Der zähe Transfer-Poker ist beendet. Yann Sommer wechselt von Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern und unterschreibt bei den Münchnern einen Vertrag bis 2025. (NEWS: Fix! Bayern verkündet Sommer-Deal)
Bayern: Bleibt Sommer nicht lange?
Der 34-Jährige wird den verletzten Manuel Neuer ersetzen, der aufgrund eines Unterschenkelbruchs mehrere Monate ausfallen wird. Die Gladbacher haben bereits einen Nachfolger für Sommer gefunden. Jonas Omlin (29) kommt vom französischen Erstligisten HSC Montpellier an den Niederrhein. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Jörg Stiel hütete von 2001 bis 2004 das Tor der Borussia. Der Schweizer kennt sowohl Sommer als auch Omlin gut. Im SPORT1-Interview spricht der aktuelle Torwarttrainer des Grashopper Club Zürich über seine beiden Landsleute und deutet an, dass die Ära Sommer bei Bayern eine sehr kurze werden könnte.
SPORT1: Herr Stiel, was sagen Sie zum Wechsel von Yann Sommer zum FC Bayern?
Jörg Stiel: Für Yann ist das top. Die Bayern wären nicht auf ihn gekommen, wenn er in den Spielen gegen sie nicht so unglaublich gehalten hätte. Wenn ich nur an das 1:1 in dieser Saison in der Allianz Arena denke. Yann hat 8,5 Jahre für die Borussia überdurchschnittliche Leistungen erbracht und eine Ära mit Champions- und Europa-League mitgeprägt. Das ist der Lohn dafür.
Manuel Neuer verletzt - Yann Sommer übernimmt
SPORT1: Wenn Manuel Neuer sich im Ski-Urlaub aber nicht verletzt hätte, wäre das Thema erst gar nicht aufgekommen.
Stiel: Natürlich. Das war der erste Domino-Stein, der das Ganze in Bewegung setzte. Ohne Neuers Verletzung würden wir gar nicht darüber diskutieren. Ich freue mich für Yann, dass er im Herbst seiner Karriere nochmal so einen tollen Schritt machen kann. Das wird für ihn ein sehr spannendes halbes Jahr, was da in München auf ihn zukommt. Mit seinen Qualitäten und seiner Erfahrung wird das aber kein Problem sein. Yann wird Bayern sofort helfen können.
SPORT1: Mit seinen 34 Jahren ist das nochmal eine richtig schöne Herausforderung, oder?
Stiel: Absolut. Über den FC Bayern müssen wir keine großen Worte verlieren, das ist nach wie vor der Verein Nummer 1 in Deutschland. Yann kann Champions League spielen und das ist eine tolle Sache. Zudem wird er sich am Ende der Saison Deutscher Meister nennen können oder vielleicht sogar Champions League Sieger. Die Bayern kriegen einen erfahrenen Torwart, der nicht unter dem Druck zusammenbrechen wird, weil er jetzt beim Rekordmeister spielt. Und die Gladbacher bekommen wieder den Betrag, den sie mal ursprünglich für Yann bezahlt haben (acht Millionen Euro, d. Red.). Zudem können sie sich auf einen neuen Torhüter freuen, den ich sehr schätze.
SPORT1: Jonas Omlin kommt aus Frankreich nach Gladbach.
Stiel: Schon wieder ein Schweizer. Das ist wie eine Krankheit. (lacht laut) Für alle Parteien ist es eine wunderbare Geschichte. (DATEN: Ergebnisse der Bundesliga)
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Stiel deutet an: Sommer nur kurz bei Bayern?
SPORT1: Glauben Sie, dass Sommer über diese Saison bei den Bayern im Tor stehen und Neuer ablösen kann?
Stiel: Man muss abwarten, wie sich das entwickelt. Im Fußball wissen wir eines; was heute richtig ist, ist morgen falsch und übermorgen wieder richtig. Ich würde zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht darüber spekulieren, was nach dieser Saison passieren wird. Das kann Yann selbst beeinflussen. Wenn er solch starke Leistungen wie in Gladbach zeigt, dann wird er auch für Neuer eine Herausforderung. Bei einem Klub wie dem FC Bayern, der rund 60 Spiele im Jahr macht, wird Yann so oder so das eine oder andere Spiel mitnehmen, auch wenn Neuer gegebenenfalls wieder die Nummer 1 wäre. Ich könnte mir aber auch etwas anderes vorstellen…
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SPORT1: Was denn?
Stiel: Dass er nach dieser Saison nochmal wechseln wird, wenn Neuer wieder fit ist. Die Verantwortlichen hätten dann jetzt Zeit, eine weitere Lösung zu suchen. Wir können diese Geschichte von vorne bis hinten und von oben nach unten anschauen - es gibt momentan nur Gewinner.
SPORT1: Sie glauben wirklich Sommer könnte nach dieser Saison erneut wechseln wollen? Er dürfte doch darauf spekulieren, dauerhaft die Nummer 1 bei den Bayern zu werden, oder? Es mehren sich nämlich die Stimmen, die sagen, dass Neuer nach seinem Beinbruch nicht mehr zurückkommen wird. (DATEN: Spielplan der Bundesliga)
Stiel: Das ist ja die entscheidende Frage. Was wird mit Neuer? Wird er nie mehr für die Bayern im Tor stehen? Yann will bestimmt nicht nur seinen Vertrag aussitzen. Er ist ehrgeizig genug, auch in der nächsten Saison bei Bayern im Tor stehen zu wollen, wenn er bleiben würde. Von seinen Qualitäten her muss er sich da nicht verstecken. Es bringt jetzt nichts zu spekulieren. Yann ist clever genug, er hat sich bestimmt seine Gedanken gemacht. Ich gehe mal davon aus, dass er schon am Samstag gegen RB Leipzig spielen wird. Wenn bei Bayern ein Schweizer im Tor steht - das ist doch prima.
SPORT1: Lassen Sie uns über Jonas Olmin sprechen. Was ist er für ein Typ? Er ist von der Statur größer als Sommer.
Stiel: (lacht) Yann ist trotz seiner Körpergröße ein Großer. Jonas kenne ich schon einige Jahre. Er ist ein sehr angenehmer Zeitgenosse, intelligent und auf gar keinen Fall ein Sprücheklopfer. Er lässt lieber die Leistung für sich sprechen. Und in dem Punkt ist er wie Yann. Im Tor ist Jonas extrem explosiv und stark mit den Füßen. Er bringt alles mit, was die Borussia braucht. In dieser Chronologie der Torhüter habe ich mal gesagt, dass Yann wie die Faust aufs Auge nach Gladbach passte. Das sage ich jetzt auch bei Jonas und Borussia.
SPORT1: Hat Gladbach im Poker die ganze Zeit die Hosen angehabt und ist am Ende ganz klar als Gewinner hervor gegangen?
Stiel: Ich würde nicht sagen, dass Gladbach es bestimmt hat, allerdings waren sie in einer sehr komfortablen Situation. Die Bayern wollten etwas, respektive jemanden von ihnen. Es geht ja nicht immer nur darum, Gewinner zu sein, sondern viel mehr darum, Lösungen zu finden, die allen Beteiligten etwas bringen. Das ist aus meiner Sicht gelungen.
SPORT1: Warum klappt das so gut zwischen der Borussia und den Schweizer Torhütern? Sie hatten einst auch drei erfolgreiche Jahre in Gladbach.
Stiel: In der Schweiz war es so wie in der Bundesliga. Wir hatten nie schlechte Torleute. Diese Position war immer unsere Stärke. Als ich noch ein kleiner Junge war, hatten wir drei Torhüter, die sich um den Posten in der Nationalmannschaft gestritten haben. Das ist bis heute so geblieben. Damals war es vielleicht die Schweizer DNA, heute ist es die gute Ausbildung. Wir machen bei den Torhütern sicher sehr vieles richtig.
SPORT1: Bei Borussia Dortmund steht mit Gregor Kobel auch ein Schweizer im Tor.
Stiel: Stimmt, aber er wurde in Hoffenheim ausgebildet. Es gibt einfach eine gute, strukturierte und sehr anspruchsvolle Ausbildung in der Schweiz. Die Schweiz ist ein kleines Land und da ist alles etwas einfacher zu handhaben als in Deutschland. Der Föderalismus lässt grüßen. Jonas wird sich bei Gladbach problemlos integrieren, da bin ich mir sicher. Er wurde in der Schweiz ausgebildet und ist auch körperlichen einem top Zustand.
Schweizer Keeper bei Bayern, beim BVB und in Gladbach
SPORT1: Was ist Omlin für ein Mensch? (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Stiel: Jonas ist ein ähnlicher Typ wie Yann. Er ist eher zurückhaltend und will lieber mit seinen Leistungen überzeugen statt mit Worten. Ich mag beide sehr, das sind gute Menschen und starke Torhüter. Gladbach kann sich darauf freuen, einen nahtlosen Übergang im Tor zu haben.
SPORT1: Vielleicht wird es mit ihm eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie mit Sommer…
Stiel: Warum nicht? Das wünsche ich Jonas. Damals kam mit dem Unbekannten Yann Sommer ein Schweizer nach Gladbach und anfangs waren die Fans skeptisch, schließlich war Marc-André ter Stegen sehr stark, ein Gladbacher und sehr beliebt. Dass er in den vergangenen Jahren bei Barca diese Figur geworden ist, spricht ja auch für die Torwart-Ausbildung in Gladbach. Für den Moment tut es weh, dass Yann weggegangen ist. Aber vieles, was anfangs weh tut, kann gut werden.
SPORT1: Was wünschen Sie Ihren beiden Landsleuten?
Stiel: Ich wünsche Yann und Jonas, dass sie weiter das machen, dass sie weiter starke Leistungen zeigen werden und von Verletzungen verschont bleiben. Beide sind exzellente Torhüter. Wir werden uns relativ schnell daran gewöhnt haben, dass Yann ab jetzt bei den Bayern im Tor steht und Jonas bei der Borussia. Es ist für alle wie gesagt eine tolle Geschichte.