Nur manchmal vergreift sich John McEnroe noch im Ton, dann bricht er durch, der Rotzlöffel von früher.
Auch McEnroes Privatleben war ein Drama
„Das Alter“, sagt der einst gefürchtete Flegel, sei „eine Bitch“. Ein Miststück also - jugendfrei übersetzt -, ein unbezwingbarer Gegner, dem nicht einmal „Big Bad John“ mit all seiner Wut etwas entgegensetzen kann. Mit ab heute 64 Jahren hat sich McEnroe daher längst in Humor geflüchtet und unterhält damit seine Fans beinahe so gut wie zu seinen zornigen Zeiten als Tennisprofi. (NEWS: Alle Neuigkeiten zum Tennis)
Die liegen zwar schon etliche Jahre zurück, die Showbühne der Profitour hat der US-Amerikaner jedoch nie verlassen. McEnroe tourt noch immer mit dem Tenniszirkus um die Welt: als Berater, TV-Experte und clownesker Unterhalter, der auf ein reiches Leben zurückblicken kann - auch reich an privaten Dramen.
"You cannot be serious"
Schon als Spieler war der am 16. Februar 1959 in Wiesbaden geborene Sohn eines Air-Force-Soldaten anders als die anderen, anpassen wollte er sich nie.
"You cannot be serious", schleuderte er den Schiedsrichtern entgegen, wenn er sich wieder einmal benachteiligt fühlte: Das kann nicht dein Ernst sein. Er schimpfte, malträtierte in seinem Groll Schläger, Netzpfosten, Eistruhen, Stühle und Blumenkästen und verließ wutentbrannt den Platz, wenn ihm etwas so gar nicht passte. 1990 bei den Australian Open wurde er disqualifiziert, nachdem er den Turnier-Referee aufs Übelste beleidigt hatte.
So derbe McEnroe fluchen konnte, so feinsinnig war sein Spiel. Sein Händchen, der geniale Touch beim Volley ist bis heute unerreicht, er ließ ihn viermal bei den US Open und dreimal in Wimbledon triumphieren. 170 Wochen lang stand McEnroe zu Beginn der 80er Jahre an der Spitze der Weltrangliste, doch mehr als alle Erfolge - insgesamt gewann er 77 Turniere im Einzel und 72 im Doppel - blieben seine größten Matches in Erinnerung. Nicht zuletzt dank seiner großen Gegner.
McEnroe vs. Borg - ein legendäres Duell
Legendär sind die Wimbledon-Duelle zwischen McEnroe und dem Schweden Björn Borg, der vierte Satz im Finale 1980 ging als "Battle of 1816" in die Tennis-Geschichte ein und gab die Vorlage zum Film "Borg vs. McEnroe" im Jahr 2017. Mit 18:16 gewann McEnroe jenen fast schon sagenumwobenen Tiebreak, ehe Borg mit dem 8:6 im letzten Durchgang zum fünften und letzten Mal in Wimbledon triumphierte.
Auch mit Landsmann Jimmy Connors und Ivan Lendl lieferte er sich große Final-Fights, unvergessen ist auch jene "Jahrhundert-Schlacht" im Davis Cup 1987 in Hartford, als McEnroes Genialität sich nach über sechs Stunden der Urgewalt von Boris Becker beugen musste.
In seinem letzten Karriere-Jahr 1992 gelang McEnroe fast noch ein großer Coup in Wimbledon, wo er es bis ins Halbfinale schaffte und dort am späteren Sieger Andre Agassi scheiterte. Dafür holte er sich seinen neunten Major-Titel im Doppel, zusammen mit Beckers Landsmann und Intimfeind Michael Stich.
„Big Mac“ war für das Drama geboren, auf und lange auch neben dem Platz. Seine erste Ehe mit Oscar-Preisträgerin Tatum O‘Neal (“Paper Moon“), aus der drei seiner fünf Kinder stammen, wurde 1992 geschieden - inklusive Rosenkrieg. 1998 bekam McEnroe das alleinige Sorgerecht, weil die Tochter der Hollywood-Größe Ryan O‘Neal heroinabhängig war.
Halt gaben McEnroe seine zweite Ehefrau, Sängerin Patty Smyth (nicht zu verwechseln mit Patti Smith), und die Liebe zum Tennis.
John McEnroe auch heute noch ein "Super Brat"
Mit 47 Jahren feierte McEnroe ein vielbeachtetes Comeback und gewann prompt den Doppeltitel in San Jose. Auf der Seniorentour begeistert er bis heute die Fans, die von seinen gespielten Wutanfällen nicht genug bekommen können.
So amüsant John McEnroe im fortgeschrittenen Alter als TV-Unikum noch immer ist, den größten Unterhaltungswert besaß er als Super Brat - als einzig wahrer Flegel der Tennistour.
-----
Mit Sportinformationsdienst (SID)