Es ist ein Match, das zum Mythos wurde.
WWE-Klassiker: „Er rauchte Crack“
Wegen der gigantischen und atmosphärischen Kulisse. Aber vor allem auch durch die zeitlose Klasse der Performance, mit dem es der Kulisse gerecht wurde. (NEWS: Alle Neuigkeiten zum Thema WWE)
Bret „The Hitman“ Hart vs. David „Davey Boy“ Smith alias The British Bulldog, der WWE SummerSlam 1992 vor fast 80.000 Fans im Londoner Wembley-Stadion: Es ist ein Klassiker, der Wrestling-Fans auch über 30 Jahre danach in Erinnerung ist - soeben erst aufgefrischt durch die Megashow AEW All In an gleicher Stelle, wo das Vorbild oft zitiert wurde.
Bei WWE blicken sie gern zurück auf das Highlight, durch das der frühverstorbene Lokalmatador Smith Heldenruhm erlangte und das vor allem auch Bret Harts Ruf als großer Erzähler des Rings zementierte.
Weniger gern erzählt WWE dagegen die Vorgeschichte des Matches: Sie beinhaltet eine von Crack-Konsum durchzogene Drogennacht, welche die große Inszenierung beinahe ruiniert hätte.
British Bulldog vor Match gegen Bret Hart im Drogenrausch
Es war der heute 66 Jahre alte Bret Hart, der 2009 in seiner Bestseller-Biografie „Hitman“ für die Nachwelt aufschrieb, was sich rund um seinen Karriere-Höhepunkt hinter den Kulissen der damaligen WWF zugetragen hatte.
Der damals 35-jährige Hart stand seinerzeit, in der Endphase der ersten Ära Hulk Hogans an der Schwelle zum Durchbruch in die höchsten Sphären - und sah die Chance, dem weiter den Boden zu bereiten, als er von der Nachricht hörte, dass seine Liga eine Megashow auf europäischem Territorium plante.
Hart unterbreitete seinem Boss Vince McMahon den Vorschlag, in Wembley den damals von ihm gehaltenen Intercontinental-Titel an seinen Schwager Smith abzugeben, um dem Publikum bei dessen Heimspiel den größtmöglichen Glücksmoment zu verschaffen. Und ihm und Smith damit einen von dieser Stimmung getragenen Meilenstein.
McMahon stimmte zu, zur Freude Brets - der allerdings schon gleich frustriert feststellte, dass Smith seine Freude nicht recht teilte: Er war in schlechter Stimmung, weil er kurz zuvor eine sechswöchige Dopingsperre wegen eines positiven Steroidtests kassiert hatte.
Wie Hart im Vorfeld des Matches mit zunehmender Sorge registrierte, ließ Smith die Vorbereitungen für das Match schleifen und konzentrierte sich stattdessen auf Partynächte mit dem 2018 verstorbenen Kollegen Jim „The Anvil“ Neidhart, Brets anderem wrestlenden Schwager.
Ständig habe er versucht, Smith telefonisch in seiner Wahlheimat Florida zu erreichen. Ständig kam er jedoch nur durch zu seiner Schwester Diana, die ihm mitgeteilt hätte, dass ihr Mann „irgendwo mit Jim auf der Piste ist“.
Wenige Stunden vor dem Abflug hätte Neidhart Hart dann mit folgender Nachricht geschockt: „Davey sei high wie ein Flugdrache gewesen, als er in den Flieger eingestiegen sei, sagte Jim. Er wäre die ganze Nacht wach gewesen und hätte Crack mit ihm geraucht.“ Dasselbe sei in den Wochen zuvor auch viele weitere Male geschehen.
„Er war wieder der hilflose Junge“
Dem ebenso besorgten wie enttäuschten Hitman dämmerte, dass es an ihm lag, das große Match zu retten - und stellte sich darauf ein, den derangierten Smith durch das Match zu „tragen“, wie es im Branchenjargon heißt.
Vor Ort in London stimmte Hart Smith darauf ein, dass er das Match führen würde und Smith nur ein paar Eckpunkte nicht vergessen solle.
„Er hat mir nicht in die Augen schauen können“, erinnerte sich Hart an die Gespräche mit dem über sich selbst beschämten Familienmitglied: „Er war wieder der hilflose Junge, den ich zehn Jahre vorher vor Dynamite gerettet hatte.“
„Bret, I‘m fooked“
Nach ausgiebigen Gesprächen mit Smith fühlte sich Hart wieder einigermaßen sicher, dass das Match gelingen würde - auch wegen der Präsenz von Ringrichter-Veteran Joey Marella (wenig später bei einem Autounfall tragisch verstorben). Der Adoptivsohn von Wrestling-Legende Gorilla Monsoon war erfahren darin, bei der Koordination der Showkämpfe mitzuhelfen.
Nach wenigen Minuten aber teilte Smith Hart während eines Headlock-Würgegriffs die nächste Hiobsbotschaft mit. „Bret, I‘m fooked“, flüsterte Smith in seinem Manchester-Akzent, den Fans von damals noch in den Ohren haben: „Bret, ich bin gef***t. Ich habe alles vergessen.“
Nicht ohne Stolz führte Bret dann aus, dass er den neben sich stehenden Ringpartner dann eben noch mehr an sich riss - mit einem speziell unter diesen Umständen beeindruckenden Ergebnis.
Nach dem Match vergaß der Bulldog auch das Ende
Dem „Hitman“ gelang es, aus Smith trotz allem ein Topmatch herauszuholen, das ausgefeilt und hochspannend war - unter anderem dadurch, dass sich beide aus den Finishern des jeweils anderen befreiten, was damals noch weit weniger üblich war als heute.
Am Ende besiegte der Bulldog Hart in einer berühmt gewordenen Endsequenz: Bret setzte zu einem Sunset Flip an, einer Aktion, bei der er mit einem Vorwärtssalto über den Gegner springt und an den Beinen zu Boden reißt. Der Bulldog allerdings konterte die Standardaktion mit einem einfachen Mittel aus: Er senkte sich mit einem Gewicht zu Boden, setzte sich auf Brets Schultern, hakte die Beine ein und pinnte ihn.
Das oft kopierte Finish - bei All In von den Bret-Bewunderern FTR in ihrer Tag-Team-Schlacht gegen die Young Bucks - hatte sich Hart von einem weniger bekannten Weggefährten abgeschaut: Leo Burke, Rivale in der kanadischen Liga STAMPEDE seines Vaters Stu Hart und bei WWE später Trainer, unter anderem von Edge und Christian.
Bret Hart hatte den Bulldog also trotz aller Widrigkeiten zu einem denkwürdigen Match geleitet, ärgerte sich dann hinterher aber trotzdem nochmal über Smith.
Nach dem Kampf war als dramaturgische Abrundung eigentlich noch eine Sequenz geplant, in der der Bulldog Hart vor den Augen von Frau Diana die Hand reichen und Bret aus Frust zögern sollte, sie anzunehmen – um es dann unter freudiger Erleichterung der Massen doch zu tun.
Smith hatte jedoch auch das vergessen, Hart suchte bei der Siegesfeier verzweifelt Blickkontakt, um seinen Schwager an das Drehbuch zu erinnern. Smith schaute jedoch so lang in die andere Richtung, bis Bret ihn dann doch einfach umarmte.
Tragisch früher Tod Smiths 2002
Hart war der Verlierer des großen Matches, was aber nur eine Momentaufnahme war: Wenige Monate später entthronte er WWE-Champion Ric Flair und stieg endgültig an die Spitze der Liga auf.
Smith konnte seinen Sternstunde derweil wegen eines weiteren Skandals nicht lange auskosten: Er wurde kurz nach dem SummerSlam gefeuert, als herauskam, dass er Wrestlerkollege Ultimate Warrior beim Kauf illegaler Wachstumshormone half. WWE - damals unter dem Druck eines großen, existenzbedrohenden Steroidskandals - griff durch.
Der Bulldog kam zwei Jahre später zurück - im Zuge von Brets Bruderfehde mit dem 1999 tragisch verunglückten Owen Hart.
2002 starb Davey Boy Smith mit nur 39 Jahren infolge eines Herzinfarkts, mitverursacht durch Drogen, Steroide und eine jahrelange Schmerzmittelsucht.