Diese Champions-League-Nacht kann getrost als historisch bezeichnet werden!
Kommentar: Nun muss Bayern veredeln
Der 8:2-Sieg des FC Bayern über den FC Barcelona stellt viele denkwürdige Erfolge deutscher Mannschaften im Europapokal in den Schatten und wird in seiner Bedeutung für den Fußball hierzulande nur vom 7:1 der deutschen Nationalmannschaft gegen WM-Gastgeber Brasilien im Jahr 2014 übertroffen. Damals folgte in Rio der Titel.
Nicht wenige Experten und Fans glauben nun fest daran, dass die Bayern ebenfalls mit einer Trophäe den Heimweg antreten werden. Und auch ich halte den deutschen Rekordmeister seit vorgestern für den Top-Favoriten auf die Krone Europas.
Flick hat die menschliche Wärme von Heynckes
Was wir vorgestern erlebt haben, war vielleicht die Geburtsstunde einer großen Mannschaft, die eine neue Ära begründen wird. Diese Kombination aus erfahrenen Profis wie Manuel Neuer, Thomas Müller und Robert Lewandowski und jungen, hungrigen Spielern wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Alphonso Davies, Nikas Süle und anderen, hat alles, was man für den Champions-League-Titel braucht.
Mit Hansi Flick sitzt zudem ein Mann auf der Bank, der neben seiner taktischen Expertise die menschliche Wärme eines Jupp Heynckes ausstrahlt und – obwohl er selbst kein Weltklasse-Spieler war – genau weiß, wie man mit großen Namen umgehen muss.
Obendrein haben sich die Bayern mit Leroy Sané spektakulär verstärkt. Der Umbruch – der sich trotz der vielen nationalen Titel lange genug hingezogen hat – ist vollbracht. Den Fans des Rekordmeisters stehen erfolgreiche Jahre bevor.
Double ist den Bayern zu wenig
Doch bei aller Euphorie dürfen die Bayern jetzt nicht überschnappen. Denn auch wenn es sich abgedroschen anhört: Noch ist nichts gewonnen und das Halbfinale gegen Olympique Lyon beginnt wieder beim Stand von 0:0.
Große Mannschaften holen auch große Titel – die Meisterschaft und der Pokal sind dem FC Bayern in seinem Selbstverständnis als europäischer Spitzenklub zu wenig. Das ist Fakt.
Und auch hier hilft der Blick auf das 7:1 der Nationalelf gegen Brasilien: Hätte Joachim Löw mit seinem Co-Trainer Flick danach den WM-Titel nicht geholt, der Erfolg gegen die Selecao wäre nicht zu einem solchen deutschen Fußball-Mythos geworden.
So wie ich Flick kennengelernt habe, wird er die Ruhe bewahren und bescheiden bleiben. Er ist Perfektionist. Obwohl seine Mannschaft schon längst auf der Siegerstraße war, korrigierte er bis zur letzten Spielminute jeden noch so kleinen Fehler seiner Profis. Auf seiner Jagd nach dem perfekten Spiel wird er bei der Analyse des Spiels gegen ein überaltertes Barca sicherlich noch Stellschrauben finden, an denen er drehen muss.
Das historische 8:2 ist bislang "nur" ein Versprechen – im Halbfinale (und danach im Finale) muss sich zeigen, dass es mehr war, als ein großartiger Abend, sondern die Geburtsstunde einer großen Mannschaft, die einen bayerischen Fußball-Mythos geschaffen hat.