Die Corona-Pandemie hat die Welt aktuell im Griff und stellt viele Berufsgruppen vor große Herausforderungen. Auch die Doping-Jäger kämpfen mit Problemen.
Doping-Experte fordert Olympia-Aus
Denn vielerorts wird das medizinische Personal natürlich gerade anderweitig benötigt.
Dadurch, dass keine Wettkämpfe mehr laufen, findet zudem auch ein großer Teil der Dopingkontrollen weltweit nicht statt.
Doping-Experte Sörgel schlägt Alarm
Doping-Experte Prof. Dr. Fritz Sörgel sieht im Gespräch mit SPORT1 vor allem für deutsche Athleten im Nachteil, wenn weniger getestet oder Kontrollen jetzt sogar komplett ausfallen.
"Die Unterschiede in der Intensität der Dopingüberprüfung zwischen verschiedenen Ländern werden in den kommenden Wochen wohl noch verstärkt werden", erklärt der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg: "Wenn jetzt in anderen Ländern mit einer anderen Regelmäßigkeit getestet wird, ist das natürlich ein erheblicher Nachteil für die deutschen Sportler."
In Deutschland wird nach Angaben der Nationale Anti-Doping Agentur (NADA) noch versucht, das Trainings-Kontrollsystem aufrechtzuerhalten. Es geht für die NADA vor allem um Schadensbegrenzung, der Fokus liegt auf potentiellen Olympiateilnehmern.
Dagegen sind in China die Doping-Tests schon seit dem 3. Februar ausgesetzt. Auch Großbritannien und Österreich reduzieren ihre Kontrollen derzeit auf das absolut Notwendigste.
"Jetzt ist die Stunde der Doper gekommen!"
Weniger Tests heißt im Umkehrschluss bessere Chancen für Betrüger. "Jetzt ist die Stunde der Doper gekommen", schlug der Schweizer Sprinter Alex Wilson in der Basler Zeitung Alarm: "Die laden sich in diesem Moment mit ihrem Zeugs voll."
Der gebürtige Jamaikaner, Schweizer Rekordhalter über 100 und 200 Meter, trainiert im Moment in Florida. Kontrolliert wurde er bislang noch nicht, obwohl die Doping-Agenturen über seinen Aufenthaltsort informiert sind. "Das ist doch traurig", meint Wilson", und ein riesiger Rückschritt!"
Verzerrung des Wettbewerbs durch Coronavirus
Auch Experte Sörgel warnt. "Die Chance des Dopings ist jetzt auf jeden Fall gegeben und auch die Chance dadurch einen Leistungssprung zu machen", erklärt der Professor: "Es ist klar, dass es eine Verzerrung des Wettbewerbs geben wird, sowohl national als auch international."
Eine Vertuschung sei gut möglich, wenn man Substanzen nehme, die nicht lange nachweisbar sind.
Auch wenn sich die Ausbreitung des Virus in der nächsten Zeit eindämmen lässt, erscheint eine schnelle Rückkehr zur Normalität mit regelmäßigen Kontrollen unwahrscheinlich.
Sörgel geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn man es realistisch betrachtet, wird es ein reguläres Doping-Kontroll-System vor Anfang nächsten Jahres nicht wieder geben."
Sörgel fordert Olympia-Absage
Niemand kann derzeit sagen, wann sich der Sport seinen Betrieb wieder aufnehmen kann. Aber eins scheint klar: Chancengleichheit wird dann schwerer als ohnehin schon herzustellen sein.
Und das gilt insbesondere für die Olympischen Sommerspiele in Tokio, an denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) noch immer stur festhält. Für Sörgel mehr als unverständlich.
"Olympia kann nicht mehr stattfinden, weil der Wettbewerb komplett verzerrt ist", stellt Sörgel klar: "Man kann keinen Sportler vier Monate vor dem Wettbewerb im Unklaren lassen. Sportler bereiten sich auf den Tag pointiert vor. Das kann man Sportlern jetzt schon nicht mehr zumuten, dass sie sich ins Ungewisse hinein vorbereiten."
Er verstehe überhaupt nicht, wie man über ein Stattfinden der Olympischen Sommerspiele überhaupt noch diskutieren könne, dies sei "unverantwortlich".
Sörgel: Olympia wäre ein "Horrorszenario"
Sörgel fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zum Handeln auf: "Die WHO ist in der Pflicht, sie muss diesem Treiben ein Ende setzen. Wieso sie es nicht macht, weiß ich nicht. Das IOC und die Japaner werden es von sich aus nicht übers Herz bringen. Schon deshalb, weil sie bei einer Absage riesige Schadenersatzforderungen hätten. Wenn es die WHO untersagt, sieht es anders aus – die Versicherungen könnten greifen."
Auf der anderen Seite werde im Zusammenhang mit dem Coronavirus immer von Social Distancing, also einem herunterfahren der sozialen Kontakte, gesprochen. In Tokio würden aber viele Menschen aus aller Herren Länder aufeinander treffen, nicht nur die Athleten, sondern unter anderem auch Kampfrichter, Helfer, Zuschauer und viele mehr.
"Da ist man schnell bei einer Million Leute. Sie kommen da hin, bringen den Virus mit, vermischen sich und wer ihn noch nicht hat, bekommt die Chance, ihn mit nach Hause nehmen zu dürfen", fürchtet Sörgel ein unüberschaubares Risiko: "Ein Horrorszenario, das ist der glatte Wahnsinn!"