Lennard Kämna musste sich erst einmal gründlich sortieren. Sein erstes Tour-Rendezvous mit dem legendären Alpen-Riesen Galibier hatte den Radsport-Youngster irgendwo zwischen gewaltiger Erschöpfung und grenzenloser Euphorie zurückgelassen.
Deutschlands nächste Radhoffnung
"Es war der Hammer, das hat richtig Spaß gemacht", sagte der 22-Jährige schweißgebadet und mit leuchtenden Augen: "Den Galibier in der vordersten Gruppe zu fahren - das ist etwas, auf das ich immer gehofft habe."
Im Schatten von Überflieger Emanuel Buchmann fuhr der Youngster aus dem holsteinischen Wedel eine grandiose Tour de France, besonders in den Bergen sorgte der Debütant für viel Freude beim deutsch-lizenzierten Sunweb-Team.
Hinter Bora-Kapitän Buchmann war Kämna nach der ersten Alpen-Etappe zweitbester Deutscher im Gesamtklassement, der vierte Tagesplatz beim ultraharten Ritt über Izoard und Galibier nach Rang sechs auf dem Pyrenäen-Teilstück nach Foix bereits sein zweites Topergebnis im Gebirge. (SERVICE: Die Tour im SPORT1-Datencenter)
Kämna nutzt seine Freiheiten
"Es hat super Spaß gemacht. Und es macht Vorfreude auf die Zukunft", sagte Kämna. Die adrenalinbefeuerte Bergauf-Quälerei vor Zehntausenden Schlachtenbummlern hat ihn angefixt: "Ich war absolut am Limit, aber die Atmosphäre war gewaltig. Ich hoffe, noch öfters vorne dabei zu sein."
Kämna, jüngster Deutscher und insgesamt viertjüngster Profi im Tour-Peloton, war als Lehrling zu seiner ersten Frankreich-Rundfahrt gekommen. Weil aber Sunweb-Kapitän Tom Dumoulin verletzt für die Tour ausfiel und dessen schwächelnder Vertreter Wilco Kelderman bereits ausgestiegen ist, besitzt Kämna viele Freiheiten. Und nützt diese, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln.
"Lennard ist ein Talent, das noch viel Zeit hat", sagt Sunweb-Teamchef Iwan Spekenbrink über Kämna, den er einst als 20-Jährigen unter Vertrag nahm und der in seiner Debüt-Saison 2017 bereits die Vuelta bestreiten durfte. Bei seiner ersten - und bis zur laufenden Tour einzigen - großen Rundfahrt zahlte Kämna Lehrgeld.
Auch deshalb agierte er nun in den Bergen umsichtig.
Auf das Gefühl hören
Auf der Galibier-Etappe sei er sein Tempo gefahren, "nicht die Attacken mitgegangen, es war die richtige Entscheidung, auf mein Gefühl zu hören und nicht voll loszusprinten". Auch das gehört zum Entwicklungsprozess, der ihn zu einem prägenden Fahrer der neuen deutschen Radsport-Generation machen könnte.
Kämna ist jünger als Buchmann (26), Maximilian Schachmann oder Pascal Ackermann (beide 25), darf reifen. Mit dem gleichaltrigen Egan Bernal, dem vielleicht größten Radsport-Talent der vergangenen 20 Jahre, muss er sich nicht messen, und auch Buchmann ist ihm am Berg (noch) deutlich voraus.
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Buchmann noch zu stark
"Ich konnte seinen Speed gerade so mitgehen. Der ist sogar großes Blatt gefahren, wo ich dachte: Alter Schwede! Da hatte ich keine Aktien mehr", berichtete Kämna, nachdem er auf dem Weg nach Foix an der Seite Buchmanns geklettert war.
Aber: Auf dieses Niveau kann und will auch Kämna kommen, der immer mehr Freude an seiner Rundfahrtbegabung empfindet. Die Zieleinfahrt in Paris wird der 22-Jährige daher umso mehr genießen.