Das Wrestling-Imperium WWE trauert um einen Star, der die Showkampf-Welt wie kaum ein anderer beeinflusst hat: „Superstar“ Billy Graham ist tot.
WWE trauert um zwiespältige Ikone
Grahams früherer Arbeitgeber vermeldete das Ableben des 79-Jährigen, über den zuletzt schon bekannt geworden war, dass er schwer erkrankt und auf lebenserhaltende Maßnahmen angewiesen war. (NEWS: Alle Neuigkeiten rund um WWE)
Eine genaue Todesursache wurde nicht genannt, Ehefrau Valerie hatte aber erst am Montag vermeldet, dass die Ärzte das Leben ihres Mannes beenden hätten wollen, sie aber abgelehnt hätte und auf ein Wunder hoffe.
Graham, der seit Jahrzehnten mit schweren gesundheitlichen Problemen kämpft, hatte am vergangenen Mittwoch eine von seiner Gattin als sehr gefährlich umschriebene Not-OP, in der Ärzte eine Infektion an seine Hüfte behandelt hatten. Graham, in den siebziger Jahren eine wegweisende und unter anderem auch von Hulk Hogan kopierte Hauptfigur der WWE-Geschichte, hatte nach Angaben seiner Frau schon vorher „Organversagen“ erlitten.
Billy Graham war befreundet mit Arnold Schwarzenegger
Der aus Phoenix stammende Graham - bürgerlich: Eldridge Wayne Coleman - war in den sechziger Jahren ein erfolgreicher Kraftsportler und Bodybuilder.
Coleman war Stammgast im berühmten Gold‘s Gym in Santa Monica und traf dort auch regelmäßig auf einen jungen Österreich-Auswanderer namens Arnold Schwarzenegger. 1969 begann er seine Wrestling-Karriere nach einem Training bei Stu Hart - Brets Vater - in dessen berühmt-berüchtigtem „Dungeon“ in Calgary.
Colemans Kampfname Billy Graham war zugleich ein Tribut an den gleichnamigen Kirchenprediger, der in den USA landesweit bekannt war und eine Anbindung an die fiktive Wrestling-Familie Graham (Eddie und Luke), als deren jüngerer Bruder er sich darstellte.
Bei WWE schrieb Graham Geschichte - Hulk Hogan schaute sich viel ab
Wie später Nacheiferer Hogan legte Graham den Grundstein für seine Karriere bei der Liga AWA, ab Mitte der Siebziger kam er groß raus in der damals noch regional operierenden WWE (seinerzeit: WWWF) - und schrieb 1977 Geschichte, indem er die insgesamt 11 Jahre währende Ära der Ikone Bruno Sammartino als WWWF-Champion endgültig beendete.
Die Regentschaft Grahams war für WWE ein Stilbruch: Der Erfolg des 2018 verstorbenen Italo-Amerikaners Sammartino beruhte darauf, dass er eine authentische Verkörperung eines redlichen Helden war, zu dem zigtausende Fans als Idol und Vorbild aufschauten.
Graham dagegen porträtierte einen schillernden Bösewicht mit platinblond gefärbten Haaren und extravaganten Outfits, großmäulig und redegewandt. Wie bei Muhammad Ali (der seinerseits vom Wrestling-Ikone Gorgeous George inspiriert war) floss auch der rhetorische Stil eines Gemeindepredigers in Grahams Ansprachen ein. Wie Muhammad Ali sprach Graham auch oft in Reimen (“The man of the hour, the man with power, too sweet to be sour“).
Ein weiteres Versatzstück aus der religiösen Welt, das Graham ins Wrestling überführte: Graham sprach Gegner und andere Leute, an die er sich vor der Kamera wandte, als „Bruder“ (“brother“) an - eines von vielen Dingen, die Hulk Hogan später bei Graham abschaute.
Der Erfolg war riesig - trotzdem zog WWE den Stecker
19 von 20 Shows im ehrwürdigen New Yorker Madison Square Garden mit Graham im Hauptkampf waren ausverkauft: Graham - kongenial ergänzt von Manager-Legende „The Grand Wizard“ Ernie Roth - war der erste die Regeln brechende „Heel“ der bei WWE länger als ein paar Tage als Champion regieren durfte.
Trotzdem musste sich der damalige WWWF-Promoter Vince McMahon Sr. am Ende vorwerfen, nicht ganz umrissen zu haben, was er an Graham hatte: Obwohl es keine Anzeichen gab, dass Grahams Erfolg als Champion versiegen würde, ließ er ihn 1978 von dem braveren Bob Backlund entthronen, den er schon bei Grahams Titelgewinn als nächsten sammartinoesken Dauerchampion und Aushängeschild seiner Liga auserkoren hatte.
Der unfreiwillig gestürzte Champ soll die Welt nicht mehr verstanden haben - ebenso wenig wie McMahons Sohn Vince Jr., der die Liga später erbte und um bunte Typen wie Graham aufbaute. Nicht zufällig wurde „Superstar“ zum Markennamen, den McMahon bis heute für seine Wrestler verwendet.
Grahams Erfolgsrezept wurde von unzähligen späteren Stars kopiert - am offensichtlichsten von Hogan (der anfangs eine 1:1-Kopie war, ehe er mehr seine eigene Handschrift entwickelte), Austin Idol, Jesse „The Body“ Ventura und „Big Poppa Pump“ Scott Steiner. Graham lieferte die DNA dafür, wie Fans sich noch Jahrzehnte später einen typischen Wrestling-Star vorstellen - und unzählige Legenden bedienten sich bei ihm (Das wurde aus Scott Steiner).
Stark von Graham beeinflusst waren unter anderem auch Dusty Rhodes, Steve Austin und Triple H, der Graham in die WWE Hall of Fame einführte. Auch der „Nature Boy“ Ric Flair - in jungen Jahren Grahams Kumpel und Reisepartner - übernahm viele Ideen Grahams: Flair dankt Graham posthum nun für „all deinen Einfluss auf meine Karriere“.
Graham war auch ein Pionier des Steroidmissbrauchs
Als WWE mit Erfolgsrezept Grahams zur Weltmarke wurde, war die beste Zeit des originalen Graham schon lange abgelaufen, weshalb er oft als tragische Figur porträtiert wurde, auch von WWE selbst: Eine 2006 veröffentlichte DVD über Grahams Geschichte hatte den Untertitel „20 Years Too Soon“ - 20 Jahre zu früh.
Einen tragischen Beigeschmack hat Grahams Vermächtnis auch, weil er ein Pionier des Missbrauchs von Steroiden zum Aufbau eines besonders beeindruckenden Muskel-Looks war. Die Mittel waren in Grahams Blütezeit noch nicht verboten, er sprach teils sogar vor laufender WWE-Kamera davon, wie er sie einsetzte.
In den früheren Neunzigern - als ein großer Steroidprozess WWE fast ruinierte - verklagte er WWE und prangerte die Liga öffentlich an, was sein Verhältnis zum früheren Arbeitgeber lange zerrüttete. Grahams bitterer Bruch mit WWE soll dadurch ausgelöst worden sein, dass Vince McMahon der Jüngere ein Versprechen nicht einhielt, ihn auf Lebenszeit zu beschäftigen.
Grahams Verhältnis zur McMahon-Familie blieb widersprüchlich: Mehrfach übte er öffentlich Kritik, um diese später wieder zurückzunehmen und sich den McMahons anzudienen und ihre Hilfe zu suchen. Auch beim Thema Steroide war seine Linie konfus: Einerseits warnte er Wrestler späterer Generationen vor den Folgen des Missbrauchs, andererseits propagierte er Steroide trotzdem noch bis ins hohe Lebensalter.
2019 etwa zog Graham Kritik auf sich, als der den schmächtigeren WWE-Stars Kofi Kingston und Adam Cole (mittlerweile bei Konkurrent AEW) zur Nutzung von Steroiden riet, um mehr „wie ein Champion auszusehen“ und damit ihre Karriere zu befördern. Und das, obwohl Graham - wie auch viele seiner Nachahmer - die gesundheitlichen Folgen da schon seit Jahrzehnten massiv gespürt hatte.
Seit Jahrzehnten massive gesundheitliche Probleme
Graham war viele Male in lebensbedrohlichen Situationen: 2002 bekam er wegen einer Leberzirrhose ein Spenderorgan - das später auch wiederholt teils schwere Probleme machte.
2006 musste ein Darmschaden operativ behoben werden, 2013 war er nach einer doppelten Lungenentzündung nah am Herzversagen, 2016 erlitt er innere Blutungen, 2022 mussten ihm die Zehen amputiert werden, erst zu Beginn des Jahres lag er wegen einer Infektion an Ohr und Schädel im Hospital.
Graham hinterlässt Witwe Valerie, die seit 1979 mit Graham verheiratet war, und zwei erwachsene Kinder aus erster Ehe.