Er stellte sich in ein Eishockey-Tor und parierte jeden Schuss von NHL-Superstar Mike Modano.
Tragisches Ende einer coolen Socke
Dem 12-maligen MLB-All-Star Wade Boggs zeigte er einen Homerun-Schlag nach dem anderen. Bei einem Basketball-Training mit NBA-Center Felton Spencer versenkte er jeden Wurf. Und vor den staunenden Augen von Minnesota-Vikings-Legende Steve Jordan warf er einen zig Meter weiten Hail-Mary-Pass - den er sich dann selbst mit einem Mega-Sprint erlief und fing. (NEWS: Alle Neuigkeiten zum Thema WWE)
Football, Basketball, Baseball, Eishockey, Golf, Bowling, Billard, Darts, Schach: Das Wunderkind, das sie „Mr. Perfect“ nannten, konnte jede Sportart so gut wie ein Profi auf All-Star-Niveau und eigentlich besser. Aber er ließ all diese Talente links liegen, um als Wrestler bei WWE durchzustarten. Die in inszenierten Video-Segmenten erzählte Geschichte war hanebüchen, es war nichts Wahres an ihr dran - dennoch wurde sie legendär.
Denn auch wenn der berühmte Rivale von Hulk Hogan, Bret Hart und Co. vorher tatsächlich nur ein mäßig erfolgreicher Highschool-Ringer war: Als Wrestler war „Mr. Perfect“ Curt Hennig ein Weltklasse-Ringhandwerker und eine coole Socke, der seine (eigentlich ungewollte) Rolle wahrhaft perfekt verkörperte - bis es heute vor 20 Jahren ein tragisch frühes Ende mit ihm nahm.
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„Mr. Perfect“ Curt Hennig folgte dem Vater zum Wrestling
Curtis Michael Hennig, geboren am 28. März 1958 in der Stadt Robbinsdale im US-Bundesstaat Minnesota, war der mittlere von drei Söhnen von Larry „The Axe“ Hennig, einem Wrestling-Star der sechziger und siebziger Jahre.
Larry Hennig kämpfte bei WWE (damals: WWWF) gegen die frühen Ikonen Bruno Sammartino, Pedro Morales und Andre The Giant, war aber vor allem in der regionalen Liga AWA im mittleren Westen populär - wo auch Curts Stern aufging.
Nach einigen Lehrjahren - die ihn auch zu WWE, nach Japan und in andere regionale Promotions führten - entthronte er 1987 den damaligen AWA-Champion Nick Bockwinkel und etablierte sich auf Topstar-Niveau. Der nächste logische Schritt, den vor ihm auch Hogan und andere AWA-Stars gegangen waren: Hennig folgte dem Lockruf von Vince McMahon und seiner sich zur Weltmarke entwickelnden WWF, wo mehr Geld und Ruhm in Aussicht lagen.
Große WWE-Matches mit Hulk Hogan und Bret Hart
McMahon verpasste Hennig die Rolle seines Lebens als arrogant-lässiger Über-Athlet und schrieb ihm eine lange Siegesserie auf den Leib - die ihn schließlich zu einem logischen Herausforderer für Champion Hulk Hogan machten.
Unterstützt von seinem Manager The Genius - Lanny Poffo, soeben verstorbener Bruder des „Macho Man“ Randy Savage - bestritt Perfect mehrere Titelmatches gegen den Hulkster, verlor jedoch letztlich die Fehde, die auf wrestlerisch weit höherem Niveau geführt wurde als damals in Hogan-Matches üblich. „Man konnte ihn nicht übertreffen und nicht überstrahlen, er war der Beste der Besten“, sagte Hogan später über seinen damaligen Rivalen.
Dem wichtigsten Titel bei WWE sollte Hennig nie wieder so nahe kommen, was womöglich anders gelaufen wäre, wäre seine Karriere nicht früh nachhaltig beeinträchtigt gewesen: Hennig plagte sich ab den frühen Neunzigern mit einer schweren Rückenverletzung.
Seinen berühmtesten Kampf - das Intercontinental-Title-Match gegen Bret Hart beim SummerSlam 1991 - bestritt er unter größten Schmerzen, was die Performance der beiden Edeltechniker umso beeindruckender machte. Danach bestritt Hennig über ein Jahr kein Match, kassierte stattdessen Geld von einer Sportinvadilitätsversicherung der Londoner Firma Lloyd‘s, seine Karriere schien mit knapp über 30 früh beendet. (HINTERGRUND: Das tragische zweite Leben des Bret Hart)
Nach Comeback 1992 verlor die Karriere an Fahrt
Es kam anders, im Herbst 1992 überredete McMahon Hennig, ein kurzfristiges Comeback auszuloten: Der Boss war in Personalnot, nachdem er innerhalb kurzer Zeit zwei große Stars und Publikumslieblinge (den Ultimate Warrior und „The British Bulldog“ Davey Boy Smith) wegen einer Doping-Affäre feuern musste.
Hennig wurde blitzartig zum Publikumsliebling umgemodelt, indem er sich gegen seinen früheren Manager Bobby „The Brain“ Heenan und seinen vorherigen Verbündeten Ric Flair wandte, es folgte ein großes Comeback-Match mit Randy Savage gegen Flair und „Razor Ramon“ Scott Hall (zu AWA-Zeiten Hennigs Tag-Team-Partner) bei den Survivor Series 1992.
Trotz seines körperlichen Handicaps war Hennig noch fit genug für Top-Kämpfe gegen Flair und Bret Hart, seine Karriere nahm jedoch letztlich nicht mehr die Fahrt auf, die sie auf ihrem Höhepunkt um 1990 hatte. Spätestens mit seinem Wechsel zu Konkurrent WCW 1997 war Hennigs Nimbus dahin, als Teil von Hogans New World Order (nWo) ging er größtenteils in der Masse unter.
Kurios: Er wäre lieber ein Cowboy gewesen
Die letzte große Chance, mehr aus Hennig zu machen, versiebte WCW im Jahr 1999, als eine Neuerfindung Hennigs als Anführer einer Cowboy- und Countrymusik-Gruppierung (“The West Texas Rednecks“) unerwartet gut ankam.
Die Rednecks (Hennig, Bobby Duncum Jr., Barry und Kendall Windham) wurden gegen die „No Limit Soldiers“ gestellt, ein von Rapstar Master P. protegiertes Bündnis, dem unter anderem ein damals unmaskierter Rey Mysterio angehörte. Hennig und Co. verhöhnten sie mit einem Anti-Rap-Musikclip (“There‘s only one thing that I hate, cause it‘s a bunch of crap - I-I-I-I hate Rap!“).
Entgegen den Planungen von WCW sympathisierten die südstaatlich geprägten Fans mit den Rednecks statt den Rappern, es entstand ein kleiner Kult um Hennig und Co. - WCW machte jedoch nichts draus und ließ die Story um die Gruppierung einfach still ausklingen.
Kurios: Wie der 2017 verstorbene Weggefährte Heenan später verriet, mochte Hennig den kurzlebigen Cowboy-Charakter lieber als die weit bekanntere Mr.-Perfect-Figur. Er sei tatsächlich großer Country-Fan gewesen und hätte schon bei WWE lieber einen Cowboy spielen wollen.
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WWE-Karriere endete wegen Prügelei mit Brock Lesnar
Nach dem Untergang von WCW 2001 feierte Hennig beim Royal Rumble 2002 nochmal ein Überraschungs-Comeback bei WWE, das in einem Eklat endete: Auf dem „Plane Ride from Hell“ - einem alkoholgeschwängerten Rückflug von einer Show in England - verstrickte der als Streiche-Spieler berüchtigte Hennig sich in eine Prügelei mit dem jungen Brock Lesnar und wurde danach gefeuert.
Was die meisten, die diese Geschichte nur oberflächlich kennen, nicht wissen: Hennig und der wie er aus Minnesota stammende Lesnar waren eigentlich gute Kumpels. Es wurde gemunkelt, dass Hennig weniger wegen der Prügelei abserviert wurde, sondern mehr weil er als schlechter Einfluss auf den aufstrebenden Jungstar gesehen wurde. Das bis heute an der WWE-Spitze stehende „Beast Incarnate“ war erschüttert, als Hennigs Leben kaum mehr als ein halbes Jahr später endete.
Hennig hatte seine Karriere trotz der zuletzt ausbleibenden Erfolge fortgesetzt, am Tag seines Todes am 10. Februar 2003 hätte er eigentlich ein Match für ein Nostalgie-Projekt des langjährigen Hulk-Hogan-Managers Jimmy Hart in Florida bestreiten sollen.
Stattdessen wurde Hennig - der schon vorher über unbestimmte gesundheitliche Probleme geklagt hatte - leblos in seinem Hotelzimmer gefunden. Die Gerichtsmediziner stellten eine Überdosis Kokain als akute Todesursache fest. Die ganze Geschichte war dies jedoch nicht.
Todesursache war Kokain - aber Hennig war vorbelastet
„Hennig war nicht als Drogennutzer bekannt, aber er war ein Kind des Wrestlings der Achtziger“, notierte der langjährige Szenekenner Dave Meltzer in dem Nachruf für den Wrestling Observer Newsletter: „Das bedeutete Steroide, und das bedeutete besonders auch: Schmerzmittel und eine Vorliebe fürs Trinken und wilde Feiern.“
Im Lauf seines Lebens bestritt Hennig über 2000 Matches, nicht selten an die 200 pro Jahr, mit dem harten Tour-Alltag und seinem Lebenstil drumherum mutete Hennig seinem Körper mehr zu, als er ahnte. Vater Larry, der ihn um 15 Jahre überlebte, bestätigte, dass Steroide und Medikamente ihren Teil beigetragen hätten. In der Hennig-Familie gab es auch mehrere Fälle wohl erblich bedingter Herzprobleme.
Hennigs Schicksal war kein Einzelfall: In den zwölf Monaten vor und nach seinem Tod wurde die Branche auch von den frühen Toden des British Bulldog, Road Warrior Hawk, Miss Elizabeth, Crash Holly, „The Wall“ Jerry Tuite, „Pitbull #2″ Anthony Durante und Alex „Big Dick Dudley“ Rizzo erschüttert, alle in mittel- oder unmittelbaren Zusammenhang mit Drogen.
Schon drei Jahre vor Hennig war auch ein enger Freund und Weggefährte Hennigs ebenfalls an einer Überdosis verstorben: „Ravishing“ Rick Rude, schon vor den gemeinsamen Wrestling-Zeiten Kindheitsfreund und Schulkamerad. In dieselbe Klasse wie Hennig gingen auch zwei weitere spätere WWE-Wrestler: „Battle Kat“ Brady Boone und „Z-Man“ Tom Zenk, inzwischen beide auch nicht mehr am Leben.
Sohn Curtis Axel trat bei WWE das Erbe an
Zusätzlich tragisch: Familienmensch Hennig - zu Lebzeiten von vielen Kollegen um sein intaktes Privatleben beneidet - hinterließ neben Frau Leonice auch vier Kinder. Zwei von ihnen - Tochter Amy und Sohn Joe - folgten ihm in die Wrestling-Branche.
Joe hielt als Curtis Axel bei WWE mehrere Titel, an die goldenen Jahre seines Vaters konnte aber auch er nicht ganz anknüpfen, 2020 wurde er entlassen.
„Mr. Perfect“ Curt Hennig wurde 2007 posthum in die WWE Hall of Fame aufgenommen. Die Laudatio hielt Baseball-Legende Boggs. Obwohl die Story, dass „Mr. Perfect“ auch ein Allstar-Baseballer hätte sein können, erfunden war, hatte er realen Respekt für ihn als Wrestling-Ikone - und war persönlich mit ihm befreundet.