Hat die Wrestling-Liga WWE bei der Großveranstaltung TLC (Tables, Ladders & Chairs) nicht gut genug auf eine gefährliche Kopfverletzung reagiert? Beunruhigende Szenen im Hauptkampf zwischen Becky Lynch und Charlotte Flair sowie den Kabuki Warriors Asuka und Kairi Sane legen diesen Eindruck stark nahe.
WWE bei TLC-Hauptkampf fahrlässig
Die Japanerin Sane wirkte in den letzten Kampfminuten schwer benommen, Symptome einer Gehirnerschütterung schienen erkennbar. Das Match um die Women's Tag Team Titles der Showfight-Liga allerdings ging weiter und Sane steckte noch einige harte Aktionen ein.
In US-Fachmedien wird deshalb herbe Kritik an der Liga geübt. Der Wrestling Observer spricht von einer "sehr enttäuschenden und gefährlichen" Behandlung der Situation.
Hatte Kairi Sane eine Gehirnerschütterung?
Die genaue Ursache für Sanes Verletzung ist nicht völlig klar: Fans mutmaßten zunächst, dass die 31 Jahre alte Japanerin von einem Monitor am Kopf getroffen wurde - sowohl Flair als auch Lynch hatten einen ihre Richtung geworfen, als sie einen der Kommentatorentische für eine geplante Aktion frei räumten. Ein im Netz aufgetauchtes Fanvideo scheint diese Theorie jedoch widerlegt zu haben.
Sane steckte in dem Kampf einige Aktionen gegen den Kopf ein, unter anderem einen Suplex von Flair gegen die (gepolsterte) Ringabsperrung. Sie wirkte spätestens ab dem Moment orientierungslos, ab dem sie bei einer Flugaktion vom Ringrand auf einen außerhalb des Rings liegenden Tisch unglücklich aufkam. Sane torkelte danach heftig, es schien sich nicht mehr um "Selling" zu handeln, das realistische Verkaufen der Show-Aktionen, sondern um reale Schmerzen.
Trotzdem ging das Match noch minutenlang weiter, Sane wurde von Flair unter anderem auch noch mit einer Powerbomb durch einen präparierten Tisch geschleudert, wobei sie mit Rücken und Kopf zu Boden krachte. Es fiel auf, dass Sane bei der Aktion nicht im üblichen Maße mitging.
Erst danach schien allen Kampfteilnehmerinnen klar zu sein, dass es Sane heftig erwischt hatte, in der Folge wurde sie von ihren Gegnerinnen merklich schonend behandelt. Dennoch ist mit Blick auf Sanes Symptome klar: Sie hätte zumindest für den Rest des Kampfes aus dem Spiel genommen und ärztlich behandelt werden müssen, um ihre Gesundheit zu schützen.
Charlotte Flair wurde nicht aufgehalten
Obwohl sich die Kritik vieler Fans im Netz auf Lynch und vor allem Flair konzentrierte: Verantwortlich sind letztlich nicht die adrenalingetränkten Teilnehmerinnen des Matches, sondern die ausführenden Producer hinter den Kulissen sowie die für die Sicherheit der Kämpferinnen und Kämpfer mit zuständigen Ringrichter, die das Geschehen weiterlaufen ließen.
Die Tochter von Legende Ric Flair schien in dem Moment, in dem sie Sane die gefährliche Powerbomb verpasste, gar nicht im Bilde über Sanes Zustand zu sein und dass es zwingend gewesen wäre, von der vorgeplanten Choreographie abzuweichen.
Dem Observer zufolge saß beim TLC-Hauptkampf Paul Heyman, der Exekutivdirektor des RAW-Kaders, in der "Gorilla Position"- Ligachef Vince McMahon und Talentvorstand Paul Levesque (Triple H) seien anderweitig eingespannt gewesen.
Bret Hart, Daniel Bryan und andere warnende Beispiele
Wie gefährlich es ist, einen Wrestler mit einer potenziellen Gehirnerschütterung weiter kämpfen zu lassen, ist wohl dokumentiert, nicht erst durch die "Concussion Crisis" (in der sich der frühere WWE-Star Chris Nowinski als Aktivist und Aufklärer profiliert hat): Am Donnerstag etwa jährt sich zum 20. Mal das verhängnisvolle Match zwischen Bill Goldberg und Bret Hart, in dem Legende Hart durch einen missglückten Tritt Goldbergs eine Gehirnerschütterung erlitt und durch diverse weitere Aufpralle schwere Folgeschäden erlitt.
Hart erkrankte nach dem Match mit Goldberg (der sich wenige Tage danach selbst durch einen Schlag in ein Autofenster schwer verletzte) am so genannten "Post Concussion Syndrome" und musste seine Karriere beenden. 2002 erlitt er nach einem Fahrradunfall einen Schlaganfall, auch hier wird ein Zusammenhang zu der Vorschädigung vermutet.
Weitere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit sind die schwere Gehirnerschütterung des Undertaker in seinem WrestleMania-Match gegen Brock Lesnar 2014 oder die des noch immer aktiven Goldberg in seinem Match gegen den Taker in Saudi-Arabien in diesem Jahr. Auch diese Matches wurden jeweils nicht abgebrochen.
Auch die langwierigen gesundheitlichen Probleme des oft von Gehirnerschütterungen betroffenen Daniel Bryan sind eine Mahnung, ebenso mehrere Diagnosen der gefürchteten Gehirnkrankheit CTE bei verstorbenen Wrestlern wie Chris Benoit (der 2007 seine Frau, sein Kind und sich selbst umbrachte) und Andrew "Test" Martin.
Fragwürdiges Lob auf Twitter
Mit diesen und zahlreichen anderen warnenden Beispielen im Kopf wirkt befremdlich, dass Lynch und Flair Sane bei Twitter öffentlich als "wahre Kriegerin" und "bad ass woman" feierten - und damit das unvernünftige Verhalten aller Beteiligten indirekt rechtfertigten und bestärkten. Auch die selbst früh zur Sportinvalidität verdammte Paige - bis vor kurzem Managerin der Kabuki Warriors - lobte Sane für ihr Durchhalten.
Was bei Sane erschwerend hinzukommt: Sie ist vorbelastet und hat im Lauf ihrer Karriere schon mehrere Gehirnerschütterungen erlitten, unter anderem beim Mae-Young-Classic-Turnier, bei dem sie 2017 ihr WWE-Debüt gefeiert hatte.
Sane fehlte am Tag nach TLC bei der TV-Show Monday Night RAW, eine Diagnose, was ihr fehlt, machte WWE bis jetzt nicht öffentlich.