Vor einigen Jahren war es noch ein großer Aufreger, inzwischen ist der Gewöhnungseffekt spürbar gestiegen - trotzdem ist es immer noch keine Show wie jede andere.
WWE-Spektakel mit dunkler Seite
Die Wrestling-Liga WWE veranstaltete am Samstag ihre achte große Show in Saudi-Arabien, Crown Jewel 2022 im Fußballstadion von Riad. Der spektakuläre Hauptkampf zwischen Universal Champion Roman Reigns und YouTube-Phänomen Logan Paul begeisterte die meisten Fans und die große Inszenierung war auch zum Wohlgefallen des saudischen Königshauses um den berühmt-berüchtigten Kronprinzen Mohammed bin Salman - nicht nur, weil der 1985 geborene „MBS“ als Wrestling-Fan aufgewachsen sein soll. (NEWS: Alle Neuigkeiten zu WWE)
Die Kooperation mit WWE ist Teil einer großen Image-Offensive, in der das Saudi-Regime zahlreiche große Sport-Veranstaltungen ins Land lockte, wie zum Beispiel auch die Formel 1 und die mit gigantischem finanziellen Aufwand aus der Taufe gehobene LIV-Golftour. Das saudische Regime ist inzwischen auch Mit-Eigentümer des Premier-League-Fußballklubs Newcastle United.
Die damit verbundenen Positiv-Schlagzeilen und Demonstrationen von internationaler Gestaltungsmacht sind dabei eindeutig auch dazu gedacht, den Herrschaftsanspruch der islamistisch-reaktionären Monarchie zu untermauern - und ihr dabei ein freundlicher anmutendes Gesicht zu geben. „Sportswashing“ ist das bei Kritikern übliche Schlagwort.
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WWE und Saudi-Arabien: Ein lukrativer und umstrittener Deal
Die Rolle, die WWE dabei spielt, lässt sie sich mit insgesamt 1 Milliarden Dollar vergüten, so viel ließ sich die staatlich gelenkte und finanzierte „General Sports Authority“ den 2018 abgeschlossenen Zehn-Jahres-Deal kosten.
Der Geldsegen war und ist dem Showkampf-Imperium aus naheliegenden Gründen willkommen, die Zusammenarbeit mit dem Saudi-Regime war aber auch schon mit teuren Schwierigkeiten verbunden - deren Folgen die WWE-Events dort nachhaltig beeinträchtigen, auch bei der personellen Besetzung der Events.
Mehrere größere Stars bleiben den Saudi-Shows fern. Unter ihnen einer der aktuell populärsten.
Sami Zayn ist in Saudi-Arabien nie dabei
Sami Zayn, kongenialer Sidekick von Reigns in der Story um dessen „Bloodline“, war bei Crown Jewel wie immer nicht dabei: Zayn berichtete bestätigte 2020 im Interview mit dem Blindboy Podcast Berichte, dass er zu den Shows „nicht eingeladen“ worden sei - „und ich war auch nie besonders wild drauf, dort hinzugehen“.
Der syrischstämmige, kanadische Muslim Zayn gilt in Saudi-Arabien als unerwünscht, weil die Beziehungen des Landes zu Syrien belastet sind - die ganz genauen Umstände des Auftrittsverbots sind nicht klar: Zayn könnte dem Saudi-Regime auch ein Dorn im Auge sein, weil er bei Nahost-Themen als engagiert und politisch lautstark aufgefallen ist. Der 38-Jährige sagte im selben Interview auch, dass er nicht in Israel auftreten würde, weil er die Palästina-Politik des Landes ablehnt.
Die saudischen WWE-Fans, die bei einer Pressekonferenz vor dem Event Sprechchöre für Zayn anstimmten, schienen die Umstände seiner Abwesenheit nicht bewusst zu sein.
Neben Zayn ist auch sein guter Freund Kevin Owens nie bei den Saudi-Shows zu sehen: Owens und der inzwischen zu Konkurrent AEW gewechselte Bryan Danielson (Daniel Bryan) sollen vor Jahren ein Angebot von WWE angenommen haben, den Saudi-Shows dauerhaft fernzubleiben.
Mysteriöser Vorfall am Airport 2018
Dass WWE seinen Stars dieses Zugeständnis macht, hat mit den multiplen Verwerfungen zu tun, die der Saudi-Deal in den Jahren 2018 und 2019 ausgelöst hat.
Wegen der Staatsaffäre um den 2018 ermordeten, in die USA geflohenen Regimekritiker Jamal Khashoggi entstand auch auf WWE erhöhter Druck in Bezug auf den Saudi-Deal. Andere Großfirmen beendeten damals ihre Geschäftsbeziehungen mit dem Regime - unter anderem auch Endeavor, der Mutterkonzern der UFC (die dafür oft in den Vereinigten Arabischen Emiraten veranstaltet). Auch der langjährige WWE-Topstar John Cena tritt seit dem Khashoggi-Mord nicht mehr im Land auf.
WWE-intern sorgte ein anderer Vorfall nach Crown Jewel 2019 für größeren Trubel: Ein Flieger mit rund 200 Wrestlern und anderen Angestellten an Bord blieb damals für mehrere Stunden am Flughafen von Dammam stecken. Als offizieller Grund wurden technische Probleme angegeben, mehrere Medien berichteten jedoch, dass stattdessen die Militärpolizei den Flieger am Airport festgehalten hätte - es soll akuten Streit zwischen WWE und den saudischen Autoritäten um die Geldüberweisungen für die Events gegeben haben.
WWE wies die Berichte zurück, sie wurden aber Gegenstand mehrerer Klagen von Aktionären und Investment-Firmen: Diese warfen WWE Falschdarstellungen ihrer Geschäfte mit dem Saudi-Regime vor, um den Aktienkurs in die Höhe zu treiben - sie wurden außergerichtlich beigelegt, was WWE größere Geldsummen gekostet haben muss.
MVP als atheistischer Ex-Muslim ebenfalls außen vor
Jenseits dessen gibt es außer Zayn auch weitere Stars, die WWE wegen der speziellen politischen Gegebenheiten nie nach Saudi-Arabien mitnimmt bzw. -nahm - auch nachdem die weiblichen Stars der Liga dort inzwischen auftreten dürfen (wenngleich in züchtigen Outfits).
Zu ihnen gehören der schottische Wrestler Noam Dar, der auch die Staatsbürgerschaft des mit Saudi-Arabien verfeindeten Israel hat oder auch der inzwischen ebenfalls bei AEW aktive Malakai Black (ehemals: Aleister Black), der okkulte Tattoo-Motive hat, die im Gastland als religiös problematisch galten.
Ebenfalls zum wiederholten Mal nicht dabei war der bei WWE als Manager von 2,20-Meter-Mann Omos auftretende Montel Vontavious Porter (MVP), dessen Überzeugungen ebenfalls mit der saudischen Staatsräson über Kreuz stehen: MVP ist ein Apostat, ein früherer Muslim, der zum Atheisten geworden ist. Für saudische Staatsbürger wäre dies ein Kapitalverbrechen, auf dem die Todesstrafe steht. (HINTERGRUND: Warum MVP über neun Jahre im Gefängnis saß)