmler, der Wasserträger aus München, dringt in den Strafraum ein und muss eigentlich das 2:0 machen. Doch er ist eben kein Torjäger, schießt Keeper Friedel Koncilia an (14.). Breitner hat die nächste Chance, schießt drüber. Es wird die letzte sein vor der Pause.

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Deutschland passt sich Österreichs „Verzögerungstaktik“ an

„Die deutsche Mannschaft, die den Gegner praktisch im Sack hatte, passt sich der Verzögerungstaktik der Österreicher an und fortan wurde nur noch mit dem Ball getändelt“, protokolliert der kicker. Der Wiener Kronenzeitung fällt auf: „Bruno Pezzey und Horst Hrubesch taten nicht einmal so, als seien sie Gegner.“

Während Eckbälle geschossen wurden, unterhielten sie sich in aller Freundschaft.“ Pezzey, Abwehrchef der Österreicher, ringt später mit den Reportern um Verständnis: „Die Deutschen waren in dieser Phase schon so stark, dass wir gar nichts anderes tun konnten, als uns freiwillig zurückzuziehen und hinten dicht zu machen.“

Schon zur Halbzeit gibt es böse Pfiffe von den Rängen. In der Kabine der Österreicher beschwert sich Stürmer Schachner, der als Einziger vor Ehrgeiz brennt, warum ihn denn eigentlich keiner mehr anspiele.

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Dann geht das kümmerliche Schauspiel weiter. Der letzte Angriff des Tages wird in der 56. Minute festgehalten, Hrubesch vergibt kläglich - der Rest ist Ballgeschiebe. Im Spielbericht des kicker findet sich für die zweite Halbzeit keine Torchance mehr, auch die Einzelkritik entfällt, da „über weite Strecken ein Fußballspiel überhaupt nicht stattfand.“

Rummenigge gesteht Wochen später in seinem WM-Buch: „In der 2. Halbzeit, als wir merkten, dass die Österreicher das Ergebnis halten wollten, haben wir uns dem Ballgeschiebe angepasst, weil‘s auch uns in den Kram passte.“

Algerier wedelten mit Geldscheinen

Die Zuschauer, allen voran die algerischen, pfeifen und buhen. Einige wedeln mit Geldscheinen, rufen „küsst euch“! Die Hitzigsten unter ihnen müssen von der Polizei am Betreten des Spielfelds gehindert werden. Sie werden niedergeknüppelt. Die neutralen Spanier winken mit weißen Taschentüchern wie beim Stierkampf, wenn ihnen der Torrero nicht gefällt.

Der dazu passende Ruf „fuera“ (Raus!) ertönt vielstimmig. Derwall erlöst zunächst Rummenigge, dessen Zerrung aus dem Algerien-Spiel ihn ab Minute 20 wieder stark beeinträchtigt, und später Hrubesch, bringt Lothar Matthäus und Klaus Fischer.

Der 21-jährige Matthäus ist voller Tatendrang bei seinem zweiten WM-Einsatz, was nicht so recht zum Stillhalteabkommen passt und so pfeift ihn Breitner gleich mal zurück: „Spiel ruhig, Lothar!“

Auch Fischer hat noch Ehrgeiz, wie er SPORT1 erzählt: „Ich wollte unbedingt spielen bei dieser WM, auch in diese Partie wollte ich mich zeigen. Ich habe mich viel frei gelaufen, aber viele Szenen hatte ich nicht. Es lag eben an der Situation, dass es beiden Mannschaften reichte. Das hätten zum Beispiel Uruguay und Argentinien auch so gemacht.“

ARD-Reporter Eberhard Stanjek reicht es auch, er stellt in der Schlussphase den Kommentar ein, „denn das ist ja kein Fußballspiel mehr“. Sein österreichischer Kollege Edi Finger wird diesmal nicht so narrisch wie noch 1978 und lästert: „Das war die größte Verbrüderung zwischen Deutschland und Österreich seit März 1938.“

Damals schließt sich Österreich dem Deutschen Reich Adolf Hitlers an. Dann ist Schluss und Fischer, der froh ist, das meiste von diesem blamablen Fußballtag inzwischen verdrängt zu haben, sagt: „Richtig gefreut hat sich hinterher keiner.“

Heftige Medien-Reaktionen

Die Quer- und Rückpassorgie erntet in den internationalen Medien heftigste Kritik, wobei es manche nicht an Originalität mangeln lassen. Der Kurier aus Wien etwa lässt den Spielbericht ausfallen und druckt aus Scham eine weiße Seite. Die spanische Zeitung El Comercio verlagert den Spielbericht aus dem Sportteil in die Rubrik „Polizeibericht“ und meldet „einen mutmaßlichen Betrugsfall“, denn „40.000 Menschen sind um rund 12.000 Peseten Eintrittsgeld geschädigt worden“.

Die dpa formulierte: „Der Schmach von Córdoba folgte peinliches Bubenstück von Gijon“. Es ist kein guter Tag für den Sport und keiner für die WM.

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Das traurige Nachspiel: War es Betrug? Es fühlte sich für alle Welt so an, im juristischen Sinne war es eher keiner. Beweise hat es jedenfalls nie gegeben. Rummenigge beteuerte 1982: „Absprache? So etwas war und ist überhaupt nicht drin: dagegen verwahre ich mich mit aller Entschiedenheit. Seit Córdoba 1978 ist das Verhältnis zwischen unserer Nationalelf und dem Austria-Team gespannt. In einer solchen Atmosphäre ist es undenkbar, dass einer auf die andere Seite zugehen und irgendeine ‚Abmachung‘ treffen würde.‘“

Ins gleiche Horn blies der für Nürnberg spielende Österreicher Reinhold Hintermaier noch 35 Jahre später. Dem kicker sagte er 2017: „Nein, da war nichts abgesprochen. Wir haben einfach alle gemerkt: Keiner will mehr so richtig.“

Unmittelbar nach dem Spiel erzürnten die Beteiligten die Fußballfans in aller Welt mit unglücklichen, teils dreisten Aussagen. Selbst DFB-Präsident Hermann Neuberger schoss ein verbales Eigentor: „Jedes Team hat das Recht, im Rahmen der Regeln so aufzutreten, wie es das für richtig hält. Die Reaktion der Zuschauer habe ich erwartet. Übermorgen wird das alles vergessen sein. Dann ist das Ergebnis Schnee von gestern!“

Breitner und Dremmler rechtfertigen sich

Paul Breitner zürnte: „Das Publikum hat überhaupt nicht kapiert, um was es für uns ging, nämlich nur ums Weiterkommen. Wir haben hier eine WM.“ Besonders dreist argumentierte Dremmler: „Ich kann mich nicht um die Reaktionen der Zuschauer kümmern, das ist das Risiko der Leute, wenn sie für 800 Mark hierher fliegen zum Spiel. Genauso wie es mein Risiko ist, hierherzukommen als Spieler, um dann vielleicht früh auszuscheiden.“

Weshalb die Reaktionen einiger Fans noch heftiger ausfielen. Deutsche, Algerier und Spanier versammelten sich in der Nacht vor dem deutschen Quartier und störten die Nachtruhe so nachhaltig, dass einige Spieler mit Wasserbomben auf die Krakeeler warfen.

Bundestrainer Jupp Derwall behauptete zuvor auf der Pressekonferenz noch ernsthaft: „Ich habe um den Sieg gezittert.“ Dann führte er aus: „Wir wären dumm gewesen, wenn wir nach dem 1:0 nicht vorsichtig gespielt hätten und die Österreicher wären auch dumm gewesen, wenn sie nicht vorsichtig gespielt hätten. Warum sollste doof sein und noch einen Konter einfangen?“

Kollege Georg Schmidt relativierte: „Ich glaube nicht an einen Betrug an den Zuschauern. Die nervlichen Belastungen für beide Mannschaften waren sehr hoch. Es war unser Recht, nach dem Gegentor auf Sicherheit zu spielen, um weiterzukommen.“

Algerien legte Protest ein

Algeriens Verband legte dennoch bei der FIFA offiziell Protest ein. Der Wortlaut: „Wir fordern die FIFA auf, das Spiel wegen Mangel an Kampfgeist zu annullieren und Deutschland und Österreich wegen Verstoßes gegen den Geist der FIFA-Regeln aus dem Turnier auszuschließen.“

Das tat die FIFA nicht, beide Teams durften in die Zwischenrunde einziehen und die Deutschen warfen vor dem Spiel gegen England Schuld bewusst Blumen ins Madrider Publikum. Wichtiger war, was die FIFA beschloss: dass fortan alle letzten Vorrundenspiele gleichzeitig stattfinden. Das war und ist das einzig Gute an diesem Spiel, das das Etikett „die Schande von Gijon“ erhielt.

Daran wird immer mal wieder erinnert, wenn zwei Mannschaften einen Nichtangriffspakt schließen wie erst 2022 in der Regionalliga Südwest beim Spiel FSV Frankfurt - SV Elversberg. Und bei der EM 2024 könnte die „Schande von Frankfurt“ drohen.

Hermann Neubergers Prophezeiung traf jedenfalls nicht zu, dieser „Schnee von gestern“ schmilzt nie.