Jochbeinbruch, heftige Schürfwunden, Gehirnerschütterung, ein Blutgerinnsel im Kopf - und es hätte noch weit schlimmer kommen können.
So erlebte Voigt seinen Horror-Sturz
Jens Voigt, langjähriger Publikumsliebling im deutschen Radsport, erlebte am 21. Juli 2009 auf der 16. Etappe der Tour de France den heftigsten Sturz seiner Karriere. Wobei: "Erlebt" ist relativ.
"Glücklicherweise erinnere ich zwei bis drei Stunden rund um den Sturz an so gut wie gar nichts mehr", blickt Voigt im SPORT1-Interview zurück, für das der schwere Sturz von Fabio Jakobsen bei der Polen-Rundfahrt der Anlass war.
Sechs Stunden Erinnerung fehlten nach Sturz
Voigt, damals aktiv für das Team Saxo Bank, kam bei einer Abfahrt vom Kleinen Sankt Bernard zu Fall, bei höllischem Tempo. "Ich weiß noch, dass ich bei der Abfahrt in der Spitzengruppe war und mich dann ans Ende der Gruppe habe fallen lassen, um für die Schleck-Brüder und Carlos Sastre beim Begleitfahrzeug neue Trinkflaschen zu holen", so Voigt: "Dabei bin ich gestürzt."
Die kommenden Stunden? Ein Gedächtnis-Chaos: "Als nächstes lag ich auf dem Rücken und guckte an die Decke des Ambulanzfahrzeugs. Diese Erinnerung dauerte fünf Sekunden. Danach fehlt mir wieder eine Stunde, bevor ich mich erinnere, dass ein Helikopter mit mir irgendwo abhob. Nach meinem nächsten Filmriss wachte im OP auf, während die Ärzte meine Hände und mein Gesicht nähen."
Als dann die Narkose nachgelassen hätte, "war ich in der Lage, meine Familie anzurufen, um ihr zu sagen, dass ich trotz des Sturzes völlig in Ordnung bin, also keine bleibenden Schäden habe".
Insgesamt fehlten dem sechsfachen Familienvater rund sechs Stunden Erinnerung, "aber die möchte ich auch gar nicht zurückhaben".
Helm rettete Jens Voigt das Leben
Voigt kam auf die Intensivstation einer Klinik in Grenoble, musste mehrere Tage im Krankenhaus bleiben. Es hätte schlimmer kommen können, hätte es noch nicht die seit 2004 geltende Helmpflicht gegeben. Der Kopfschutz hätte Voigt "das Leben gerettet", sagte der Tour-Mediziner Xavier Roy.
Für den damals 37 Jahre alten Voigt - geboren am 17. September 1971 in Grevesmühlen - schien die damalige Tour seine letzte zu sein, der Unfall war für ihn ein Antrieb, nochmal wiederzukommen. "So kann ich schlecht aufhören", ließ er damals schon aus der Klinik verlauten.
Tatsächlich fuhr er danach noch ganze fünfmal auf der Großen Schleife, ehe er seine Karriere 2014 nach 17 Jahren als Profi beendete.
Leidensfähigkeit auch beim Everesting
Das Zurückkämpfen nach dem Crash sei nicht leicht gewesen, blickt Voigt bei SPORT1 zurück: "Je älter man wird, umso länger dauert es, bis man das vollständig überwunden hat. Als ich über 30 war, habe ich nach einem Sturz einen Monat gebraucht, um dieselbe Kurve wieder mit vollem Risiko fahren zu können." Er habe "immer versucht, Respekt zu haben, diesen aber nicht zu Angst werden zu lassen. Angst lähmt das Bewusstsein. Angst lässt dich verkrampfen und Fehler machen, die zu weiteren Stürzen führen."
Für seine Leidensfähigkeit war er immer berühmt, nicht umsonst trug ein Buch, in dem er auf seine Laufbahn zurückblickte, den Titel "Shut Up Legs" - seid still, Beine.
Nach seiner aktiven Laufbahn wurde Voigt als Kommentator und Berater aktiv - und pflegte seinen Ruf weiter: 2017 sorgte er mit seinem "Everesting" am Teufelsberg in Berlin für Aufsehen, als er auf einer Charity-Fahrt innerhalb von 24 Stunden insgesamt 8848 Höhenmeter abspulte und dabei 25.000 Euro für Krebskranke sammelte.