Gleich mit dem zweiten Ballkontakt im Spiel zeigte Toni Kroos, warum sich Bundestrainer Julian Nagelsmann so um ihn bemüht hatte. Mit seiner Vorarbeit zum schnellsten Tor in der DFB-Geschichte war er nicht nur der Türöffner für den erfolgreichen Start ins Heim-EM-Jahr, sondern auch derjenige, der die Euphorie und den Glauben zurück ins deutsche Fan-Herz bringt.
Kroos-Debüt entfacht die Euphorie
DFB-Star Toni Kroos begeistert in allen Bereichen: „Unfassbar“
„Das war mit Sicherheit das Beste, was wir in den letzten Jahren gespielt haben“, resümierte DFB-Sportdirektor Rudi Völler nach dem Schlusspfiff. Die Euphorie ist zurück – vor allem dank des „großen Regisseurs“, wie Völler Kroos bezeichnete.
Bei seiner Auswechslung in der 89. Spielminute jubelten ihm nicht nur die DFB-Fans mit „Toni Kroos“-Sprechchören zu, sondern sogar die französischen Fans honorierten die Leistung der deutschen Nummer acht mit Applaus.
DFB-Star Kroos macht vor Vereinskollegen keinen Halt
Die Bezeichnung „Querpass-Toni“ dürfte er ein für alle Mal los sein. Genauso wie den Vorwurf fehlenden Einsatzes. In der 60. Minute grätschte Kroos den Ball samt Frankreich-Mittelfeldspieler Aurélien Tchouameni auf Höhe der Mittellinie ins Seitenaus. Seine „Lust, der Mannschaft helfen zu wollen“ merkte man ihm in jeder Sekunde an.
„In der zweiten Halbzeit hat er sogar seinen Teamkollegen (von Real, Anm. d. Red.) mit Ball noch aus den Schuhen gegrätscht“, meinte Nagelsmann: „Gerade die Bereiche, die ihm in der Vergangenheit auch von Experten oft abgesprochen wurden: Er hat unfassbar viel gearbeitet, defensiv unglaublich stabil.“
998 Tage nach seinem letzten Spiel für die deutsche Nationalmannschaft (0:2 im EM-Achtelfinale gegen England bei der EM 2020) schien es, als wäre Kroos in den vergangenen Jahren das fehlende Zahnrad gewesen. Seine Rückkehr setzte das Spiel der deutschen Mannschaft wieder in Bewegung – auf begeisternde Art und Weise.
Bundestrainer Julian Nagelsmann schwärmte von dem Auftritt seines Rückkehrers: „Unfassbar, ehrlich gesagt. Was er mit dem Ball kann, wissen wir alle. […] Was mir gefällt, man merkt ihm gar nicht an, wie erfolgreich er ist. Er gliedert sich in die Gruppe ein. Du merkst da keinen großen Unterschied.“
Kroos macht seine Mitspieler besser
Kroos war Dreh- und Angelpunkt im Spiel der deutschen Mannschaft. Der 34-Jährige ließ sich häufig in die letzte Abwehrreihe neben Jonathan Tah fallen und dirigierte von dort das Spiel und gab den Takt vor. Robert Andrich, der den Vorzug vor Pascal Groß bekommen hatte, suchte Kroos bei jeder Vorwärtsbewegung.
Kaum ein Angriff lief ohne dem Regisseur. Zudem setzte er immer wieder die „Zauberer“, um Ilkay Gündogan, Florian Wirtz und Jamal Musiala in Szene. „Er macht es leichter für einen vorne, wenn man so gute Pässe bekommt“, lobte Wirtz.
Dopa-Experten loben Kroos
Ex-Weltmeister Andreas Möller betonte im STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1: „Mit der Kroos-Rückkehr ist nun klar: Wer ist der Chef, wer sind die Arbeiter, wer sind die Zauberer davor?“ Trainer-Legende Ewald Lienen meinte: „Er ist ja kein Unterschiedsspieler wie Mbappé, aber er macht eine Gruppe eben insgesamt besser.“
Das zeigte auch ein Blick auf die Zahlen. Kein Spieler auf dem Feld hatte mehr Ballkontakte (143) als Kroos. Kein DFB-Akteur spielte mehr Pässe (128). Keiner hatte so großen Einfluss auf das Spiel der deutschen Mannschaft wie der 108-malige Nationalspieler. Kroos gab der Nationalmannschaft Sicherheit und spielerische Leichtigkeit. „Er ist eine Konstante, auf die man sich immer verlassen kann“, meinte DFB-Kapitän Gündogan über seinen neuen Mitspieler im Mittelfeld.
Kroos „pinkelt Eiswürfel“
Nagelsmann schilderte: „Rudi Völler hat gesagt, dass er seit seinem 18. Lebensjahr Eiswürfel pinkelt. So ähnlich ist es wahrscheinlich. Du kannst ihn immer anspielen, er hat einfach eine enorme Ruhe.“
SPORT1-Experte Stefan Effenberg meinte: „Mit der Rückholaktion von Kroos hast du auch die Hierarchie-Frage gelöst. Da kannst du nun alles herumbauen.“
Klar war schon vor Anpfiff: Kroos muss niemandem mehr etwas beweisen. Seine fünf Champions-League-Titel und seine Rolle bei Real Madrid sprechen für sich. Und dennoch hat er gegen Frankreich seine Bedeutung unterstrichen – mehrfach!
Auch der Opa von Kroos dürfte nach dem Spiel eines Besseren belehrt worden sein, denn der hatte „mir erstmal geraten, noch ein Jahr bei Real zu spielen und danach im Sommer Urlaub zu machen“, meinte Kroos.
Kroos-Hype geht weiter
Schon bei seiner Ankunft am Montag im DFB-Teamhotel in Frankfurt konnte jeder Anwesende im Ansatz erahnen, welches Feuer die Kroos-Rückkehr entfachen könnte. Die Fans kreischten bei niemandeM so laut wie bei dem Real-Star. Keine Unterschrift auf Trikots war heiß begehrter.
Ein Beleg für den Kroos-Hype sind auch die Absatzzahlen der ohnehin erfolgreichen pinken Auswärtstrikots. Björn Gulden, der Vorstandsvorsitzende von Adidas, verriet: „Am Tag nach der Präsentation der neuen Trikots hat sich das von Toni Kroos doppelt so oft verkauft wie jedes andere.“
83 Tage vor der Heim-EM bringt die deutsche Nationalmannschaft, auch dank ihres Mittelfeld-Taktgebers, den Glauben an glorreichere DFB-Zeiten zurück. Nach den Enttäuschungen der letzten Jahre ist Toni Kroos der schwarz-rot-goldene Heilsbringer, der er eigentlich nie sein wollte.