Xabi Alonso ist ein Gentleman. Seine zurückhaltende, volksnahe Art lässt im ersten Moment nicht darauf schließen, dass der 42-Jährige schon als aktiver Spieler ein Weltstar war und alles gewonnen hat, was nur möglich ist. Im Gegenteil. Er ist jemand, der seine Worte mit Bedacht wählt. Stets freundlich, introvertiert, nie aufbrausend. Zumindest fast nie.
Die unbekannte Seite des Xabi Alonso
Denn beim genaueren Hinschauen findet man ihn doch, diesen einen Bereich, der aus Leverkusens sonst eher besonnenen Übungsleiter einen heißblütigen Spanier werden lässt: die Coaching-Zone, seinen primären Arbeitsplatz. Positive wie negative Emotionen stellt Alonso dort völlig ungefiltert zur Schau. Wer ihn jede Woche gestikulieren, dirigieren, bangen, abwinken und mitfiebern sieht, kann erahnen, wie es in dem früheren Profi aussieht.
Ein inzwischen gewohntes Bild sind seine Luftsprünge, die Alonso nach besonders wichtigen, spielentscheidenden Toren immer wieder fabriziert. Grund dafür gab es in den vergangenen Monaten nunmal reichlich. Seit unglaublichen 33 Pflichtspielen hat die Werkself keine Partie mehr verloren. Doch Alonso kann auch ganz anders, eben genau das andere Extrem zeigen und lautstark seinen Unmut zum Ausdruck bringen - wie zuletzt beim 2:1 gegen Mainz.
Alonso: „Geschieht in der Hitze des Moments“
Die Zielscheibe des Frusts: Nicht etwa seine Spieler, sondern - wie so häufig – der Schiedsrichter. In diesem Fall Timo Gerach. Wegen zu heftigen Reklamierens sah der Baske erneut eine Gelbe Karte, schon seine dritte in dieser Saison. Es habe „eine kleine Kontroverse“ gegeben, meinte Alonso hinterher im wieder gewohnt ruhigen Ton. „Ein bisschen Spannung wegen der Entscheidung. Aber das ist ein Teil des Spiels. Das geschieht in der Hitze des Moments.“
Was war passiert? Als die tapfer kämpfenden Mainzer in der Nachspielzeit der ersten Hälfte weit aufgerückt waren und Bayer einen Konter startete, nahm Jeremie Frimpong im Mittelkreis Tempo auf, hätte alleine auf das FSV-Tor stürmen können. Doch der Niederländer kam zu Fall und beschwerte sich vehement, weil ihn der kreuzende Philipp Mwene an der Hacke berührte. Gerach pfiff die Aktion allerdings nicht ab und verwarnte stattdessen den protestierenden Frimpong - nicht sein einziges unglückliches Urteil des Abends.
Es war jedoch die Entscheidung, die Alonso endgültig zum Kochen brachte. Auch nach dem Halbzeitpfiff diskutierte Leverkusens Coach noch sekundenlang mit dem Unparteiischen. Erst auf dem Platz, dann im Kabinengang. Wenngleich Alonso nach dem Spiel betonte: „Ich war dem Schiedsrichter ziemlich respektvoll gegenüber und habe versucht, ihm zu erklären, dass ich die Aktion anders gesehen habe. Da wollte ich auch Jeremie beschützen, damit er nicht in Schwierigkeiten gerät. Wir brauchen ihn.“ Natürlich versuchte er, wie es seinem Charakter eben entspricht, aus der umstrittenen Szene nicht mehr als nötig zu machen.
Fehlt Alonso im Saisonendspurt einmal?
Zwar schaffte es Alonso auch tatsächlich, den vollkommen empörten Frimpong zurückzuhalten. Dafür ist der Spanier nun selbst akut gefährdet. Seit 2019 werden Trainer der Bundesliga und 2. Liga nach vier Gelben Karten für ein Spiel gesperrt. Heißt: Bei einer weiteren Verwarnung müsste der Baske einmal von der Tribüne aus zuschauen. Sicherlich ein Szenario, das Alonso im Titelrennen gegen den FC Bayern unbedingt vermeiden möchte.
Was dabei auffällt: Das Problem mit Alonso und den Gelben Karten ist kein neues. Schon in der vergangenen Saison kassierte der Bayer-Coach insgesamt drei Verwarnungen - obwohl er erst am 9. Spieltag debütierte. Die letzte holte er sich aber beim finalen Match in Bochum ab, ebenfalls während einer hitzigen Begegnung wegen Meckerns. Eine Sperre drohte damals nicht mehr, da die gesammelten Karten in der Sommerpause wieder verfallen sind.
Diesmal muss sich Alonso jedoch im Zaun halten. Auf der anderen Seite dürfte es für die Konkurrenz in gewisser Maßen schön zu sehen sein, dass es selbst bei den derzeit übermächtigen Leverkusenern und dem überall gefeierten Übungsleiter noch ein winziges bisschen Verbesserungspotenzial gibt.