Die Frage nach dem Beginn ihrer Fußballleidenschaft beantwortet Kathrin Krenkel mit einer Jahreszahl: 2012. Damals hat Krenkel angefangen, selbst zu spielen. Sie war 47 Jahre alt – und wollte vor allem etwas für ihren Körper tun. Aber es gibt auch frühere Erinnerungen, an die Kindheit in Ostdeutschland. Kicken auf dem Schulhof und im Verein, im Heranwachsen. Erst mit dem Berufseintritt fand diese Sportbegeisterung ein zeitweiliges Ende.
Als trans Frau auf dem Fußballplatz
Zwickau, Dresden, Magdeburg. Das sind die Vereine, für die Krenkel sich in der Kindheit im geteilten Deutschland interessiert. Später verschlägt es sie beruflich nach München und dort entsteht ihre Liebe zum FC Bayern. Sie lacht, als sie davon erzählt. Spiele selbst zu schauen, ob im Stadion oder zuhause, dafür hat die 57-Jährige heute allerdings kaum Zeit.
Mit Leidenschaft auf dem Platz
Der Grund dafür? Fußball. Klingt widersprüchlich? Ist es aber nicht, denn nach den ersten Jahren auf dem Platz entschloss sich Krenkel, eine Ausbildung zur Schiedsrichtern zu machen. In ihrem Ehrenamt herrscht Personalmangel: Weil es ihr das Herz bricht, wenn Spiele nicht stattfinden können, weil Offizielle fehlen, pfeift sie 70 bis 80 Partien in der Saison.
Das sind schon mal drei an einem Wochenende, eine im Jugendbereich samstags und sonntags zwei bei den Männern. Wieder lacht Krenkel da. Sport, erklärt sie, spiele in ihrem Leben eine große Rolle. „Sport bedeutet für mich Zusammenhalt, Verantwortung für jeden Einzelnen.“ All das gehe weit über den Platz hinaus, beschreibt sie das intensive Gemeinschaftsgefühl.
- „Flutlicht an. Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.
Nach Coming Out: „Da war erstmal Sendepause“
Zusammenhalt hat sie auch selbst erfahren, als Reaktion auf Diskriminierungen, die sie erlebt hat. Krenkel ist trans. Klar wurde ihr das schon im frühesten Kindesalter. „Man hat sich damals nicht getraut, an die Öffentlichkeit zu gehen“, erzählt sie. „Somit habe ich das leider alles für mich getragen.“ Sie heiratet, wird Elter einer Tochter. Nach der Trennung stellt sie fest: „Jetzt ist Schluss, ich kann nicht mehr.“ Sie vertraut sich ihrer Familie an, die sich zunächst schwertut.
„Da war erstmal Sendepause.“ Mit den Jahren akzeptieren ihre Eltern und Brüder sie, jedoch sprechen sie bis heute ihren Namen nicht aus, verwenden aber auch nicht den Deadname. Es ist ein Kompromiss, von dem Krenkel erklärt, sie könne damit leben. Über Widerstände sagt sie: „Es gibt mir Kraft, dass ich als Mensch das sein kann, was ich bin. Und das ist: eine Frau.“
Auch im Sport findet Krenkel Stärke, doch Diskriminierungen bleiben nicht aus. Als sie einmal mit ihrem Team spielt, fordern die Gegnerinnen in der Halbzeit vom Schiedsrichter, die Spielerpässe zu kontrollieren, weil ein Mann darunter sei. „Meine Mannschaft ist zum Gegner und zum Schiedsrichter und hat gesagt, dass das die Kathrin ist. Das ist unsere Spielerin – und wenn ihr anderer Meinung seid, beenden wir das Spiel.“ Die Erfahrung ist wichtig.
Die Wichtigkeit von Sport
Es ist in Krenkels eigener Biografie begründet, dass sie sich entschlossen hat, so offen über ihre Geschichte zu sprechen. „Es sollte jeder Mensch so leben, wie er möchte.“ Sie wünscht sich rückblickend, sie hätte Gelegenheit gehabt, ihre Transition vor der Pubertät zu beginnen. „Ich sah keine Möglichkeit damals in der DDR, das im Kindesalter schon publik zu machen.“ In der Diskussion um Zugänglichkeit von Sport gerade für trans Frauen müsse eine Rolle spielen, dass Kinder oft schon wissen, sie sind trans, aber nicht danach handeln können, findet sie.
Ein enorm wichtiger Aspekt sei zudem die Psyche: „Wenn der Mensch die Erfahrung macht, dass niemand hinter ihm steht, fangen die Probleme erst an.“ Sport sei wichtig als Ablenkung, um sich anerkannt und geborgen zu fühlen. Krenkel begrüßt deswegen das neue Spielrecht des DFB, wonach trans, inter und nicht-binäre Spieler*innen künftig selbst entscheiden dürfen, in welchem Team sie spielen: Männer oder Frauen. Andere Sportarten grenzen da aus.
Sie mahnt aber auch an, es fehle an Aufklärung in den Vereinen an der Basis, damit diese die neue Regelung überhaupt umsetzen. Deswegen möchte sie weiter ihre Geschichte erzählen, Fragen beantworten, berichten, nahbar sein und ansprechbar. „Die Sportvereine haben noch viel Arbeit vor sich.“ Die Schiedsrichterin möchte das Zeichen setzen, sie zu unterstützen.
| Hinweis: Sprache verändert sich, das gilt auch fürs Sprechen über queere Menschen. Viele Wörter, die dafür mal gängig waren, werden heute als verletzend empfunden. Während als Selbstbezeichnung alle Begriffe möglich sind, ist es sonst wichtig, sich zu informieren. Hier finden sich gute Erklärungen und Einordnungen: https://queer-lexikon.net/ |