Frustabgang! Als würde er es schon ahnen, stapfte Mats Hummels am Dienstag direkt nach Trainingsende in Dortmund-Brackel rund zehn Minuten vor allen anderen BVB-Spielern in die Kabine. Wortlos, emotionslos, ohne den Kopf zu heben - ungewöhnlich für den Weltmeister. Eine Reaktion auf seine sich anbahnende Nicht-Nominierung? Gut möglich! Grund dazu hätte er allemal.
Von wegen Leistungsprinzip!
Bundestrainer Julian Nagelsmann rechtfertigte seine Nominierungen bislang oft mit dem Leistungsprinzip, vom „Momentum“ war ständig die Rede. Dass Hummels außen vor ist, führt diese Argumentation ad absurdum.
Hummels wäre in EM-Form gewesen
Der 35-Jährige ist der Mann der Stunde bei Borussia Dortmund. Schon seit Wochen bewegen sich die Leistungen von Hummels auf allerhöchstem Niveau. Der Weltmeister ist einer der Gründe, warum die Dortmunder in dieser Spielzeit noch vom ganz großen Coup träumen dürfen, ja sogar schon danach greifen. Beispiel gefällig? In der Königsklasse, in der Runde der besten vier europäischen Mannschaften, glänzte er gegen Paris Saint-Germain und wurde völlig zurecht in beiden Spielen mit dem „Man of the Match“-Award ausgezeichnet. Weltklasse-Spieler wie Kylian Mbappé verzweifelten an ihm.
Dass ihm ein Robin Koch vor die Nase gesetzt wird, bei allem Respekt vor der Entwicklung des Frankfurters, der mit Sicherheit kein schlechter Innenverteidiger ist, ist dennoch unbegreiflich. Koch spielt nicht annähernd in derselben Liga wie Hummels.
Will Nagelsmann Teamgefüge schützen?
Rein sportliche Gründe kann diese Entscheidung von Nagelsmann also nicht gehabt haben. Vielmehr herrscht wohl die Befürchtung vor, dass der Dortmunder nicht in das Teamgefüge des DFB passen würde. Hummels ist ein Spieler, ein Typ Mensch, der nicht zu allem Ja und Amen sagt, sondern nicht davor zurückschreckt, seine deutliche Meinung kundzutun.
Doch genau diese Typen braucht und will der Bundestrainer offenbar nicht, schon gleich gar nicht in der zweiten Reihe. Die Rolle des Backups traut ihm Nagelsmann offenbar nicht zu.
Die Befürchtung, dass durch mangelnde Einsatzzeit negative Stimmen laut werden, die der Teamchemie schaden, ist groß.
Zu Unrecht: Denn Hummels wäre sich seiner Rolle bewusst gewesen und hätte dennoch alles für den Erfolg der Mannschaft getan. Er könnte für die jungen Spieler als Art Ansprechpartner fungieren, ihnen durch seine Erfahrung mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Außerdem ist Hummels, ähnlich wie Thomas Müller, auch wegen seiner Art und Weise ein beliebtes Gesicht des deutschen Fußballs – auch über die Landesgrenzen hinweg. Im Spätherbst und gleichzeitig auf dem Leistungszenit der Karriere platzt nun wohl der Traum von der Heim-EM.
Nagelsmann leitet den Generationenwechsel ein. Der deutsche Fußball verzichtet bei der Heim-EM damit auf eines seiner schillerndsten Gesichter.