Keinem Geringeren als dem großen Wayne Gretzky himself, dem Übervater aller Eishockeyspieler, war es vorbehalten, das einstige deutsche Wunderkind per Videoanruf nun auch ganz offiziell in den sportlichen Olymp zu erheben.
So viel Gretzky steckt in Draisaitl
Und natürlich genoss Leon Draisaitl diese Sternstunde seiner bisher so unglaublich verlaufenden Karriere in vollen Zügen, wie auch die Superlativen seines Arbeitgebers.
"The Best of the Best from the Best", twitterten die Edmonton Oilers, nachdem ihr Starspieler zum besten Akteur der NHL-Hauptrunde gekürt worden war und damit Historie geschrieben hatte.
Erstmals ist in Person von Draisaitl ein deutscher Eishockey-Crack der MVP in der NHL - im Rennen um die dazugehörige Hart Memorial Trophy behauptete sich der Kölner gegen Nathan MacKinnon (Colorado Avalanche) und Artemi Panarin (New York Rangers).
Draisaitl macht es Nowitzki gleich, aber...
Auch die Auszeichnung der Spielergewerkschaft NHLPA (Ted Lindsay Award) für den herausragenden Profi der regulären Saison ging an Draisaitl - und damit ebenfalls erstmals an einen Deutschen.
Geschichtsträchtig, herausragend, einzigartig - und damit nicht genug: Nach dem früheren Basketball-Superstar Dirk Nowitzki ist Draisaitl obendrein erst der zweite Deutsche, der in einer nordamerikanischen Liga zum besten Spieler gewählt wurde.
"Dirk ist jemand, zu dem ich aufschaue. Es ist eine große Ehre, dass ich mit ihm in einer Reihe stehe", sagte der 24 Jahre alte Center denn auch ergriffen.
So weit, so großartig - und doch weiß Draisaitl selbst: Um ein ganz, ganz Großer zu werden, so wie Nowitzki als NBA-Champion mit den Dallas Mavericks (2011), oder eben Gretzky, fehlt ihm nach wie vor eines: ein ganz großer Titel. Der da heißt: Stanley Cup.
Stanley Cup steht für Draisaitl über allem
Die monströse Silber-Trophäe, die "The Great One" mit den Oilers gleich viermal holte (1984, 1985, 1987, 1988), ist für Draisaitl Antriebsfeder und Bürde zugleich.
Sie als nächster Deutscher zu gewinnen wie Uwe Krupp (1996 mit Colorado Avalanche / 2002 Detroit Red Wings), Dennis Seidenberg (2011 Boston Bruins), Tom Kühnhackl (2016 Pittsburgh Penguins) und Philipp Grubauer (2018 Washington Capitals), ordnet Draisaitl alles unter - auch im Moment des MVP-Glücks.
Es gebe "Nichts, was vor dem Stanley Cup kommt", sagte der Sohn von Ex-Nationalspieler Peter Draisaitl (zuletzt Cheftrainer bei den Kölner Haien 2019): "Wenn ich diese beiden Auszeichnungen für den Stanley Cup zurückgeben könnte, würde ich das sofort tun."
Das frühe Aus gegen die Chicago Blackhawks in der Qualifikationsrunde für die Playoffs (Draisaitl: "Der MVP-Titel macht es nicht wieder gut") wirkt noch immer nach - und der Weg zum endgültig Eishockey-Nowitzki, vor allem aber zum besten Erben Gretzkys erscheint nach wie vor lang.
Frühes Playoffs-Aus ärgert Draisaitl
"Mein Ziel ist es, am Ende meiner Karriere den Stanley Cup zu gewinnen", so Draisaitl, offenbar im Wissen, dass die mühsame Titel-Reise trotz seines kometenhaften Aufstiegs in der NHL seit 2014, als ihn die Oilers an dritter Stelle im Draft auswählten, noch andauern wird.
Womöglich ist sie gar nur über den Wechsel in ein anderes Team zu realisieren. Denn so spektakulär die Offensive der Oilers mit Draisaitl und Kapitän Connor McDavid auch ist - defensiv hapert es bei der Franchise enorm. Anders als zu Zeiten Gretzkys, der den MVP-Titel von 1980 bis 1987 übrigens gleich achtmal in Folge gewann.
"The German Gretzky", gesegnet mit dem Talent von einem unter Millionen, in Deutschland und nun auch in den USA zum Gesicht seiner Sportart aufgestiegen, reicht an das Original noch längst nicht heran.
Ungeachtet seines Status als NHL-Topscorer mit 110 Punkten (43 Tore, 67 Assists); obwohl Draisaitl nach dem Abbruch der regulären Saison infolge der Pandemie bereits als erster Deutscher die Art Ross Trophy als bester Punktesammler eingesackt hatte.
Zum Vergleich: Mit insgesamt 2857 Punkten (894 Tore, 1963 Assists) in 1487 Spielen der regulären Saison führt Gretzky noch immer die NHL-Statistiken ab, dominiert zudem mit vielen Einzelrekorden.
Als einziger NHL-Spieler erzielte der Kanadier mehr als 200 Scorerpunkte in einer regulären Saison - und das gleich vier Mal. Dazu kommt die Bestmarke von 92 Toren in einer regulären Saison als auch der Rekord von 215 Punkten.
Sphären, in die Draisaitl erst noch aufsteigen muss, wenngleich auch er bereits manchen Meilenstein gesetzt hat wie in der Saison 2018/'19, als er 50 Tore erzielte. Wohlgemerkt erst als fünfter Oilers-Spieler in der Geschichte und Erster seit - wem sonst?! - Gretzky und Jari Kurri in der Saison 1986/'87.
Nowitzki über Draisaitl: "Seine Grenze ist der Himmel"
Nowitzki hatte Draisaitl im Juni nach dessen eindrucksvoller Saison mit Blick auf den näherrückenden MVP-Titel mit auf den Weg gegeben: "Seine Grenze ist der Himmel, denn er ist erst 24 Jahre alt und wird weiter an sich arbeiten."
Um als Stanley-Cup-Gewinner mit Gretzky am Ende vielleicht doch auf Augenhöhe zu sein.