Die Klatsche von Borussia Dortmund beim FC Bayern war auch eine Klatsche für Trainer Lucien Favre.
Favre hat sich verzockt
Auch wenn dessen Kollege Niko Kovac nach der Partie beklagte, die Trainer seien sowieso immer an allem Schuld: In diesem konkreten Fall trug die Niederlage auch die Handschrift des BVB-Coachs.
Natürlich ist es unmöglich zu sagen, ob das Spiel anders gelaufen wäre, wenn Favre anders aufgestellt und eingestellt hätte. Aber während Kovac rund um dieses Spitzenspiel kämpferisch auftrat, strahlte Favres Aufstellung eine gewisse Mutlosigkeit aus.
Mit seinen Personalentscheidungen überraschte er - womöglich sogar die eigenen Spieler. Marco Reus musste als Sturmspitze ran ("Dass das nicht meine Lieblingsposition ist, ist bekannt"). Mario Götze, zuletzt in guter Form, musste auf die Bank. Mo Dahoud tauchte stattdessen auf der Reus-Position hinter der Spitze ab.
Zwar nahm Reus seinen Coach in Schutz und bemängelte insgesamt den Einsatz der Elf auf dem Platz. Dass Favre mit der Aufstellung seinen Schlüsselspieler verschenkte, zeigt sich aber in den Zahlen. Reus hatte ganze 30 Ballkontakte, gewann nur drei seiner 13 Zweikämpfe und schoss nicht ein Mal aufs Tor.
Da die Bayern hinten nichts zu befürchten hatten, bauten sie in der ersten Halbzeit fast unmenschlichen Druck auf die angeschlagene BVB-Abwehr auf. Man habe viel zu weit hinten drin gestanden, erklärte Reus. Der Weg zum Bayern-Tor sei dadurch enorm weit gewesen, es habe kaum eine Möglichkeit gegeben, sich aus dem Druck zu befreien. Eine Aufgabe, die Zweitligist Heidenheim in dieser Woche deutlich besser löste, als der bislang in dieser Saison so hinreißende BVB.
Dass Favre zudem Lukasz Piszczek keinen wirklichen Gefallen damit tat, ihn nach acht Wochen Verletzungspause direkt zum Liga-Gipfel wieder aufzubieten, war auch schnell zu sehen. Der Geschwindigkeit von Kingsley Coman hatte Piszczek nichts entgegenzusetzen. Wie denn auch? Das Kalkül, dass seine Erfahrung die Defensive stabilisieren könnte, erfüllte sich nicht. Verzockt eben.
Dass sich die Bayern nach Aussage von Coach Kovac ganz explizit Dan-Axel Zagadou als Schwachpunkt ausgeguckt hatten und perfekt auf die Schwäche des BVB bei Standard-Situationen (sechs der letzten 13 Gegentore fielen so) vorbereitet waren, machte den Punktsieg im Trainerduell perfekt.
"Nach dem Spiel ist es leicht zu sagen, dass Reus keine gute Idee war. Ich weiß nicht, ob wir gewonnen hätten, wenn wir anders gespielt hätten", sagte Favre nach der Partie. Völlig richtig, das weiß niemand.
Damit die Titelträume der Borussia-Fans weiterleben können, ist jetzt entscheidend, dass sich der Schweizer darüber nicht zulange den Kopf zerbricht. Denn das ist letztlich der Silberstreif für den BVB nach einem schwarzen Abend: Die Meisterschaft ist durch diese Niederlage noch lange nicht entschieden.
Noch kann es etwas werden mit der Ehrenrunde um den Borsigplatz. Dafür müssen sich aber alle gewaltig steigern in den kommenden Wochen. Von der Mannschaft bis zum Trainer.