Im Oktober 1984 steht es schlecht um Borussia Dortmund. Nach sechs Spieltagen ziert der BVB das Tabellenende, der neue Trainer Timo Konietzka, einst als Torjäger eine Legende in Dortmund, hat noch nicht die richtige Elf gefunden. Gegen Bayer Leverkusen geht er Risiko und nominiert den 18-jährigen Daniel Simmes für die Startelf.
Daniel Simmes: Der Lauf seines Lebens
Es ist das sechste Bundesligaspiel von Simmes, erst das dritte von Beginn und sein erstes im Mittelfeld. Eigentlich ist er Stürmer und hat als solcher schon für Aufsehen gesorgt. Mit der U 16-Nationalelf ist er Europameister geworden, sein Trainer: Berti Vogts. Der DFB hat ihn seitdem im Auge, aber auch international weckt er Interesse. Als er mit Dortmunds Jugend in Barcelona bei einem Turnier vorspielt, beeindruckt er so stark dass Barca ihn gleich dabehalten möchte. Auch das geschieht 1984.
Dann kommt der 5. Oktober, ein Freitagabend. lediglich 16.000 Zuschauer finden den Weg ins Westfalenstadion, die werden aber Zeige eines sensationellen Solos. Nach torloser erster Halbzeit versetzt Konietzka Simmes, der bis dahin schon ein gutes Spiel macht, in den Sturm. Aber der Moment, der ihn unsterblich in Dortmunder Fan-Herzen macht, beginnt in der eigenen Hälfte.
Simmes Solo-Abschluss mit dem schwachen Fuß
Simmes erzählt ihn selbst: „Jürgen Wegmann spielt mich in unserer Hälfte an. Ich lasse den ersten, dann den zweiten Leverkusener aussteigen und laufe mit dem Ball los. Ich will eigentlich nach links rausspielen, doch da ist kein Huber, kein Anderbrügge. Ich laufe weiter, irgendwann sehe ich, dass das Feld fast zu Ende ist. Ich werde nach links abgetrieben und bleibt nur der Schuss mit links, meinem schwächeren Fuß.“ Aber auch mit dem bezwingt er Leverkusens Keeper Rüdiger Vollborn – 1:0!
Die Zuschauer flippen aus, sie haben soeben das Tor des Jahres 1984 gesehen. Weil es nicht zum Sieg reichen würde – Bayer gleicht im Gegenzug aus – setzt „Daniel Düsentrieb“ noch mal nach und legt Bernd Klotz das 2:1 auf.
Damit verdient er sich im Kicker die Note 1 und das Prädikat „Mann des Tages“. Das Fachblatt prophezeit: „Alle Abwehrspieler der Bundesliga täten gut daran, sich künftig auf den großen, blonden Dortmunder mit der Nummer sieben auf dem Trikot einzustellen.“
Wenn er denn überhaupt in der Liga bleibt, gleich nach dem Spiel meldet sich Barcelona schon wieder. Aber es kommt nicht zum Wechsel, noch sieben Jahre spielt Simmes in der Bundesliga, mit abnehmendem Erfolg. 1988 wechselt er zum Karlsruher SC, wo seine Karriere 1991 endet – in 166 Bundesligaspielen kommt er nur auf 18 Tore.
Grund für seinen Leistungsabfall, sagt er jedenfalls selbst, sind Herz-Rhythmus-Störungen, die erst spät erkannt werden. „Ich hatte das Zeug, in der A-Nationalmannschaft zu spielen, vielleicht sogar bei Weltmeisterschaften. Doch die Gesundheit stand mir in Weg“, sagt er 2017. Es bleibt ein kleiner Trost: Bei seinem Tor des Jahres 1984 standen ihm gleich sechs Spieler im Weg, doch keiner konnte ihn stoppen beim Lauf seines Lebens.