Die letzte Linkskurve vor der Traverse, dann noch einmal rechts in den Zielhang und mit über 120 km/h über den Zielsprung. Wer es ohne Sturz bis nach unten schafft, wird von den über 40.000 Zuschauern als Held gefeiert - zumindest wenn nicht gerade Corona das Leben bestimmt wie 2021.
Streif: Auch Legenden zerbrachen
Die Rede ist von der berühmt-berüchtigten Streif, der schwersten Abfahrt der Welt. Thomas Dreßen hat es 2018 unbeschadet nach unten geschafft - aber nicht nur das. Der Deutsche hat auf der Streif sensationell gewonnen und für den größten Triumph seiner Karriere gesorgt. Wem ein Sieg gelingt, dessen Name wird an die Gondel des Skigebietes gemalt.
Seinen Mega-Coup kann der Mann aus Garmisch-Partenkirchen am Wochenende jedoch nicht wiederholen, da er verletzungsbedingt passen muss. (Ski Alpin: Abfahrt der Herren, ab 11.30 Uhr im SPORT1-Liveticker).
Doch zwischen Podest und Akia liegt in Kitzbühel ein schmaler Grat. Man muss von der ersten bis zur letzten Fahrsekunde aufmerksam sein, sonst bleibt einem der Weg ins Krankenhaus nicht erspart.
SPORT1 schildert die heftigsten Unfälle auf der legendären Rennstrecke:
Klaus Gattermann, 1985:
Vor mehr als 30 Jahren sind die Rennfahrer kaum langsamer unterwegs als heute. Das bekommt der deutsche Skirennfahrer Klaus Gattermann zu spüren, der durch einen Schlag an der Hausbergkante die Kontrolle verliert und bis zum Fangzaun rutscht. Helfer sind sofort zur Stelle. Die Diagnose: Nasenbeinbruch und eine schwere Gehirnerschütterung.
Todd Brooker, 1987:
Der Kanadier Todd Brooker gewinnt 1983 noch die Abfahrt auf der Streif, bevor ihn die Piste vier Jahre später brutal abwirft. Wie eine Puppe wird er nach einem Überschlag den Zielhang hinunter geschleudert. Wegen einer schweren Knieverletzung muss er seine Karriere beenden.
Chad Fleischer, 1995:
Chad Fleischer ist sich nach eigener Aussage ziemlich sicher, das Rennen im Januar in Kitzbühel zu gewinnen. Doch wie so vielen Fahrern wird auch ihm der Zielhang zum Verhängnis. Beim Aufprall wirken solch enorme Kräfte, dass seine Skier zerreißen.
Patrick Ortlieb, 1999:
Patrick Ortlieb hält sich nach seinem Sturz an der Hausbergkante am 21. Januar den rechten Oberschenkel. Leider bestätigen sich alle Befürchtungen. Bei Ortlieb wird ein Trümmerbruch im rechten Oberschenkel diagnostiziert. Der Olympiasieger muss seine Karriere nach dem Sturz vorzeitig beenden.
Jeff Hume, 2004:
Der Kanadier Jeff Hume hat bei seinem schweren Sturz am 24. Januar Glück im Unglück. Er zieht sich eine Gehirnerschütterung, eine Brustprellung und Schnittwunden zu und bleibt für eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus.
Thomas Graggaber, 2005:
Ein Sturz auf der Streif leitet leider das Karriereende des Österreichers Thomas Graggaber ein. Der Aufprall ist so hart, dass ein Serienbruch der Rippen diagnostiziert wird. Außerdem verletzt er sich an der Schulter und Lunge. Graggaber kann die Strecke zwar mit Hilfe des Rennarztes und eines Streckenpostens verlassen, wird aber nie mehr als professioneller Rennfahrer starten.
Patrick Hinterseer, 2008:
Vorläufer Patrick Hinterseer kommt während des ersten Abfahrtstrainings bei einem Sprung massiv in Rücklage. Die Folge: Die Ski wandern immer höher - und am Ende landet Hinterseer auf dem Rücken. Von den Ärzten werden Verletzungen des sechsten und siebenten Brustwirbels diagnostiziert.
Scott Macartney, 2008:
Der US-Amerikaner Scott Macartney gerät während der Landung in arge Rücklage und kann einen Sturz nicht mehr vermeiden. Macartney wird im Universitätsklinikum in Innsbruck in ein künstliches Koma versetzt - und das auch noch an seinem Geburtstag.
Ironie des Schicksals: Die Menge setzt gerade zu einem Geburtstagsständchen an, als Macartney stürzt. Er bleibt bewusstlos auf der Piste liegen. Wo vorher noch 42.000 Zuschauer sangen, ist es nun totenstill. Entwarnung gibt es erst einen Tag später: Macartney erwacht aus dem künstlichen Koma und soll sich als erstes nach seiner Zeit erkundigt haben.
Andreas Buder, 2008:
Mit nur einem Ski landet Andreas Buder während des Trainings auf der Piste. Die Kompression ist selbst für einen Skiprofi zu viel. Er kann dem Druck nicht standhalten und schießt in die Fangzäune. Buder muss mit einem Helikopter in die Klinik geflogen werden. Sein rechter Schienbeinkopf ist gebrochen und zwingt ihn zu einer sechsmonatigen Pause.
Daniel Albrecht, 2009:
Der Horrorsturz von Daniel Albrecht am 22. Januar lässt einem das Blut in den Adern gefrieren. Während des Trainings stürzt der Schweizer nach dem Zielsprung und landet 70 Meter später mit dem Rücken auf der betonharten Piste. Albrechts Ski werden ihm förmlich von den Skischuhen gerissen und zerbrechen in ihre Einzelteile. Es ist einfach unglaublich, welche Kräfte hier wirken.
Der Schweizer liegt danach drei Wochen im künstlichen Koma. Die Diagnose: Schädel-Hirn-Trauma und eine Lungenquetschung. Albrecht startet nach langer Rehabilitation 22 Monate später sogar wieder bei einem Skirennen.
Hans Grugger, 2011:
Einer der schlimmsten Stürze auf der Streif. Schon kurz nach dem Absprung in die Mausefalle verdreht sich Hans Grugger in der Luft. Grugger knallt wie ein Stein auf die Piste und bleibt nach dem Trainingsunfall bewusstlos auf der Strecke liegen. Er erleidet ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.
Marc Gisin, 2015:
Am 23. Januar ereignet sich ein weiterer schwerer Sturz auf der Streif. Wieder ist es die Hausbergkante, die einem Rennfahrer zum Verhängnis wird. Marc Gisin aus der Schweiz kommt nach dem Sprung auf der Piste auf und überschlägt sich mehrfach. Er wird sofort nach Innsbruck geflogen. Dort diagnostizieren die Ärzte ein Schädel-Hirn-Trauma und Brustverletzungen.
Georg Streitberger, 2016:
2016 entwickelt sich zum absoluten Horror-Jahr. Mit am schwersten erwischt es die Österreicher Georg Streitberger und Hannes Reichelt, die beide an der gleichen Stelle in den Fangzaun krachen. Streitberger muss mit dem Helikopter ins Krankenhaus gebracht werden. Diagnose: Kreuzbandriss im rechten Knie, dazu sind auch Seiten- und Innenband gerissen.
Hannes Reichelt, 2016:
Wenig später verliert auch Reichelt die Kontrolle und schlittert über die Piste in den Fangzaun. Nach bangen Augenblicken kommt der zweite Österreicher aus eigener Kraft auf die Beine. Auch für Reichelt geht es mit dem Heli in die Klinik, eine Vorsichtsmaßnahme. Außer Kopfschmerzen hat er keine offensichtlichen Verletzungen davongetragen. Diagnose: Knochenstauchung im linken Knie.
Aksel Lund Svindal, 2016:
Nach Streitberger und Reichelt erwischt es kurze Zeit später auch Aksel Lund Svindal - den 100-Kilo-Mann, der ohne Airbag durch die Luft wirbelt. Streckenposten helfen dem Norweger nach seinem heftigen Crash auf. Der Norweger hebt den Arm und signalisiert den Zuschauern damit, dass es ihm gut geht. Später erhält er dann die Schockdiagnose: Kreuzband- und Meniskusriss im rechten Knie.
Bis heute leidet er unter den Folgen, ein Comeback-Versuch scheitert nach wenigen Rennen. 2019 beendet er seine Karriere.
Otmar Striedinger, 2017:
Schon im ersten Training erwischt es den nächsten Waghalsigen. Otmar Striedinger wird ein Bindungsbruch auf eisigem Untergrund zum Verhängnis. Ein Cut im Oberschenkel und ein Nasenbeinbruch hindern ihn jedoch nicht am Start bei Super-G und Abfahrt.
Florian Scheiber, 2017:
Im Training stürzt der Österreicher Florian Scheiber an der Hausbergkante. Der Tiroler fliegt nach dem Sprung in die Fangnetze. Dabei zieht er sich einen Kreuzbandriss sowie Meniskusrisse im rechten Knie zu.
Johan Clarey, 2018:
Beim Sieg des Deutschen Thomas Dreßen erleben gleich drei Rennteilnehmer dramatische Momente: Der Italiener Christof Innerhofer, der US-Amerikaner Jared Goldberg und der Franzose Johan Clarey stürzen.
Vor allem der Crash von Clarey sieht übel aus: Erst das zweite Fangnetz kann ihn aufhalten, nachdem er am Zielhang die Kontrolle über seine Skier verliert. Schwere Verletzungen erleidet er zum Glück nicht.
Jared Goldberg, 2018:
Goldberg verliert in der Traverse die Bodenhaftung. Auch er fliegt spektakulär ab und hat Glück im Unglück.
Christof Innerhofer, 2018:
An gleicher Stelle erwischt es auch Innerhofer, der sich allerdings abfedern und einen Abflug verhindern kann.
Alex Köll, 2019:
Der Sieg von Dominik Paris wird von einem schweren Sturz überschattet. Alex Köll muss nach seinem Abflug im Zielhang mit dem Hubschrauber abgeholt werden. Der Schwede verliert in einer Rechtskurve die Kontrolle und knallt kurz vor dem berüchtigten Zielsprung der Streif böse auf die eisige Piste.
Zunächst liegt Köll bewegungslos da und lässt etwas ganz Schlimmes befürchten. Bei seinem Abtransport ist er allerdings bei Bewusstsein - er erleidet keine schweren Verletzungen.