Gut gelaunt erscheint Mark van Bommel zum Interviewtermin mit SPORT1. Kein Wunder, denn der neue Trainer des VfL Wolfsburg steht mit seinem Team nach drei Spieltagen und drei Siegen auf Platz 1 der Bundesliga und legte damit den besten Saisonstart der Vereinsgeschichte hin. (DATEN: Die Tabelle der Bundesliga)
Van Bommels “irre Geschichte” mit Kahn
In der Fußballszene verbindet man van Bommel natürlich mit dem FC Bayern, für den er zwischen 2006 und 2011 spielte. Mit dem Rekordmeister wurde er zweimal Deutscher Meister und zweimal Pokalsieger. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Im zweiten Teil des SPORT1-Interviews spricht er 44-Jährige über den Rekordmeister, seine Kritiker, Nationalspieler Joshua Kimmich - und erinnert sich an ein schmerzhaftes Erlebnis mit Oliver Kahn. (Hier geht es zum ersten Teil des Interviews)
“Jetzt kann ich zeigen, dass ich ein guter Trainer bin”
SPORT1: Herr van Bommel, Sie lachen mit dem VfL von der Tabellenspitze. Zuletzt waren Sie Trainer bei der PSV Eindhoven. Es gibt aber Kritiker, die sagen, dass dieser Schritt für Sie als Trainer zu früh kam. Haben sie recht?
Mark van Bommel: Nein. Ich war nicht mutig und es war auch nicht zu früh. Das kam halt so. Und nur, weil ich entlassen wurde, war es längst nicht so schlecht. Natürlich sehen das die Kritiker anders. Ich habe damals ordentlich angefangen - 16 von 17 Spielen konnten wir gewinnen. Leider hat es am Ende nicht für den Gewinn der Meisterschaft gereicht, aber auch im 2. Jahr fing es gut an, da konnten wir 23 Punkte aus neun Spielen holen. Danach lief es nicht mehr. Aber das Verhältnis mit der Mannschaft war intakt. Und dann hat der Verein sich entschieden, mich zu beurlauben. So etwas passiert. Jetzt kann ich zeigen, dass ich ein guter Trainer bin. Ich habe viel gelernt in dieser Zeit.
SPORT1: Wer ist Ihr Trainervorbild?
Van Bommel: Ich habe kein Vorbild, ich hatte in meiner Karriere sehr viele gute und sehr gute Trainer. Und ich habe immerhin 21 Jahre gespielt. Ich konnte von jedem Trainer etwas lernen. Es gab auch welche, bei denen ich gedacht habe ‚Das würde ich so nicht machen’.
SPORT1: Aha…
Van Bommel: Da waren aber auch Fußballlehrer dabei, die sehr gute Sachen zum richtigen Zeitpunkt gemacht haben oder auch mal gar nichts gesagt haben, wo ich dachte: ‚Jetzt sollte er etwas sagen.’ Im Nachhinein weiß ich, dass ein Coach in einer Sekunde blitzschnell richtig reagieren muss. Das ist das Schönste und zugleich Schwierigste am Trainerjob.
Van Bommel: “Habe mich auch mal mit Trainern gezofft”
SPORT1: Ihre Trainer bei Bayern hießen Felix Magath, Ottmar Hitzfeld, Jürgen Klinsmann, Jupp Heynckes und Louis van Gaal. Wer war der Beste?
Van Bommel: Ich hatte fünf Trainer in viereinhalb Jahren bei Bayern. Eigentlich war das ungewöhnlich für diesen Klub. Es waren alles top Trainer, die auf ihre Art erfolgreich waren. Ich habe in München wirklich schöne Momente erlebt. Zudem hatte ich auch in Italien, Spanien und in den Niederlanden tolle Trainer. Ich bin heute froh, mit solchen Fußballlehrern zusammengearbeitet zu haben.
SPORT1: Mit welchem Bayern-Coach hat es am wenigsten geklappt?
Van Bommel: Es war nicht so, dass es bei mir mit jedem Trainer funktioniert hat. Das muss auch nicht sein, wenn die Ergebnisse dafür stimmen. Man muss an die Mannschaft denken. Das persönliche Verhältnis mit dem Trainer ist dann zweitrangig. Und das hatte ich bei Bayern immer begriffen. Ich habe mich auch mal mit ein, zwei Trainern gezofft und saß nicht mit jedem bei Kaffee und Kuchen zusammen. Es ist glaube ich kein Geheimnis, dass ich mit van Gaal einige schwierige Momente hatte. Heute können wir uns die Hand geben und alles ist gut.
Lob für Bayern-Leader Kimmich
SPORT1: Sehen Sie Joshua Kimmich als Ihren legitimen Nachfolger?
Van Bommel: Er ist für Bayern extrem wichtig, aber so ein Typ wie Kimmich ist für jede Mannschaft dieser Welt wichtig. Auch bei uns gibt es solche Typen, die das Spiel lenken können. Joshua Kimmich bringt viel mit und das pusht die ganze Truppe. Das Wichtigste bei ihm ist, dass er an die Mannschaft denkt. Er ist kein Egoist auf dem Platz.
SPORT1: Er hat seinen neuen Vertrag ganz ohne Berater ausgehandelt. Selbstbewusst oder naiv?
Van Bommel: Selbstbewusst. Und alles andere als erstaunlich. So schwierig ist das auch gar nicht. Er hat im Gespräch mit Kalle, Olli, Brazzo und Herbert Hainer über Zahlen gesprochen und wahrscheinlich gesagt: ‚Das will ich, wie denkt ihr?’ Es gab dann ein Angebot und vielleicht ein nachgebessertes Angebot. Als sie sich einig waren, wurde der Vertrag aufgesetzt und zum Schluss haben noch die Anwälte drüber geschaut. Er ist ein schlauer Junge, warum wundern sich alle, dass da kein Berater im Spiel war? Er ist schon länger bei Bayern, da wusste er, dass er den Bossen vertrauen kann. Also hat er unterschrieben und fertig. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
SPORT1: Welchen aktuellen Bayern-Profi hätten Sie gerne beim VfL?
Van Bommel: Vielleicht sollte man besser die aktuellen Spieler fragen, ob sie gerne mit mir gespielt hätten (lacht). Ich weiß nicht mal, ob sie mich als Fußballer überhaupt kennen. Typen wie Olli und Brazzo sind super. Aber ich bin sehr happy mit meinen Jungs. Wir haben eine top Mannschaft, die hatten wir damals bei Bayern auch.
“Auch wenn man vor die Tür gesetzt wird, lernt man daraus”
SPORT1: Wie sehen Sie Ihre Entwicklung als Trainer?
Van Bommel: Ich lerne immer dazu. Jeden Tag. Weil jeden Tag passiert etwas auf dem Platz, in der Kabine oder bei der Trainingsvorbereitung. Da muss ich immer hellwach sein. Auch wenn man als Trainer vor die Tür gesetzt wird, lernt man daraus. Mein Job ist sehr komplex, das ist das Schöne am Trainerdasein. Ich denke ich mache es bisher ganz gut. Aber ich kann und will mich weiter verbessern. (SERVICE: Bundesliga-Spielplan zum Ausdrucken)
Klinsmann? “Bei Bayern hat es mit ihm nicht gepasst”
SPORT1: Jürgen Klinsmann war Ihr Trainer. Hat sein Hertha-Abschied Sie überrascht?
Van Bommel: Wie es bei Hertha war, kann ich nicht sagen. Ich war nicht dabei. Ich habe es nur in den Medien verfolgt. Bei Bayern hat es mit ihm und der Mannschaft nicht gepasst. Wir haben damals einen Trainer gebraucht, der das Team führt. Das hat aus unterschiedlichen Gründen nicht funktioniert. Ein Jahr später kam van Gaal und bei ihm hat es gepasst.
SPORT1: Haben Sie eigentlich noch Alpträume, wenn Sie an Oliver Kahn und die Nacht von Getafe denken?
Van Bommel: Nicht mehr. (lacht) Das war eine super Geschichte. Es war ein Wahnsinns-Spiel. Viertelfinale in der Europa League. Zuhause hatten wir im Hinspiel unentschieden gespielt und da stand ich nicht auf dem Platz. Ich war gesperrt oder verletzt, ich weiß es nicht mehr. Nach sechs Minuten bekam ein Spieler von Getafe die Rote Karte und sie schießen das 1:0. Doch in der 90. Minute trifft Franck Ribéry zum Ausgleich. Dann kamen wir mit Ottmar Hitzfeld, der damals Trainer war, zusammen und er sagte zu uns: ‚Jetzt gewinnen wir das Spiel.’ Es war irre. Dann liegen wir nach 94 Minuten 1:3 hinten und machen in der 120. Minute tatsächlich noch den Ausgleich. Olli war mit vorne, kommt dann zurück, stürmt nach dem Ausgleich jubelnd auf mich zu und schlägt mir mit seiner Riesenhand auf die Nase. Eine irre Geschichte. Da rede ich auch heute noch gerne drüber.
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