Mino Raiola ist kein Mann, der irgendetwas einfach so dahinsagt.
Raiolas Kriegserklärung an den BVB
Wenn der italienische Star-Berater aus der Stadt Nocera Inferiore bei Neapel eine öffentliche Wortmeldung vollzieht, steckt dahinter immer ein Plan - ein Plan, als dessen Endziel in der Regel ein neuer Multi-Millionen-Regen für seine Klienten vorgesehen ist.
Das von ihm befeuerte Transfertheater, mit dem er vor fünf Jahren Juventus Turin und Manchester United in den 105-Millionen-Rekordtransfer von Paul Pogba trieb, war in gewisser Weise ein Meisterwerk der Geschäftskunst (So viel kassierte Mino Raiola beim Pogba-Deal).
Mit entsprechend großer Aufmerksamkeit registrieren sie bei Borussia Dortmund nun, wie der in den Niederlanden aufgewachsene 53-Jährige bei einem anderen Klienten in die Offensive geht: Erling Haaland.
SPORT1 ordnet ein, was Raiola mit seinen Aussagen bezweckt - und was sie hinter den BVB-Kulissen ausgelöst haben.
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"Oh nein, lass uns nach Dortmund gehen"
"Bei Haaland hat sich jeder geirrt. Er hat alles so viel schneller bewältigt als jeder es gedacht hatte. Haaland ist in Sachen persönlicher Entwicklung seiner Zeit voraus", übermittelte Raiola dem weltweit gelesenen Portal The Athletic in einem Zoom-Call: "Vielleicht war ich zu vorsichtig, als ich sagte: 'Oh nein, lass uns nach Dortmund gehen anstatt irgend woanders hin.'"
Oh nein, gehen wir mal lieber nur nach Dortmund: Die freundlichste Art, über einen Geschäftspartner zu sprechen, ist das nicht. Und die BVB-Verantwortlichen - die die Methode Raiola aus den Verhandlungen über Henrikh Mkhitaryan bestens kennen - haben das auch nicht so verstanden.
Von einer "Kriegserklärung" ist die Rede - und der Erwartung, dass sie nur der erste Schritt ist: Raiola pokert um den nächsten großen Deal für den 20 Jahre alten Norweger und die BVB-Führung rechnet mit einem Thema, das sie bis in den Sommer begleiten wird.
Dass diese Unruhe früher oder später ausbrechen würde, überrascht die Bosse nicht grundsätzlich. Sie kommt nur schon etwas früher, als auch sie es bei der Verpflichtung Haalands im Januar 2020 prognostiziert hätten.
BVB will Erling Haaland halten - auch als Signal der Stärke
Das Tempo, in dem der damals 20 Millionen Euro teure Haaland sich zum Weltstar entwickelt hat, hat letztlich alle überrascht. Dass Raiola nun vorprescht und seinen Klienten recht unverhohlen wieder ins Regal stellt, wird in Dortmund aufmerksam registriert - aber ohne Panik: Es ist ja auch bei weitem nicht das erste Mal, dass einer ihrer Topstars Begehrlichkeiten weckt.
Am von Klubboss Hans-Joachim Watzke und Manager Michael Zorc oft kommunizierten Standpunkt, dass der BVB Haaland (Vertrag bis 2024, Ausstiegsklausel ab 2022) halten will, hat sich nichts geändert.
Seine sportliche Entwicklung hat sie eher noch bestärkt in dem Gedanken, ihn nicht ziehen zu lassen - auch um die eigenen sportlichen Ambitionen zu unterstreichen und ein entsprechendes Signal der Stärke zu senden. Ähnlich wie es im vergangenen Sommer bei der Bekanntgabe der heimlichen Vertragsverlängerung mit dem heiß umworbenen Jadon Sancho gelungen ist.
Unter 150 Millionen Euro geht nichts
Zorc weiß, dass der Kreis der Vereine, die sich den Stürmer leisten können, sehr begrenzt ist. "Dass Erling Haaland nach seiner Zeit bei Borussia Dortmund irgendwann zu einem Top-Klub gehen wird, ist für jeden sonnenklar", sagte Zorc kürzlich auf SPORT1-Nachfrage. "Ich komme, um ehrlich zu sein, nicht mal auf zehn Vereine."
Dass der BVB mit Haaland einen großen Transfergewinn einstreichen könnte, ist für die Bosse zweitrangig. Wirtschaftlich angewiesen ist der Klub darauf nicht - trotz Corona-Verluste in Höhe von 75 Millionen Euro - und ein Angebot, das sie ins Grübeln bringt, müsste schon ein recht monströses sein.
Nach SPORT1-Informationen haben sich die Dortmunder auch intern noch auf keine Schmerzgrenze festgelegt. Die Tendenz aber: Unter 150 Millionen Euro zucken die Bosse nicht mal, ein Angebot müsste schon eher an die 180 Millionen Euro gehen.
Wer könnte eine solche Summe stemmen? Und was will Haaland selbst überhaupt? Zuletzt reagierte er beim mageren 2:2 in Köln mächtig angefressen auf die überwiegend dürftigen Leistungen seiner Kollegen. Kein Wunder: Ein Jahr ohne Champions League wäre für Haaland ein verlorenes Jahr.
Raiola und Haaland senior landen in Barcelona
SPORT1 weiß: Haaland hat prinzipiell zwei favorisierte Optionen. Real Madrid, dessen weltweite Strahlkraft ihn fasziniert - und Manchester City, wegen Coach Pep Guardiola und einer persönlichen Verbindung: Vater Alf-Inge "Alfie" Haaland spielte dort zwischen 2000 und 2003, sein Sohn könnte die Geschichte auf höherem Niveau fortschreiben (Alfie Haaland im SPORT1-Interview: So sieht er die Karriere seines Sohns).
Der beschlossene Abgang von Sergio Agüero im Sommer lässt sich als Indiz deuten, dass der designierte englische Meister in Sachen Haaland tatsächlich Ernst macht.
Am Mittwochmorgen hat die Sun schon von den möglichen Konditionen eines Haaland-Deals mit City gesprochen: Die "Citizens" müssten ihm demnach 600.000 Pfund (704.000 Euro) pro Woche bezahlen - hochgerechnet etwa 36,6 Millionen Euro pro Jahr.
Am Donnerstagmittag tat sich für alle offensichtlich eine weitere Option auf, die aus finanziellen Gründen unwahrscheinlich erschien. Da landete Raiola begleitet von Alf-Inge Haaland per Privatjet in Barcelona, um mit dem wieder gewählten FC-Präsidenten Joan Laporta zu verhandeln. Die ortsansässigen Medien SPORT und Mundo deportivo verbreiteten die Bilder dazu in die Welt. Eine echte Spur oder ein weiteres geschicktes Täuschungsmanöver?
Wie es am Ende auch immer ausgeht: Bei einem Transfer würde für Mino Raiola da einiges abfallen. Der BVB kann sich in den kommenden Monaten nicht auf Ruhe einstellen.