Es sollte ein Mutmacher für die Heim-EM 2024 werden - am Ende durfte die deutsche Nationalmannschaft froh sein, im Testspiel gegen Österreich mit dem 0:2 noch einigermaßen glimpflich davongekommen zu sein.
Die Stimmen nach dem Debakel
Immerhin suchten die Protagonisten nach Spielschluss nicht nach Ausreden, sondern gingen mit sich und ihrer Leistung teils hart ins Gericht. SPORT1 fasst die Stimmen vom ZDF und aus der Mixed Zone zusammen.
Julian Nagelsmann (Bundestrainer Deutschland):
... über die Lehren aus dem Spiel: „Wir haben viel Arbeit vor uns. Es geht viel um Akzeptanz der Situation: Nicht in eine Opferrolle verfallen und sagen, wir kriegen es nicht hin und werden eine schlechte EM spielen. Wir müssen akzeptieren, dass wir sehr viel Arbeit vor uns haben und akzeptieren, dass jeder Schritte mehr gehen muss, als wir es jetzt gemacht haben. Wir müssen akzeptieren, dass es unfassbar viel Arbeit ist, auf allen Positionen. Wir Trainer und die Spieler müssen akzeptieren: Es wird hier nichts leicht von der Hand gehen! Es ist extrem viel Arbeit.“
... über die Probleme: „Wir wissen, dass es Dinge gibt, wo wir ansetzen können und müssen. Das weiß auch die Mannschaft. Nur wir müssen akzeptieren, dass das nur über extrem harte Arbeit geht. Auch über „deutsche Tugenden“. Das ist Fakt. Wir können nicht in Schönheit sterben in den Spielen.“
... über die wacklige Defensive: „Wir werden auch im Sommer keine Verteidigungsmonster werden. Das sind wir nicht. Wenn man die Mannschaft sieht, Spieler und Talent, das zur Verfügung steht: Das ist eine Mannschaft, die eine große Gabe hat, Fußball zu spielen. Wenn wir aber dann im Spielvortrag fast alles aus dem Stand spielen, gar nicht andribbeln, alleine bei unseren Abstößen Baumgartner alleine immer zwei Spieler verteidigen kann… Insgesamt müssen wir, um die Qualität auf den Platz zu bringen, viel mehr Dynamik entwickeln im eigenen Ballbesitz.“
... über ein mentales Problem: „Es liegt nicht daran, dass die Mannschaft es nicht weiß oder nicht will. Blockade ist das falsche Wort, aber sie ist nicht befreit. Wenn man sie auf dem Trainingsplatz wahrnimmt, ist das eine unglaublich geschlossene Gruppe, nur der Transfer auf den Platz funktioniert einfach nicht. Wir gehen über die Linie, der Schiri pfeift und dann ist es schon eher das Gefühl: Wir sind ein paar Einzelkämpfer und nicht diese Einheit, die wir außerhalb des Platzes sind.“
Ilkay Gündogan (Kapitän Deutschland):
... über das Spiel: „Die Rote Karte von Leroy fasst alles ein bisschen zusammen. Den Frust, die Enttäuschung, über sich selbst auch, muss man sich ehrlich eingestehen. Am Ende haben wir es den Österreichern viel zu einfach gemacht, Torchancen zu kreieren, die Tore zu machen. Selbst waren wir einfach nicht gut genug.“
... über das, was grundlegend nicht stimmt: „Man muss ehrlich gestehen, es ist nicht nur die Defensive, es geht schon vorne los. So wie wir anlaufen und vorne pressen, so wie wir uns verhalten, so zieht sich das durch die Ketten. Anstatt uns mit positiver Energie anzustecken, emotional auch zu verteidigen, machen wir gerade das Gegenteil. Wir kommen immer zu spät, verlieren die 50:50-Bälle und geben so den Österreichern genau das Spiel, das sie wollen. Nämlich durch deren Gegenpressing uns auszukontern und Chancen zu kreieren. So wirst du nicht erfolgreich.“
... auf die Frage, wie groß die EM-Zweifel sind: „Schlechter kann es nicht werden. Das ist vielleicht der einzig positive Aspekt gerade. Nichtsdestotrotz hat alles, was wir auf dem Platz machen, seine Gründe. Ich glaube, der Trainer kennt die Gründe sehr gut und jetzt ist es natürlich bitter, dass wir vier Monate mit den negativen Ergebnissen leben müssen. Wir müssen auf uns selbst schauen. Jeder einzelne muss sich klar werden, was er machen kann, um optimal vorbereitet zu sein und optimal Leistung zu bringen. Das ist das, was zählt. Wenn wir das irgendwie schaffen bis März über den Verein, dann kann es im März auch wieder besser werden. Einen anderen Weg gibt es auch nicht.“
Leroy Sané (Deutschland):
... über die Folgen des Fouls: „Bei Phillipp (Mwene, Anm. d. Red.) hab ich mich schon entschuldigt, auch bei der Mannschaft. Ich glaube, das Spiel geht heute auf mich, das nehme ich auch komplett auf meine Kappe. Da muss ich mich besser beherrschen, das darf nicht passieren. Da habe ich die Mannschaft im Stich gelassen. Ich hoffe, dass wir jetzt in den nächsten Monaten alle zusammen gesund bleiben, bei den Spielen erfolgreich sind und dann im März zusammen gut angreifen können.“
... über die Qualität des Teams: „Klein machen müssen wir uns jetzt generell nicht, denn wir haben eine super Qualität im Team. Ich glaube, deswegen ist es auch, vor allem draußen, so schwer es zu verstehen, warum es nicht so gut funktioniert. Aber wir müssen einfach zusammenstehen. Wir sind eine gute Truppe, verstehen uns alle untereinander und müssen gemeinsam das Ziel verfolgen. Außerhalb des Platzes kommen wir super miteinander zurecht und verstehen uns sehr sehr gut. Wir müssen das einfach noch auf den Platz bringen, aber das werden wir auf jeden Fall noch schaffen.“
... über die Ziele für die nächste Zeit: „Wir versuchen immer, das Positive daraus zu ziehen und uns nicht unterkriegen zu lassen. Natürlich ist es eine schwere Zeit, deswegen versuchen wir umso mehr für die Fans, vor allem aber auch für uns als Team und für die Nation generell, vor allem jetzt auch vor der Heim-EM, uns gut zu präsentieren. Es ist eine EM zu Hause. Ich glaube, vielen wird es nicht mehr passieren, dass sie da dabei sein können und deshalb wollen wir da einfach ein gutes Gesicht zeigen.“
... über die Ursache seiner Tätlichkeit: „Das war nichts Persönliches gegen den Gegenspieler. Das darf mir nicht passieren. Das war einfach wegen meiner eigenen Leistung. Ich will natürlich, dass wir in die richtige Richtung gehen, meinen persönlichen Teil dazu beitragen, vor allem auf dem Platz. Das Spiel heute und gegen die Türkei war nicht gut von mir. Deswegen habe ich gesagt, dass das Spiel auf meine Kappe geht und keinen anderen Spieler. Deswegen war da ein bisschen zu viel Frust dabei. Damit muss ich besser klarkommen. Ich arbeite daran und will auf dem Platz meine Leistung bringen.“
Mats Hummels (Deutschland):
... über die Niederlage: „Sie ist verdient, Österreich war die besser Mannschaft. Sie sind sehr aggressiv gewesen von Anfang an, haben uns den Schneid abgekauft. Wir haben eigentlich emotional und kämpferisch erst nach der Roten Karte angefangen, dagegenzuhalten. Davor sind wir nicht zu unserem Spiel gekommen, wir haben viele Lehren, die wir daraus ziehen können.“
... darüber, ob nicht noch mehr als über die Abwehr zu reden ist: „Das kann jeder für sich selbst entscheiden. Ich glaube, alle, die Fußball verstehen, wissen, dass Defensive nicht Abwehr ist und Offensive nicht Sturm, sondern alles immer zusammenarbeitet. Da haben wir uns als komplette Mannschaft an die eigene Nase zu packen, dass wir einfach wissen, dass es so nicht reicht gegen die Topnationen. So kann man nicht bestehen auf höchstem Niveau.“
... ob Julian Nagelsmann inhaltlich und taktisch in zu kurzer Zeit zu viel fordert: „Auf keinen Fall, es dauert nur ein bisschen, die Sachen umzusetzen. Wir haben bis zur EM noch einen Lehrgang, dann hat man vor dem Turnier noch mehr Zeit das einzustudieren. Ich glaube, dass man da noch ganz große Schritte gehen kann. Natürlich ist das Ergebnis heute und gegen die Türkei nicht gut. Aber ich glaube, das, was man sieht, was uns noch fehlt, wo man noch eine oder zwei Schippen drauflegen müssen, wissen wir jetzt sehr eindeutig. Wenn wir die Zeit noch nutzen, kann das ein sehr gutes Turnier für uns werden. Aber Stand jetzt wäre es das nicht.“
Benjamin Henrichs (Deutschland):
... über sein Fazit: „Ich bin extrem sauer und frustriert. Wir haben in beiden Spielen nicht performt., schlecht gespielt. Das ist nicht unser Anspruch. Haben viel Arbeit vor uns, müssen Ergebnisse einfahren. Wir haben viel vermissen lassen und brutal viel Arbeit vor uns. Wir waren nicht gut und effektiv. Das war einfach schlecht. Wir müssen uns selbst hinterfragen. Wir bringen die Leistung und das ist einfach nicht gut genug.“
Rüdi Völler (DFB-Sportdirektor):
... über die Lehren aus den Spielen: „Uns wird es nur gelingen, eine gute Europameisterschaft zu spielen, wenn wir das machen, was die Türken oder die Österreicher gegen uns gemacht haben – vor allem in der ersten Halbzeit. Dass wir einfach die fünf Prozent, die wir vielleicht in den Klubs weniger machen, hier mehr machen. Nur wenn wir nochmal eine Schippe drauflegen, jeder für sich diese Dynamik und Emotionen reinbringt, können wir gegen solche Gegner bestehen. Diese fünf bis zehn Prozent haben in beiden Spielen gefehlt.
... über den fehlenden Einsatz: „Man kann Fehler machen, so wie Leroy, der sich nach dem Spiel bei der Mannschaft entschuldigt hat – aber man muss die Leidenschaft zu einem richtigen Zeitpunkt zeigen. Ich weiß nicht, ob es an den Spielertypen liegt, aber daran müssen wir arbeiten. Es geht gar nicht vordergründig um das nackte Ergebnis, aber die Art und Weise ist nicht schön und das können wir uns nicht gefallen lassen. Das muss im März besser werden und sicher wird auch Julian Nagelsmann seine Schlüsse draus ziehen.“
... über die Herangehensweise: „Es ist ein Wort, das immer ein bisschen strapaziert wird, aber uns fehlen ein bisschen die deutschen Tugenden. Auch mal im richtigen Moment dem Gegner weh tun. Nicht so wie heute die Österreicher uns und wir dann naiv einen Platzverweis gegen uns bekommen. Normalerweise muss der Österreicher vom Platz fliegen, weil er zuerst reagiert. Da müssen wir ein bisschen cleverer sein und leidenschaftlicher.“
... über fehlenden Hunger: „Vielleicht hat sich die Mannschaft nach den beiden guten Spielen gegen die USA und Mexiko ein bisschen gesonnt und ausgeruht, aber das geht nicht. Es geht nicht darum, ob wir mit der Dreier- oder Viererkette spielen, oder Havertz auf der linken Abwehrseite spielt. Das ist nicht der Knackpunkt. Der Knackpunkt ist, dass uns diese fünf oder zehn Prozent in beiden Spielen gefehlt haben. Daran müssen wir arbeiten.“
Per Mertesacker (ZDF-Experte):
... über Nagelmanns Aussage, dass Deutschland keine Verteidigungsmonster mehr werde: „Nur Flucht im Angriff wird uns nicht helfen. Wir brauchen gewisse Prinzipien und Stabilität von hinten raus und die sehe ich im Moment nicht. Die müssen erarbeitet werden. Er hat von viel Arbeit gesprochen. Ein Fokus sollte wirklich daran liegen, dass wir besonders von Offensive auf Defensive in diesem Umschaltverhalten uns einiges überlegen müssen. Wir müssen viel besser zusammen verteidigen. Da muss ein Fokus drauf liegen und das müssen wir uns hart erarbeiten und ich hoffe, dass das ein Ansatzpunkt sein wird. Ansonsten, sich nur in der Offensive zu flüchten und 7-8 Offensivspieler auf den Platz zu bringen, wird uns nicht helfen. Wir brauchen eine Balance, dass wir mindestens mal 5-6 Defensivspieler, die sich mehr Gedanken über die Defensive machen, auf dem Platz haben“
Ralf Rangnick (Bundestrainer Österreich):
... über Österreichs Leistung: „von der ersten Minute an vor allem bei Ballbesitz Deutschland haben wir es richtig gut gemacht, wenig bis nichts zugelassen. Insgesamt eine richtig gute Leistung“
... über Deutschland: „Im Moment kriegen sie zu viele Tore. Zu Null hat man schon länger nicht mehr gespielt. Aber alles andere ist Julians Sache. Ich verfolge jetzt eher die Interessen und Spielweisen unserer Mannschaft. Wenn du in jedem Spiel zwei oder drei Tore kassierst, ist es schwer zu gewinnen“
Michael Gregoritsch (Österreich):
.. über den Sieg gegen Deutschland: „Das ist extrem schön, extrem süß. Wir haben ein volles Haus, für das wir im Vorfeld das ganze Jahr gesorgt haben, das ist so in der Art und Weise ein perfekter Jahresabschluss für uns.
... über die deutsche Leistung: „Es ist nicht einfach, wenn du immer nur Testspiele hast. Es ist einfach etwas anderes, als wenn du über Pflichtspiele gehst.“
... darüber, dass Österreich immer einen Gedanken voraus war: „Es war unser Ziel, dass wir viele zweite Bälle bekommen, die haben wir gekriegt. Wir haben viele Torchancen herausgespielt und die entscheidenden Zweikämpfe gewonnen, deswegen war der Sieg verdient.“
...über den richtigen Schritt für die EM: „Der richtige Zwischenschritt, der Weg ist nicht vorbei, wir sind ja noch in Topf 2 gerutscht, was unser Ziel war. Wir hatten ein sehr sehr gutes Jahr hinter uns. Nächstes Jahr geht es dann weiter.“