In Deutschland wurde am Montag das Sommer-Transfer-Fenster geschlossen. Am Deadline Day ging es noch einmal ordentlich zur Sache, die Handys der Spielerberater liefen heiß. (Das aktuelle Transfergeschen im Ticker)
Berater: "Bayern absolute Ausnahme"
Der FC Bayern verpflichtete kurz vor Transfer-Schluss etwa Marc Roca von Espanyol Barcelona, den vereinslosen Eric Maxim Choupo-Moting sowie Douglas Cosa von Juventus Turin. Werder Bremen verabschiedete derweil seinen einstigen Rekordtransfer Davy Klaassen an Ajax Amsterdam.
Auch der FC Schalke 04 war am Montag noch einmal auf dem Transfermarkt tätig. Kilian Ludewig wird ein Königsblauer, der Rechtsverteidiger spielte zuletzt für den englischen Zweitligisten FC Barnsley. Stammverein des 20-Jährigen, der auf Leih-Basis kommt, ist Red Bull Salzburg.
Trotz der Hektik am letzten Transfertag beklagen sich die Agenten über den durch Corona arg gebeutelten Transfermarkt. Ohne Geld in den Vereinen mit "brutal überschrittenen Gehaltsgrenzen", schreibt die spanische Sportzeitung Marca, sei der Spielraum, neue Stars zu holen, praktisch gleich Null.
Das Ergebnis: In diesem Sommer gab es die wenigsten Ausgaben seit 2012 und einen Rückgang der Investitionen um fast eine Milliarde Euro. Im SPORT1-Interview spricht der deutsche Spielerberater Jörg Neblung darüber, wie er das Corona-Transferfenster erlebte.
SPORT1: Herr Neblung, wie stressig war es für Sie im diesjährigen Sommer-Transferfenster?
Jörg Neblung: Agenturintern sprechen wir nur von der "Kaugummi-Transfer-Phase". Es war sehr anstrengend in diesem Jahr, weil die Rückmeldungen der Vereine aufgrund lange fehlender Planungssicherheit ausgeblieben sind, die Verträge der Spieler aber gnadenlos ausgelaufen sind. Im Juli und August hatten wir somit den reichhaltigsten Arbeitslosenmarkt aller Zeiten. Diese Umstände muss man dann auch seinen Spielern klar machen, damit sie verstehen, warum der Gabentisch nicht so reichhaltig gedeckt ist.
SPORT1: Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Deals?
Neblung: Wir waren alle wirklich sehr engagiert, arbeiten besser als jemals zuvor, aber in der Ausbeute ist noch reichlich Platz nach oben. Auch wir sind noch mit einem arbeitslosen Spieler im Markt und bereiten zudem seit heute schon die nächsten Transfer-Phasen vor.
"Die Bayern waren die absolute Ausnahme"
SPORT1: Was war anders an dieser Transfer-Phase im Vergleich zum vergangenen Sommer?
Neblung: Der Planungsstopp seit Mitte März hat alles auf den Kopf gestellt. Die Bayern waren die absolute Ausnahme mit den bedeutenden Verlängerungen zu Beginn der Corona-Unterbrechung. Die folgende Verkleinerung der meisten Kader plus geringere TV-Erlöse und fehlende Zuschauer hat das ganze System ins Wanken gebracht. Nachhaltig übrigens!
SPORT1: Wie bewerten Sie den Transfermarkt in diesem Sommer, der sich durch Corona bis in den Oktober verschoben hat?
Neblung: Am Ende haben wir nicht mal die Hälfte der Transfer-Umsätze des vergangenen Sommers erreicht. Die kurzfristig geplatzten Last-Minute-Deals von Spielern wie Milot Rashica, Jonathan Tah, Julian Draxler und Javi Martinez zeigen die Problematik des Marktes. Da wird jeder Cent umgedreht.
SPORT1: Ungewöhnlich waren die offensiven Transfer-Aktivitäten des FC Bayern am Deadline-Day, oder? Können Sie sich das erklären?
Neblung: Die Bayern haben ihre Breite bearbeitet. Ehrlich gesagt hätte ich mir gewünscht, dass die hoffnungsvollen Nachwuchskräfte in diese Lücken rücken. Aber ich habe mich zu wenig mit den Neuzugängen beschäftigt, bin dementsprechend nicht in der Lage, diese Transfers zu bewerten.
SPORT1: Von welchem Transfer sind Sie besonders überrascht und warum?
Neblung: Der Wechsel von Kai Havertz zum FC Chelsea. Diese Summe hätte ich nicht für möglich gehalten. Und die Transfers des FC Barcelona - für mich aus der Distanz ist deren Transfer-Politik aktuell schwer nachvollziehbar.
"Das Hin und Her um Rashica ist mit diesem Ende schon schwer verdaulich"
SPORT1: Was ist Ihnen am letzten heißen Tag sonst noch positiv aufgefallen - und negativ?
Neblung: Es gibt keine wirklich aufgeblähten Kader mehr. Die Situation führt gleichzeitig dazu, dass es weniger Stellen im bezahlten Profifußball gibt. Also ein lachendes und ein weinendes Auge. Auch bitter: Das Hin und Her um Milot Rashica ist mit diesem Ende schon schwer verdaulich. Ich hoffe der Spieler schüttelt sich erfolgreich und findet den Fokus wieder, um zurück zu alter Leistungsstärke zu kehren.
SPORT1: Topstars wie Julian Draxler und Mesut Özil, bei denen man an einen Wechsel dachte, blieben bei ihren Klubs. Wie denken Sie darüber?
Neblung: Ich glaube nicht, dass Draxler keine Beachtung gefunden hat. Am Ende kann ich aber nicht sagen, ob das Paket für interessierte Vereine zu teuer war oder der Spieler keine Bereitschaft gezeigt hat, auf Geld zu verzichten oder an welcher Dreh-Schraube nicht erfolgreich gedreht wurde. Bei Özil habe ich hingegen schon seit Längerem das Gefühl, dass er andere Dinge priorisiert als Spielpraxis.