Joachim Löw war stinksauer. Selbst das gelungene Comeback seines Kapitäns Manuel Neuer konnte die Laune des Bundestrainers nicht aufhellen.
Deutschland verpatzt WM-Casting
"Wenn wir so spielen, haben wir in Russland keine Chance", sagte Löw klar und deutlich nach der 1:2 (1:0)-Niederlage von Weltmeister Deutschland in Klagenfurt gegen Österreich. 15 Tage vor dem ersten Turnierspiel bei der Mission Titelverteidigung in Moskau gegen Mexiko ist die Stimmung gedrückt.
Die zweite Pleite in Folge und das fünfte Match in Serie ohne Sieg für den Weltranglistenersten hatte einen Tag vor dem Besuch der Kanzlerin im deutschen Trainingslager in Südtirol bei dem 58-Jährigen Spuren hinterlassen (SERVICE: WM-Spielplan).
Löw lobt Neuer
Das Statement des Bundestrainers zu seiner Nummer eins, die der einzige Lichtblick in einer schwachen Mannschaft war, fiel entsprechend knapp aus: "Das war ein gutes Comeback von Manuel Neuer nach so langer Zeit. Er hat ein, zwei Bälle prima pariert." Insgesamt gebe es aber "eine Menge aufzuarbeiten. Wir lassen uns aber nicht verrückt machen und bleiben ruhig", sagte Löw im ZDF (Die Stimmen zum Spiel).
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Positiv in diesem misslungenen Test war einzig, dass Neuer nach 259 Tagen Zwangspause in der DFB-Auswahl eine überzeugende Vorstellung bot, sodass einer Nominierung des 32-Jährigen für die WM-Endrunde in Russland wohl nichts mehr im Wege steht. "Wir werden am Sonntag noch mal mit ihm sprechen und dann unsere Entscheidung treffen", sagte der Bundestrainer, der auch von "weiteren Erkenntnissen" sprach.
Wackelkandidaten schwach
Der Freiburger Stürmer Nils Petersen, den Löw überraschend in das vorläufige Aufgebot berufen hatte, konnte im Kampf um ein WM-Ticket bei seiner Länderspielpremiere ebenso wenig Pluspunkte sammeln wie die weiteren Wackelkandidaten Julian Brandt und Sebastian Rudy. Jonathan Tah kam nicht zum Einsatz.
Am Montag muss Löw der FIFA seinen 23er-Kader für das Turnier in Russland (14. Juni bis 15. Juli) melden, vier Spieler aus dem vorläufigen Aufgebot müssen somit noch gestrichen werden und zu Wochenbeginn die Heimreise antreten.
Reus feiert Comeback
Nach dem nur in der ersten Hälfte ordentlichen Auftritt seiner Mannschaft vor 29.200 Zuschauern im Wörthersee Stadion, wo der zunächst starke Mesut Özil (11.) die Gäste früh in Führung geschossen hatte, enttäuschte die DFB-Auswahl vor allem nach der Pause.
"Wir haben in der ersten Halbzeit ganz gut gespielt, nach der Pause aber keinen Fußball mehr gespielt. Heute hat das Spiel gezeigt, dass wir noch einiges zu tun haben", sagte Marco Reus nach dem Spiel beim ZDF. Der Dortmunder hatte in der 67. Minute nach 795 Tagen Nationalmannschaftspause sein Comeback in der DFB-Auswahl gegeben.
Neuer mit guten Reflexen
Gegen Österreich, das auch das fünfte Spiel unter seinem deutschen Trainer Franco Foda gewann und seinen ersten Sieg gegen den Erzrivalen seit 32 Jahren feierte, stand aber vor allem Neuer im Mittelpunkt. Nach achteinhalbmonatiger Verletzungspause agierte der Bayern-Keeper offensichtlich ohne Probleme. Neuer zeigte an seinem "Tag der Wahrheit" starke Reflexe, eine gute Strafraumbeherrschung, hatte auf dem glitschigen Rasen nur einmal bei der Spieleröffnung leichte Schwierigkeiten.
Seine stärksten Szenen hatte Neuer in seinem 75. Länderspiel in der 32. Minute, als er klasse gegen Florian Grillitsch von 1899 Hoffenheim parierte, und in der 54. Minute. Mit einem starken Reflex verhinderte er gegen Marko Arnautovic einen Rückstand seiner Mannschaft, nachdem er 60 Sekunden zuvor beim Ausgleich von Martin Hinteregger (FC Augsburg) ebenso wie beim zweiten Gegentreffer von Alessandro Schöpf (69.) machtlos gewesen war. Jonas Hector sah beide Male schlecht aus.
Özil trifft zur Führung
Ohne die Münchner Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng, die aus unterschiedlichen Gründen in Südtirol geblieben waren, bestimmten die Gäste nur die erste halbe Stunde das Geschehen. Özil überwand in seinem 90. Länderspiel mit einem präzisen Schuss von der Strafraumgrenze Österreichs Torwart Jörg Siebenhandl zum 1:0. Für Özil war es der 23. Treffer im DFB-Dress.
Drei Minuten später musste Neuer erstmals nach einem Schuss des Schalkers Schöpf eingreifen. Kurz darauf verpasste der Leverkusener Brandt um Haaresbreite das 2:0. Neuer vereitelte dann nach einer guten halben Stunde Österreichs erst gute Gelegenheit durch Grillitsch.
Viele Ballverluste
Auf der anderen Seite verpufften die deutschen Konter frühzeitig, da die Zuspiele oft beim Gegner landeten. Der Zustand des Rasens mag ein Grund dafür gewesen sein. Nach einem heftigen Unwetter in Klagenfurt mit Starkregen und Hagel hatte das Spiel 103 Minuten später als geplant angepfiffen werden müssen.
Nach der Pause agierte der Weltmeister dann unkonzentriert und fahrig. Österreich übernahm mehr und mehr das Kommando. Nachdem Neuer zunächst gegen seinen Münchner Vereinskollegen David Alaba zur Stelle war, hatte er bei Hintereggers Direktschuss keine Chance. In der Folge konnten sich Neuer und seine Vorderleute über Arbeit nicht beklagen. Schöpf fand dann eine weitere Lücke in der deutschen Hintermannschaft und brachte Austria verdient in Front.
Am kommenden Freitag steht in Leverkusen die WM-Generalprobe des Titelverteidigers gegen Saudi-Arabien auf dem Programm.