Sie nannten ihn „Dr. Death“ – und auch wenn der Grund dafür harmloser war, als er klang: Er trug dazu bei, dass aus ihm ein Ehrfurcht einflößender Mythos wurde.
Das traurige Ende einer Urgewalt
Der ehemalige Top-Ringer Steve Williams gehörte mit seiner schier unfassbaren Körperkraft zu den größten Wrestling-Attraktionen seiner Zeit. Speziell im Showkampf-Mekka Japan wurde das Muskelpaket aus Colorado bewundert und war dort an zahlreichen Schlachten mit anderen Ringikonen beteiligt. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Auch bei Weltmarktführer WWE war Williams einmal für eine größere Rolle vorgesehen, was sich allerdings nach einem folgenschweren Malheur zerschlug.
Heute vor 15 Jahren starb „Dr. Death“- viel zu früh und unter traurigen Umständen.
Ein herausragender Athlet am College
Williams, geboren am 14. Mai 1960, war vor seiner Wrestling-Karriere ein herausragender College-Sportler, an der University of Oklahoma ragte er sowohl im Football heraus (er war auch kurz Profi in der kurzlebigen NFL-Alternative USFL) als auch als Ringer.
Er war viermaliger All American und stand in seinem Abschlussjahr im Finale des NCAA-Turniers. Bezwingen konnte ihn nur Bruce Baumgartner, später zweimaliger Olympiasieger in Los Angeles 1984 und Barcelona 1992.
Aus seiner Ringerzeit stammte auch Williams‘ Spitzname „Dr. Death“: An der Junior High School trat Williams wegen einer gebrochenen Nase zeitweise mit einer Eishockeytorhüter-Maske an - und weckte bei seinem Trainer und seiner Schwester morbide Assoziationen.
Eine Urgewalt im Wrestling-Ring
Williams landete letztlich beim Wrestling, die ebenfalls von der University of Oklahoma entstammende Legende Bill Watts nahm Williams unter seine Fittiche, mit dem Plan, ihn zum Star seiner damals überregional bedeutsamen Liga Mid-South zu machen. Als Teampartner und erfahreneren Lehrmeister stellte er ihm Ted DiBiase an die Seite, vor dessen Hall-of-Fame-Karriere als „Million Dollar Man“ bei WWE.
Der 130-Kilo-Mann Williams stach schon optisch heraus und beeindruckte auch durch seine enorme Körperkraft: Er schaffte beim Bankdrücken über 225 Kilo und ließ Fans einst staunend zurück, als er den knapp 160 Kilo schweren Ray Traylor (den späteren Big Boss Man bei WWE und ebenfalls früh verstorben) über seinen Kopf stemmte und fünfmal hoch und runterhob.
Weil Williams Schwächen in Sachen Rhetorik und Ausstrahlung hatte, erreichte er in den USA letztlich nicht das erhoffte Superstar-Level – ein umso größeres Phänomen wurde er in Asien.
In Japan ein Mythos
Die Traditionsliga NJPW wurde Ende der Achtziger auf Williams aufmerksam und buchte ihn als Rivalen für den Ligagründer und -topstar Antonio Inoki. Die zweite große Japan-Liga AJPW engagierte Williams dauerhaft – und Williams erlebte dort seine beste Zeit.
Zusammen mit Terry „Bam Bam“ Gordy (ebenfalls jung verstorben) formte Williams die „Miracle Violence Connection“, eines der erfolgreichsten und meistrespektierten ausländischen Tag Teams der Geschichte. Williams und Gordy - zwischenzeitlich auch bei WWE-Rivale WCW aktiv - erlangten einen ähnlichen Status wie vor ihnen die Brüder Terry und Dory Funk und das berüchtigte Raubein-Duo Stan Hansen und Bruiser Brody. (Wie der Mord an Bruiser Brody die Wrestling-Welt erschütterte)
Auch als Einzelwrestler war Williams in Japan eine populäre Attraktion, seine Karriere überstand auch einen Skandal, der in Japan fast jeden anderen ruiniert hätte: Williams wurde 1995 an einem Flughafen mit Marihuana erwischt - in Japan ein absolutes Tabu. Weil der mächtige Promoter Shohei „Giant“ Baba all seinen Einfluss für Williams einsetzte, durfte Williams nach einem Jahr Einreiseverbot zurückkehren.
Spätes Engagement bei WWE wurde zum Fiasko
1998 engagierte WWE (damals WWF) Williams und plante für ihn eine große Fehde mit dem damaligen Topstar „Stone Cold“ Steve Austin. Obwohl Williams seinen Zenit damals überschritten hatte und von dem intensiven Stil in Japan körperlich angeschlagen war, wäre das Programm ein spätes Karriere-Highlight gewesen.
Die Idee zerschlug sich, nachdem WWE mit Williams einen verhängnisvollen Fehler beging: Sie ließen es zu, dass Williams bei dem im aufziehenden MMA-Boom nur einmalig ausgetragenen „Brawl-For-All“-Turnier einen realen Kampf bestritt. Williams kassierte dabei – von einer Verletzung geschwächt – einen K.o. gegen den wenig profilierten Bart Gunn, sein Nimbus als glaubwürdige Bedrohung für Austin war dahin.
Williams‘ Karriere erholte sich nicht mehr von dem Brawl-For-All-Fiasko, weil er in Japan gutes Geld verdient hatte, hatte er trotzdem ein angenehmes Leben – bis ihn ein schwerer Schicksalsschlag ereilte.
Kampf gegen Krebs ruinierte Williams auch finanziell
Im Jahr 2003 wurde bei Williams Kehlkopfkrebs diagnostiziert. Er überstand die Krankheit anfangs, fünf Jahre danach wurde bei einer Nachuntersuchung aber festgestellt, dass der Krebs in noch schwererer Form zurückgekommen war.
Williams‘ Gesundheit verfiel, wegen des amerikanischen Krankenversicherungssystems ruinierte ihn der Krebs auch finanziell: Nach Angaben des Wrestling Observer musste er 300.000 Dollar in seine Therapie stecken und ging pleite. Er arbeitete, so lange er noch konnte, in der Gepäckabfertigung am Flughafen von Denver, um sich über Wasser zu halten.
In seiner letzten Lebensphase lebte Williams zusammen mit seinem Sohn und seiner pensionierten Mutter, am 29. Dezember 2009 starb er Schilderungen zufolge unter großen Schmerzen, herbeigerufene Notfallsanitäter belebten ihn mehrfach wieder, bis Williams keine Lebensenergie mehr hatte.
Steve „Dr. Death“ Williams, 2020 posthum und ohne Zeremonie in den „Legacy Wing“ der WWE Hall of Fame aufgenommen, wurde nur 49 Jahre alt.