Am 16. Juli ist für Hossein Ensan ein Märchen wahr geworden: In Las Vegas krönte er sich als erst zweiter Deutscher zum Poker-Weltmeister.
Weltmeister macht jetzt Poker-Pause
Acht Jahre nach Pius Heinz gewann der Deutsch-Iraner das Main Event der World Series of Poker (WSOP), in dem er sich gegen 8568 andere Teilnehmer durchsetzte.
Neben dem begehrten goldenen Bracelet kassierte der 55-Jährige für seinen Sieg die sagenhafte Siegprämie von zehn Millionen US-Dollar - die zweitgrößte Summe, die je ein Main-Event-Sieger in der Geschichte der WSOP erhalten hat.
Im Interview mit SPORT1 spricht Ensan über den Turnierverlauf, die Party nach dem Triumph, wie er zum Poker kam und welchen Fußballverein er in seiner Freizeit verfolgt.
SPORT1: Herr Ensan, woher und wann kam das Interesse am Poker? Wann haben Sie ihre ersten Erfahrungen gesammelt?
Ensan: Begonnen hat es Anfang 2000, als Texas Hold'em sich über die USA hinaus nach Skandinavien, die Niederlande, Deutschland und auf der ganzen Welt verbreitet hat. Das habe ich - auch über das Internet - durch Zufall mitbekommen beziehungsweise davon gehört. Ich fand es sehr interessant, dann habe ich damit angefangen. Ich habe manchmal auch noch vor der Arbeit ab fünf Uhr morgens die "World Series of Poker" im TV auf SPORT1 beziehungsweise damals ja noch DSF angeschaut. Erfahrungen am Tisch gesammelt habe ich dann ab 2002.
SPORT1: Waren Sie überrascht, dass Sie relativ schnell erste Erfolge erzielten?
Ensan: Es waren immerhin fast 14 harte Jahre bis zu meinem ersten großen Erfolg mit Platz drei bei der European Poker Tour in Barcelona (August 2014, Anm. d. Red.). Der Erfolg kam also nicht von heute auf morgen. Trotzdem war es dann aber natürlich eine schöne Sache.
SPORT1: Waren beziehungsweise sind Sie Poker-Profi oder gehen sie noch einem "normalen" Beruf nach?
Ensan: Als ich 2002 mit Poker angefangen habe, hatte ich einen ganz normalen Job. Poker war mein Hobby und meine Leidenschaft. Als sich die ersten Erfolge eingestellt haben, so ab 2011, habe ich viel mehr Zeit in Poker investiert als sonst, bis es 2014 dann geknackt hat. Ab da habe ich gewusst, dass ich mit meinem "Hobby" auch große Erfolge feiern kann. Dieses Jahr hat sich mein ganzes Leben verändert. 2015 habe ich in Prag dann sogar das Main Event der European Poker Tour gewonnen.
SPORT1: Mit welchem Ziel sind Sie dieses Jahr nach Las Vegas geflogen?
Ensan: Es ist egal, welcher Sport und welches Turnier es ist: Wenn man als Spieler an einem Wettbewerb teilnimmt, dann will man auch gewinnen. Ziel ist es, Erster zu werden. Wenn man das nicht will, dann stimmt irgendetwas nicht. Mein Ziel in Las Vegas war, immer weiterzukommen, wenn möglich bis zum ersten Platz.
SPORT1: Könnten Sie kurz den Verlauf des Main Events beschreiben?
Ensan: Ich habe mir als Starttag Tag 1c ausgesucht. Da ist die Teilnehmerzahl zwar größer als bei 1a und 1b, aber man kann mehr Chips machen und die Gegner sind vermeintlich leichter. Mein Ziel war, jeden Tag gut abzuschließen. Als Tag 1 gut verlaufen ist, war mein Ziel, es bis Tag 4 zu schaffen, denn ab da ist man platziert und bekommt Preisgeld. An Tag 4 waren von den insgesamt über 8500 Teilnehmern nur noch 15 Prozent übrig. Nur die ersten 1350 Spieler bekamen eine Prämie und waren im sogenannten "ITM" ("In The Money"). Ab da habe ich versucht, jeden Tag weiterzukommen. An Tag 7 ging es darum, den Finaltisch zu erreichen, also unter die letzten neun zu kommen. Danach hatte man einen Tag Pause, bevor an drei Tagen der Sieger ermittelt wurde. An Tag 8 spielte man auf sechs Teilnehmer herunter, an Tag 9 auf drei und an Tag 10 wurde der Weltmeister ausgespielt.
SPORT1: Wann haben sie erstmals an den Sieg geglaubt?
Ensan: Nach Tag 6 war ich der Spieler mit den zweitmeisten Chips. Es waren noch 35 Spieler übrig. Als ich es dann unter die besten neun geschafft und immer noch so viele Chips hatte, wusste ich, dass ich mindestens unter die besten fünf kommen kann. Als wir nur noch zu zweit am Tisch saßen, habe ich mir gedacht: 'Ist auch schön, das Ding zu gewinnen'.
Ensan: "Haben bis 6 Uhr morgens gefeiert"
SPORT1: Wie war die Nacht vor dem Finaltag und wie haben Sie den Triumph anschließend gefeiert?
Ensan: Ein bisschen aufgeregt ist man immer, das ist ganz normal. Aber dass ich so nervös bin, dass ich nicht schlafen kann, das passiert nicht. Dafür bin ich zu gut trainiert und habe auch die nötige Erfahrung. Es war ja auch nicht das erste Finale, das ich gespielt habe. Nach dem Sieg hatten die Organisatoren eine Feier für mich vorbereitet. Wir haben mit Verwandten, Freunden und deutschen Fans, die vor Ort waren, bis 6 Uhr morgens gefeiert. Wir haben getrunken, geschrien und gelacht. Ständig hat mich jemand in den Arm genommen und mir gratuliert, es waren sehr viele Emotionen und das war sehr schön.
SPORT1: Haben Sie schon eine Idee, was Sie mit dem vielen Geld machen wollen?
Ensan: Ich bin noch nicht ganz zur Ruhe gekommen und muss erst einmal meine ganzen Sachen regeln. Das ist ein sehr hohes Preisgeld und ich weiß noch gar nicht, wie viel davon wirklich mir selbst gehört. Wenn ich das weiß, dann werde ich mir Gedanken darüber machen. Ich werde aber von meinem Geld wie immer einen Teil an Organisationen spenden, den krebskranken Menschen helfen oder in Bildung investieren.
SPORT1: Wird sich Ihr Leben jetzt verändern?
Ensan: Es rufen jetzt ständig Leute an, die etwas über mich wissen und ein Interview führen wollen. Von daher hat sich das Medieninteresse an meiner Person verändert. Aber dass der Sieg aus mir einen anderen Menschen macht, wird nicht passieren. Privat bleibt für mich alles wie gehabt. Ich werde mir bestimmt einmal etwas gönnen, aber das wird alles im Rahmen sein.
SPORT1: Was sind die Pläne für die Zukunft in Bezug auf Poker?
Ensan: Im Moment kann ich keine Pokerkarten sehen. Ich muss erst einmal zur Ruhe kommen und das, was ich geschafft habe, sacken lassen. Poker ist meine große Leidenschaft und ich werde genau so weitermachen wie bisher, nicht mehr und nicht weniger. Ich werde bei Turnieren jetzt erst einmal als Gast vor Ort sein, bevor ich mich selbst wieder an den Tisch setze.
Ensan: "Schaue auch gerne Spiele vom BVB"
SPORT1: Was machen Sie in ihrer Freizeit gerne?
Ensan: Meine Freizeit verbringe ich sehr gerne mit meiner Familie und mit Freunden. Wenn es die Zeit zulässt, mache ich Sport und gehe an die Geräte, um fit zu bleiben. Ansonsten trinke ich auch gerne mal ein Bierchen und schaue Fußball. Ich verfolge die iranische und deutsche Nationalmannschaft bei der WM und bei der EM. Da ich aus Nordrhein-Westfalen komme, schaue ich auch gerne Spiele vom BVB und von Schalke.
SPORT1: Sind sie noch oft im Iran zu Besuch? Wie wurde dort ihr WSOP-Sieg aufgenommen?
Ensan: Ich bin normalerweise zwei- bis dreimal pro Jahr im Iran, wo ich einen Bruder, eine Schwester und Nichten und Neffen habe. Ich habe eine gute Beziehung zu ihnen und telefoniere auch gerne mit ihnen. Im Iran wurde von meinem WM-Sieg auch im Radio berichtet und über die sozialen Medien wie Facebook und Instagram habe ich auch viele Nachrichten bekommen.