Gerne wird behauptet, dass sich meist eine neue Tür öffnet, wenn sich eine andere schließt. Oder anders formuliert: Rückschläge können Kreativität fördern.
Die Folgen von Bayerns Doppel-Schock
Jedoch hätte Bayern Münchens Cheftrainer gewiss gerne darauf verzichtet, nach den Ausfällen von Alphonso Davies (Kreuzbandriss) und Dayot Upamecano (freie Gelenkkörper im Knie) nun kurz vor den wichtigen Champions-League-Partien gegen Inter Mailand nach kreativen Alternativlösungen suchen zu müssen.

Personell adäquat lässt sich ohnehin nicht auf die Ausfälle zweier Leistungsträger reagieren. In der Defensive arbeitet sich Hiroki Ito nach seinen Verletzungsproblemen in der Hinrunde so langsam heran, wurde aber zuletzt von Kompany vornehmlich als Linksverteidiger eingesetzt.
Ohne Upamecano fehlt gehörige Portion Tempo
Da jedoch nur Eric Dier von den Innenverteidigern fit ist, muss Ito wohl ohnehin nach innen rücken. Selbst bei einer sofortigen Rückkehr von Minjae Kim infolge seiner Achillessehnenreizung wird sich an der generellen Personalnot im Zentrum wenig ändern.
Kim ist der designierte Abwehrchef in Abwesenheit von Upamecano, jedoch fehlt der Innenverteidigung ohne den Franzosen eine gehörige Portion Tempo und Qualität im Spielaufbau. Dier mag ein guter Defensivspieler sein, wird aber regelmäßig von gegnerischen Teams im Pressing als Schwachstelle ausgemacht.
Mehr noch als in den vergangenen Wochen brauchen die Bayern nun die Präsenz von Joshua Kimmich neben den Innenverteidigern im Spielaufbau.
Guerreiro als Unterstützung im Bayern-Spielaufbau
Zudem könnte eine weitere Änderung in der Viererkette den Spielaufbau beeinflussen. Raphael Guerreiro pendelte bislang in dieser Saison zwischen Bank und Startelf, hatte aber noch nicht mit den ansonsten für ihn üblichen Verletzungsproblemen zu kämpfen.
Nehmen wir einmal an, der Portugiese ist in den kommenden Wochen bei 100 Prozent, so könnte er häufig die Linksverteidigerposition einnehmen. Er würde diese jedoch recht anders spielen als Davies – nämlich zunächst tief im Spielaufbau und im Verlaufe von Angriffen eher wie ein Achter, der die Bälle nach innen verteilt.
Auch Josip Stanisic, eine zweite Alternative für die Linksverteidigerposition, käme für eine inverse Rolle in Frage. Der Kroate gilt als beidfüßig, aber der rechte Fuß ist sein stärkerer, weshalb es ihn etwas nach innen treiben könnte.
Sollten Guerreiro oder Stanisic etwas eingerückt agieren, müsste beispielsweise Kingsley Coman breit an der Seitenlinie positioniert bleiben.
Kompany scheint großen Wert darauf zu legen, dass die Flügelspieler – sprich Außenverteidiger und Außenstürmer – gestaffelt zueinanderstehen: einer außen, der andere etwas mehr im Halbraum.
Auf dieser Position ist Goretzka besser aufgehoben
Im Übrigen hat auch Davies in dieser Saison schon häufiger eingerückt im linken Halbraum agiert und nicht immerzu den reinen Flügelsprinter gegeben. Guerreiro zum Beispiel wäre als Passgeber und intelligenter Ballverteiler von der linken Seite auch wichtig, weil somit Kimmich mehr Unterstützung erhalten würde.
Damit wäre wiederum Leon Goretzka nicht direkt vor der Abwehr gefordert und könnte wie auch zuletzt im DFB-Team als richtiger Achter agieren. Dort ist er aufgrund seiner Physis am besten aufgehoben.
Letztlich stellt sich die Frage, ob Kompany abseits von taktischen Verschiebungen innerhalb der Grundformation auch systemische Änderungen vornimmt. Mit Upamecano und Davies spielten die Bayern eine sehr hohe Abseitslinie, weil gerade diese beiden im Notfall noch Bälle ersprinten konnten.
Doch ohne das Duo sowie Libero-Keeper Manuel Neuer könnte eine hochstehende Kette leichter ausgehebelt werden. Zieht Kompany jedoch die Linie weiter zurück, hätte das einen Domino-Effekt auf die restliche Offensivstruktur.
Deshalb könnte es sehr gut sein, dass er mit Kim und Dier oder Ito einfach bei der Grundausrichtung bleibt und auf das Beste hofft.