Julia Jefimowa ließ sich Zeit. Gerade hatte die 24-jährige Schwimmerin aus Russland im olympischen Finale über 100 Meter Brust als Zweite angeschlagen. Silbermedaille, eigentlich ein Grund zur Freude. Jefimowa dümpelte aber noch lange im Wasser herum.
Zoff und Tränen um Skandalschwimmerin
Dabei wirkte sie wie die unbeliebte Göre einer achtköpfigen Mädchen-Clique: Ihre Mitstreiterinnen würdigten sie keines Blickes. Keine Gratulation, keine Glückwünsche.
Die Olympischen Spiele 2016 haben ihren ersten Skandal: Eine des Dopings überführte Schwimmerin, die ihren Start bei den Olympischen Spielen vor dem Sportgerichtshof CAS eingeklagt hatte, gewinnt die Silbermedaille.
Jefimowa außen vor
Die 24-Jährige musste am Montagabend in Rio einen wahren Spießrutenlauf absolvieren. Schon vor dem 100-Meter-Rennen wurde sie gnadenlos vom gesamten Stadion ausgepfiffen.
Als sie nach der US-Amerikanerin Lilly King als Zweite anschlug, feierte das Publikum. Weil Jefimowa nicht gewonnen hatte.
Und nach der Siegerehrung, wenn sich eigentlich die drei siegreichen Athleten zum gemeinsamen Foto aufstellen sollen, schnappte sich Siegerin King kurzerhand ihre Teamkollegin, die Drittplatzierte Katie Meili, und posierte mit ihr. Jefimowa blieb außen vor.
Tränen bei der Dopingsünderin
Es ist nicht verwunderlich, dass so etwas an einer jungen Sportlerin nagt. Und so stand Jefimowa wenige Minuten nach dem Rennen vor einer TV-Kamera des brasilianischen Fernsehens und brach in Tränen aus.
"Ich habe immer hart gekämpft und keine Anerkennung bekommen", so die Russin. Sie fühle sich ungerecht behandelt.
Das gleiche Szenario wiederholte sich später in der Mixed Zone. Auch hier stand Jefimowa und redete mit russischen Journalisten über ihr Rennen. Dabei kullerten ihr dicke Tränen aus den rot unterlaufenen Augen.
Der internationalen Presse wollte sie sich nicht stellen. Kein Wort zum Doping, zu den Hass-Tiraden der Konkurrenz, zu den Pfiffen.
Arrogantes Auftreten
Eigentlich sind Pfiffe und Buhrufe im Schwimmen - ganz im Gegensatz zu anderen Sportarten - nicht nur unüblich, sondern verpönt. Bei Jefimowa werfen die Schwimm-Fans in Rio diese Etikette über Bord.
Und das liegt vor allem am Auftreten der Russin. Darüber können auch ihre Tränen nach dem Silbermedaillengewinn nicht hinwegtäuschen. Bis zu ihrem Tränenausbruch nach dem Finale spielte Jefimowa die Rolle der unliebsamen Gegnerin in Perfektion.
Sie verglich ihre Doping-Strafe mit einem Ticket für zu schnelles Fahren. Stets schritt sie arrogant an allen Journalisten vorbei, lediglich ihren Landsmännern gab sie Interviews.
Pure Abneigung
Es ist wohl das erste Mal, dass einer Olympia-Siegerin die pure Abneigung entgegenschlägt: Von Fans, von Sportlern, von anderen Trainern. Deutschlands Bundestrainer Henning Lambertz sagte: "Es ist schön, dass wir eine andere Siegerin sehen als die, die wir alle nicht sehen wollten."
US-Schwimmer Michael Phelps schlug in eine ähnliche Kerbe: "Ich glaube, der Sport sollte sauber bleiben. Alle müssen die selbe Ausgangslage haben. Es ist ein schwarzer Tag für den Sport." Und Siegerin King fügte nach ihrem Sieg hinzu: "Es ist überragend zu wissen, dass ich meine Goldmedaille sauber gewonnen habe!"
IOC hat Ausschluss verpasst
Für das Internationale Olympische Komitee (IOC) und seinen Präsidenten Thomas Bach ist die Medaille Jefimowas keine gute Nachricht, auch wenn Bach das vermutlich nie eingestehen würde.
Das IOC hat es verpasst, Athleten wie Jefimowa, die eindeutig des Dopings überführt worden sind, von den Spielen auszuschließen. Und muss nun mit einer Atmosphäre rechnen, die mit dem olympischen Geist nur sehr wenig zu tun hat: Pfiffe, Buhrufe und Hass-Tiraden der Gegner.
Am Mittwoch geht das Duell in eine neue Runde. Dann tritt die Doping-Sünderin im nächsten Wettkampf an: über 200 Meter Brust.