„Wer die Basics nicht macht, spielt nicht“. Mit dieser Ansage gab Nuri Sahin bereits früh in der Vorbereitung die Richtung und den Ton vor.
So krempelt Sahin den BVB um
Der neue BVB-Trainer verlangt seinen Spielern einiges ab. Einige Vorstellungen unterscheiden sich dabei enorm von denen seines Vorgängers Edin Terzic.
Spielsystem und Grundordnung
Sahin setzt, anders als Terzic, auf eine hochstehende Kette. Gerade die Außenverteidiger sollen immer wieder aufrücken. Auch wenn der 35-Jährige das Spiel über das Zentrum stark fokussieren möchte, motiviert er seine Spieler immer wieder zu Diagonalbällen - am besten auf die hochstehenden Außenverteidiger, um auf den Seiten eine Überzahl-Situation zu schaffen.
Besonders die Innenverteidiger und zentralen Mittelfeldspieler nimmt er hier in die Pflicht. Niklas Süle hat bereits auf der Asienreise gezeigt, wie punktgenau er diese Pässe spielen kann. Auch Nico Schlotterbeck beherrscht sie.
Sahin erlaubt seinen Spielern, ins Risiko zu gehen. In gefährlichen Zonen, etwa kurz vor der Kette oder in Unterzahl-Situationen herrscht allerdings ein Dribbel-Verbot, um den Gegner nicht leichtsinnig zu Kontern einzuladen oder zu gefährlichen Situation kommen zu lassen. „Klar ist, wenn du da den Ball verlierst, kann es ganz schnell in die andere Richtung gehen“, so Sahin.
Rollenverteilung im Trainerteam
Unter Edin Terzic hatte jeder Co-Trainer eine feste Rolle. Sven Bender war für die Defensive, Nuri Sahin für die Offensive und Sebastian Geppert für die Gegneranalyse zuständig. Diese strikte Verteilung hat Sahin aufgebrochen. „Ich bin kein großer Fan davon. Jeder hat natürlich seine Rolle in den Abläufen. Aber mir ist wichtig, was jeder Trainer mitzugeben hat. Auf dem Platz haben alle keinen Freifahrtschein, aber können einfach rein, wenn sie etwas sehen“, erklärte Sahin.
Trotzdem liegen der Fokus und die Stärken der Co-Trainer in unterschiedlichen Bereichen. Lukasz Piszczek kümmert sich - ähnlich wie Sven Bender zuvor - schwerpunktartig um die Defensive.
Arslan Ertogrul, der mit Sahin schon bei Antalyaspor zusammengearbeitet hat, ist ein enger Vertrauter des BVB-Trainers.
Joao Tralhao, auch ihn brachte Sahin aus der Türkei mit, verfügt über eine Menge Erfahrung. In der Akademie von Benfica Lissabon, einer der besten Talentschmieden der Welt, machte er Joao Felix zum Weltstar. Unter Arsenal-Legende Thierry Henry war er als Co bei AS Monaco tätig. Er ist das taktische Gehirn des Trainerteams.
Auftreten und Führungsspieler-Gerüst
Sowohl bei den Testspielen als auch bei den Trainingseinheiten gibt Sahin klar den Ton an. Laut Sportdirektor Sebastian Kehl ist er „sehr lautstark vor der Mannschaft. Gibt klare Anweisungen.“ Terzic hielt sich des Öfteren bewusst im Hintergrund und nahm die Rolle des Beobachters ein. Schon im vergangenen halben Jahr übernahm Sahin als Co oftmals das Kommando. Das hat sich durch seine Beförderung nochmals verstärkt.
Doch auch die Führungsspieler, die ein Gerüst bilden sollen, nimmt er hier besonders in die Pflicht. Auf der Asienreise wurde schnell klar, dass er Niklas Süle und auch allen voran Julian Brandt in der Verantwortung sieht und das auch so nach außen kommuniziert. Gerade von der neuen Nummer Zehn des BVB erwartet er viel. Spätestens ab kommenden Mittwoch, wenn die Nationalspieler zum Team dazustoßen, wird sich dieser für Sahin bedeutsame Kreis nochmal erweitern.
Offenes und direktes Feedback
Auffällig ist: Sahin schreckt nicht davor zurück, Kritik nicht nur intern, sondern, zumindest in Ansätzen, auch nach außen zu kommunizieren. Er nennt dabei auch Namen und teilt seine Meinung mit der Öffentlichkeit.
„Wir müssen darüber reden“, meinte er beispielsweise nach der 0:4-Klatsche gegen Pathum United, als er die Einstellung monierte. „Die Basics haben nichts damit zu tun, dass man schwere Beine hat. Die Basics müssen einfach stimmen“, kritisierte er weiter und erklärte detailliert, was ihm nicht gefiel.
Terzic bevorzugte in der Vergangenheit die interne Kommunikation und stellte sich, wie eine Löwen-Mama, in nahezu jeder Situation schützend vor seine Spieler. Was mit Sicherheit gut gemeint war, sorgte oftmals auch für Irritationen in der Außendarstellung.
Sahin tritt bisher sehr selbstreflektiert auf, gesteht Fehleinschätzungen ein: Der 35-Jährige gab zu, seine Mannschaft in bestimmten Bereichen einen „Ticken“ weiter gesehen zu haben als sie es tatsächlich ist.
BVB-Trainer Sahin: Basics stehen über allem
Am wichtigsten sind Sahin aber seine Basics. In kaum einem Interview spricht er nicht über die Prinzipien, die er jedem im Team eintrichtern möchte.
„Wer die Basics nicht macht, wird nicht spielen. Ganz einfach!“ Gemeint sind damit die Rest- und Boxverteidigung - eine gewisse Portion Leidenschaft und Einsatz inbegriffen. Eine Entschuldigung dafür, sie nicht an den Tag zu legen, lässt Sahin nicht zählen: „Ich weiß, dass die Jungs sehr müde sind, ich weiß, dass wir sehr viel trainiert haben, aber das darf natürlich keine Ausrede sein auf diesem Niveau.“
„Wenn man vorletztes Jahr fast Meister geworden wäre und letzte Saison im Champions-League-Finale stand, kann man nicht alles falsch gemacht haben“, merkte Kehl an, schob aber hinterher: „Trotzdem wollen wir uns weiterentwickeln.“ Dieser Prozess ist bereits in vollem Gange.
Fest steht: Der neue BVB-Trainer sprudelt vor Ideen und trichtert dem Team seine Prinzipien ein. Spätestens bis zum Pflichtspielauftakt, am 17. August in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Phönix Lübeck, sollen die Abläufe und vor allem die Basics sitzen.