In den USA läuft aktuell der aufregendste Monat des Basketball-Jahres. Im März sucht die US-Collegeliga NCAA ihren Meister. Innerhalb eines Monats spielen die besten Teams des Landes im K.o.-System gegeneinander.
„Das gesamte Leben kann sich ändern“
Durch den verrückten Modus mit Do-or-die-Spielen ist Hochspannung garantiert. Überraschungen gehören zur Tagesordnung, weshalb der Monat im Volksmund unter March Madness bekannt ist.
Während dieser magischen Zeit rückt in den USA sogar die NBA in den Hintergrund. In den wilden Wochen können Helden geboren werden und sich das gesamte Leben der Spieler verändern.

Am eigenen Leib erlebt hat das Bayern-Star Shabazz Napier. Der Point Guard gewann mit seiner University of Connecticut (kurz UConn) 2011 und 2014 gleich zwei Meisterschaften und wurde speziell beim zweiten Titel zum gefeierten Star.
Napier wurde nicht nur als „American Athletic Conference Player of the Year“ ausgezeichnet, sondern nach seinen herausragenden Leistungen auch öffentlichkeitswirksam von Mega-Star LeBron James gelobt.
Für SPORT1 nahm sich Napier nach dem Bayern-Sieg gegen Rostock Zeit und sprach im exklusiven Interview über die Besonderheiten der March Madness, verrückte Spiele im legendären Madison Square Garden und verrät, welches Lob ihn damals sogar noch mehr beeindruckte als das von LeBron James.
March Madness: Das ist so besonders
SPORT1: Herr Napier, Sie haben selbst haben in Ihrer Zeit am College viel erlebt. Was ist das Besondere an March Madness?
Shabazz Napier: Gerade die Intensität ist besonders. Jedes Team kämpft um den ersten Platz und hat eine gewisse Chance auf den Titel. Es spielen die Besten der Besten aus dem gesamten Land gegeneinander. Es ist eine unglaublich aufregende Zeit für die Unis. Jeder kämpft für den Erfolg.
SPORT1: Nicht jeder in Deutschland weiß, was March Madness überhaupt ist. Wie würden Sie diesen Monat für Leute beschreiben, die sich damit noch nicht so sehr beschäftigt haben?
Napier: Es ist echt schwer, diesen Wahnsinn zu beschreiben. Die Top-Teams der Hauptrunde sind oft sehr ängstlich, weil es so viele Überraschungen gibt. Alle Spieler sind unglaublich nervös. Gerade in den ersten Runden ist es ein Kampf. Wenn es dann in die entscheidenden Runden geht, versucht man einfach, noch einen Tag zu überleben. Es ist auf jeden Fall sehr aufregend für alle Teams.
„Der verrückteste Monat des Jahres“
SPORT1: Würden Sie sagen, dass es der verrückteste Monat des Basketball-Jahres ist?
Napier: Oh ja! Es ist auf jeden Fall der verrückteste Monat des Jahres. Es ist ein irrer Monat, natürlich gerade für College-Basketball, aber auch für den Sport insgesamt. Dieser Monat bringt einfach ein anderes Level an Aufregung. Es ist wirklich sehr spannend.
SPORT1: Wenn Sie zurückdenken: Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre College-Zeit?
Napier: Ich hatte eine fantastische Zeit. Natürlich hatte ich auch das Glück, dass ich zwei Meisterschaften gewinnen konnte. Es war aufregend. Ich weiß nicht, ob Clemson je eine Meisterschaft gewonnen hat, sorry DB (Anm. d. Red.: Eine Anspielung auf die Universität von Teamkollege Devin Booker, der in diesem Moment vorbeilief). Es war einfach eine unglaubliche Zeit.
SPORT1: Sie haben in Ihrer Zeit am College viel erlebt. Gibt es einen Moment, der besonders heraussticht?
Napier: Natürlich wäre es jetzt einfach zu sagen: Die beiden Meisterschaften. Aber was viele Leute vergessen, sind die Spiele, die wir im Madison Square Garden spielen durften. Damals spielten wir im Sweet 16 und in der Elite Eight (Bezeichnung für Achtel- und Viertelfinale im Collegebasketball, Anm. d. Red.) gegen Iowa State und Michigan State. Gerade gegen Michigan tobte die gesamte Arena. Der legendäre Garden war voller Energie für uns. Es war unglaublich aufregend, Teil davon zu sein und im gesamten Madison Square Garden nur UConn-Fans zu hören. Das war einer der eindrucksvollsten Momente, die ich erleben durfte.
Bayern-Star: „Will nicht in der Vergangenheit leben“
SPORT1: Gab es irgendetwas, was Sie für Ihre Profikarriere aus dieser Zeit mitnehmen konnten?
Napier: Klar, man nimmt Erinnerungen mit. Ich muss schon zugeben, auch wenn ich ein hochdekorierter College-Spieler bin, ist es manchmal so, dass ich mich nicht freue, wenn schon wieder März ist. Auf gewisse Art und Weise mag ich den März nicht mehr, weil ich dann immer wieder auf die Vergangenheit angesprochen werde (lacht). Dann denke ich mir immer: Ach, jetzt geht das schon wieder los. Andererseits ist es natürlich auch aufregend, sich an die schöne Zeit zu erinnern. Trotzdem versuche ich mich davon freizumachen, weil ich nicht zu sehr in der Vergangenheit leben will.
SPORT1: Für die aktiven Spieler kann March Madness aber eine spezielle Chance sein, oder?
Napier: Absolut! Dieses Turnier kreiert für die Spieler unglaublich viele Möglichkeiten. Es kann sein, dass dich die gesamte Saison niemand auf dem Schirm hat und plötzlich spielst du auf der größten Bühne stark auf. Jeder NBA-Scout schaut auf die Teams. Gerade wenn du es unter die besten 16 oder acht Teams schaffst, sind noch mehr Augen auf dich gerichtet. Hinzu kommt, dass du heutzutage mit den neuen Möglichkeiten am College Geld zu verdienen, dich auch für höhere Verträge empfehlen kannst. Wenn es diese Möglichkeiten schon zu meiner College-Zeit gegeben hätte, hätte ich mich wahrscheinlich schon damals finanziell für den Rest meines Lebens absichern können. Heutzutage kann man sich schon mit einem guten Run für ein lukratives Angebot im nächsten College-Jahr empfehlen.
Aufstiegschance für junge Basketballer
SPORT1: Dieser eine Monat kann das Leben eines Spielers verändern.
Napier: Zu 100 Prozent. Das ist die Zeit, in der sich das gesamte Leben verändern kann. Jeder schaut in diesem Monat auf deine Spiele. Wenn du dann auf großer Bühne und unter großem Druck liefern kannst, dann wird dich jeder auf dem Schirm haben. Es ist schon oft vorgekommen, dass Spieler bis dahin komplett unbekannt waren, dann ein gutes Spiel hatten - und das für den Durchbruch gereicht hat.
SPORT1: In gewisser Weise war das ja auch für Sie so. Nach Ihren starken Leistungen wurden Sie damals auf Social Media von zahlreichen Stars gelobt. Wie war das damals, als sie öffentlich von LeBron James auf X gefeiert wurden?
Napier: Das war schon aufregend. Wobei man auch sagen muss, dass ich LeBron schon vorher kannte. In meinem zweiten Jahr am College war ich in seinem Basketball-Camp. Zudem war auch eines meiner Familienmitglieder recht eng mit Leuten aus seinem Umfeld. Deswegen kannten wir uns schon. Daher war für mich ein ganz anderes Lob, von einer Person, die ich noch nicht kannte, viel aufregender. Als mich der Rapper Lil Wayne mit einem Tweet lobte, war das sehr speziell. Klar, auch ein öffentliches Lob von LeBron war aufregend, doch zu Lil Wayne habe ich seit meiner Kindheit aufgeschaut. Das war eine coole Erfahrung.
LeBron lobte heutigen Bayern-Star
SPORT1: Trotzdem hatte das öffentliche Lob von LeBron James schon eine gewisse Bedeutung für Ihre Karriere - seine Miami Heat holten Sie im anschließenden NBA-Draft. War das rückblickend gut oder hatten Sie dadurch einen zu großen Druck auf Ihren Schultern?
Napier: Ich glaube, dass viele Leute die Situation komisch aufgefasst und die Dinge auch etwas verdreht haben. Er hat ja nur gesagt, dass ich ein guter Spieler bin. Viel mehr war da eigentlich nicht. Klar hat es bestimmt auch mit dazu beigetragen, dass sich die Miami Heat dazu entschieden haben, mich im Draft auszuwählen. Warum sollte man auch nicht auf die Meinung des besten Spielers der Welt hören? Es hat sicher meine Karriere ein bisschen beeinflusst, aber ich bereue nichts davon. Wenn ich eine wirkliche Chance bekommen hätte und mir den Arsch aufgerissen hätte, wären die Dinge bestimmt anders gelaufen. Aber es ist eben anders gelaufen und ich bin auch so sehr glücklich, wo ich gerade bin.
SPORT1: Gibt es hier bei den Bayern Trash-Talk mit Ihren Mitspielern, von denen zahlreiche ja für andere Colleges gespielt haben?
Napier: Nein, das brauche ich gar nicht (lacht). Als ich ans College gekommen bin, sagte mir mein damaliger Trainer Jim Calhoun: Es gibt keinen Grund, warum man überhaupt mit Leuten von anderen Teams Trash-Talk führend sollte, die noch nie eine Meisterschaft gewonnen haben. Wir brauchen keine Fake-Rivalitäten. Ich glaube, dass keine der Unis, an denen meine Mitspieler gespielt habe, überhaupt je eine Meisterschaft gewonnen haben. Deswegen muss ich hier mit niemandem auch nur argumentieren. Da ist nur Niels (Niels Giffey, Anm. d. Red.), aber mit ihm habe ich ja zusammen gewonnen (lacht).
FC Bayern? „Können noch extrem viel erreichen“
SPORT1: Wenn wir auf Ihr aktuelles Team, den FC Bayern, schauen. Wie würden Sie dieses Team im Vergleich zu anderen Teams, für die Sie gespielt haben, einordnen?
Napier: Ich bin natürlich noch nicht so lange hier, aber es ist definitiv eine der besten Erfahrungen, seitdem ich nach Europa gekommen bin. Wir haben schon jetzt viel erreicht und vielen Skeptikern gezeigt, was wir können. Viele Experten haben uns schon vor der Saison abgeschrieben und uns wenig zugetraut. Wenn wir diese schwere Phase, die wir gerade durchlaufen, überstehen und uns wieder rauskämpfen, können wir diese Saison noch extrem viel erreichen.
SPORT1: Ihr Wechsel nach München hatte ja auch etwas mit Ihrer College-Zeit und Ihrem ehemaligen UConn-Teamkollegen Niels Giffey zu tun. Es war also eine gute Entscheidung auf ihn zu hören?
Napier: Ja, auf jeden Fall. Es war zu 100 Prozent die richtige Entscheidung. Es war eine super Gelegenheit wieder mit Leuten zusammenzuspielen, mit denen es mir immer Spaß gemacht hat. Hier habe ich dann eine super Truppe getroffen. Ich komme mit jedem aus. Bisher ist es eine fantastische Erfahrung.